Bund fördert Luther-Jahr 2017

BERLIN. (hpd) Am Donnerstagabend beschloss der Bundestag einstimmig die Förderung des sogenannten Luther-Jahres 2017. Damit entsprach das Parlament nach der ersten Lesung einem fraktionsübergreifendem Antrag vom Juli, laut dem das 500. Jubiläum der Reformation als ein kirchliches und kulturgeschichtliches „Ereignis von Weltrang“ durch die Bundesregierung umfassend unterstützt werden soll. Der Antrag war von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen eingebracht worden.

Bereits vor rund zweieinhalb Jahren hatte das Parlament einem Antrag zugestimmt, nachdem das Reformationsjubiläum als welthistorisches Ereignis gewürdigt werden soll. Damals hieß es: „Die Reformation als ein zentrales Ereignis in der Geschichte des christlich geprägten Europas hat die Entwicklung eines Menschenbildes gefördert, das von einem neuen christlichen Freiheitsbegriff maßgeblich beeinflusst wurde. Sie war wichtig für die Ausbildung von Eigenverantwortlichkeit und die Gewissensentscheidung des Einzelnen. Damit konnten sich die Aufklärung, die Herausbildung der Menschenrechte und die Demokratie entwickeln.“ Die Reformation habe Musik, Kunst und Literatur entscheidend geprägt. Unter anderem sei die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther ins Deutsche für die Entwicklung und Verbreitung der deutschen Sprache von wesentlicher Bedeutung gewesen.

Dem jüngsten Beschluss nach soll sich die Bunderegierung in den kommenden Jahren aktiv bei der im September 2008 ausgerufenen „Luther-Dekade“ und der Ausgestaltung des Jubiläumsjahres beteiligen. Es sollen bei bestehenden Förderungen des Bundes im Bereich Denkmalschutz historische Orte der Reformation besonders berücksichtigt werden: „Die rechtzeitige Sanierung, Herrichtung und Vorbereitung der authentischen Orte sind Basis für eine inhaltliche Vermittlung, damit gewährleistet werden kann, dass die erwarteten Besucher auch tatsächlich die authentischen Orte wahrnehmen und besichtigen können.“
Für die Koordination, Durchführung und Bewerbung ausgewählter Kulturprojekte von nationaler und internationaler Bedeutung aus Anlass des Reformationsjubiläums sollen ab 2011 unter anderem jährlich fünf Millionen Euro aus dem Haushalt des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bereitgestellt werden. Unter dessen Federführung sollen in Zukunft weitere Ressorts, besonders das Auswärtige Amt, das Bundesministerium des Innern sowie das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bei der Ausgestaltung mitwirken und Beiträge in eigener finanzieller Verantwortung erbringen.

Beschlossen wurde ferner ein Dutzend Punkte umfassendes Maßnahmenpaket, mit dem die Regierung auf die Unterstützung des Reformationsjubiläums durch Länder, betroffene Städte, Initiativen und zahlreiche weitere Institutionen und Organisationen der Kultur- und Medienpolitik hinwirken soll. Dafür sollen unter anderem das Goethe-Institut und die Kulturstiftung des Bundes die Luther-Dekade und das Luther-Jahr stärker einbeziehen. Das Auswärtige Amt bereitet eine internationale kunsthistorische Wanderausstellung zum Thema vor. Ferner soll sichergestellt werden, dass eine „staatliche Geschäftsstelle ‚Luther 2017‘ personell und finanziell mit ausreichenden Kapazitäten in die Lage versetzt wird, den Ansprüchen an ein Jubiläum von Weltrang mit europäischer und internationaler Außenwirkung gerecht zu werden.“

Beispielbild
"Von den Juden und iren Lügen" (1543).
Kritik gab es von der Linksfraktion, wo die Abgeordnete Lukrezia Jochimsen den Ausschluss ihrer Partei als Mitunterstützer der Initiative und die einseitige Fixierung auf Martin Luther bedauerte, der fälschlich als eine „Lichtgestalt der Freiheit und Toleranz“ stilisiert werde. Reformatoren wie Thomas Müntzer und die Rolle der Bevölkerung würden nicht ausreichend gewürdigt. Trotzdem werde sie dem Antrag zustimmen.

Die Grünen-Abgeordnete Agnes Krumwiede bemängelte die „Verherrlichung“ Luthers ebenfalls. Auch Schattenseiten wie der „Antijudaismus“ müssten kritisch bedacht werden, meinte Krumwiede.

So hieß es in einer von Luthers Schriften: "Ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes, durchteufeltes Ding ist’s um diese Juden, so diese 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen. Wenn ich könnte, wo würde ich ihn [den Juden] niederstrecken und in meinem Zorn mit dem Schwert durchbohren. Jawohl, sie halten uns [Christen] in unserem eigenen Land gefangen, sie lassen uns arbeiten in Nasenschweiß, Geld und Gut gewinnen, sitzen sie dieweil hinter dem Ofen, faulenzen, pompen und braten Birnen, fressen, sauffen, leben sanft und wohl von unserm erarbeiteten Gut, haben uns und unsere Güter gefangen durch ihren verfluchten Wucher, spotten dazu und speien uns an, das wir arbeiten und sie faule Juncker lassen sein … sind also unsere Herren, wir ihre Knechte."

Zahlreiche Ideologen des Nationalsozialismus beriefen sich später auf solche und noch drastischere Aussagen Luthers, um das Eintreten für Antisemitismus zu rechtfertigen und innerhalb der deutschen Bevölkerung dafür zu werben.

Doch konnten Luthers Schriften wirklich als fortlebende Plädoyers für einen Genozid im letzten Jahrhundert wirken? Forschungsergebnisse lassen solche Auffassungen denkbar und plausibel sein. Zwei Wissenschaftler hatten erst kürzlich Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die über die Langlebigkeit rassistischer oder anders begründeter Verurteilungen von Minderheiten in Kulturen neuen Aufschluss gaben. Dabei stellte sich heraus, dass ein kulturell verankerter, möderischer Judenhass sogar über Jahrhunderte an Orten erhalten blieb, an denen zeitweise überhaupt keine Menschen der jüdischen Kultur gelebt hatten.

Arik Platzek