LEIPZIG. (hpd) Das Bundesverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass ein Schüler des Diesterweg-Gymnasiums in Berlin nicht berechtigt ist, während des Besuchs der Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten, wenn dies im konkreten Einzelfall geeignet ist, den Schulfrieden zu stören.
Das Bundesverwaltungsgericht hat heute Mittag die Revision des Berliner Schülers gegen die Entscheidung des Berliner Oberverwaltungsgerichts zurückgewiesen. Das Verbot der Schulleiterin, ihm das öffentliche Beten während der Unterrichszeit zu untersagen, ist damit rechtens.
Allerdings wird auf den Einzelfall abgestellt, so dass aus dem Urteil des BVerwG kein generelles Verbot öffentlichen Betens in Schulen hergeleitet werden kann. Abgestellt wurde im konkreten Fall auf eine durch das Beten zu befürchtende Störung des Schulfriedens in der „multikulturellen“ Schule.
So sehr von Säkularen einerseits begrüßt wurde, dass im konkreten Fall gegen die Klage eines muslimischen Schülers entschieden wurde, gab es doch auch Einwände.
Kritisch sieht auch Norbert Kunz, der Vorsitzende des Humanistischen Verbands Berlin-Brandenburg die Feststellung der Richter, dass im Grundsatz auch außerhalb der Unterrichtszeit in der Schule ein Gebet erlaubt sei. „Der Staat öffnet schon jetzt den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften die Türen an seinen Schulen und ermöglicht den Schülern ein Bekenntnisfach. Hier sollte auch zukünftig der Ort sein, an dem Glaube und Weltanschauung aktiv an der Schule gelebt werden können. Es muss dabei bleiben: Die staatliche Schule ist keine Kirche. Die Schule ist ein Ort der Bildung, Erziehung und des friedlichen und toleranten Zusammenlebens.“
Zum Urteil hatte das Bundesverwaltungsgericht gegenüber der Presse erklärt: „Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings nicht festgestellt, dass die Verrichtung eines Gebets in der Schule von der Schulverwaltung generell unterbunden werden kann. Im Gegenteil ist ein Schüler aufgrund der im Grundgesetz garantierten Glaubensfreiheit grundsätzlich berechtigt, außerhalb der Unterrichtszeit in der Schule ein Gebet zu verrichten, wenn dies einer Glaubensregel seiner Religion entspricht. Die sogenannte negative Glaubensfreiheit von Mitschülern und Lehrkräften verpflichtet und berechtigt die Schulverwaltung nicht, sie vor einer Begegnung mit fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen gänzlich zu verschonen. Das verfassungsrechtliche Gebot religiöser Neutralität des Staates verlangt ebenfalls keine Schule, die von jeglichen religiösen Bezügen frei gehalten wird. Die Schule ist vielmehr gehalten, die weltanschaulichen und religiösen Zusammenhänge unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Realitäten zu vermitteln, ohne sie in die eine oder andere Richtung einseitig zu bewerten. Duldet die Schulverwaltung die Verrichtung des islamischen Gebets durch den Kläger, liegt darin keine einseitige Bevorzugung des islamischen Glaubens oder eine Beeinflussung anderer im Sinne dieses Glaubens, die die staatliche Neutralität in Frage stellen könnten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dann aber für den konkreten Fall des Klägers entschieden, dass hier aufgrund der Verhältnisse an der von ihm besuchten Schule die Verrichtung des Gebets auf dem Schulflur eine bereits ohnehin bestehende Gefahr für den Schulfrieden erhöhen konnte. Damit ist ein Zustand der Konfliktfreiheit und -bewältigung gemeint, der im Interesse der Verwirklichung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags den ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf ermöglicht. Der Schulfrieden kann beeinträchtigt werden, wenn ein religiös motiviertes Verhalten eines Schülers religiöse Konflikte in der Schule hervorruft oder verschärft. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht gebunden war, waren an der vom Kläger besuchten Schule zwischen muslimischen Schülerinnen und Schülern teilweise sehr heftige Konflikte wegen des Vorwurfs ausgetragen worden, nicht den Verhaltensregeln gefolgt zu sein, die sich aus einer bestimmten Auslegung des Korans ergäben. Ebenfalls nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts würde sich diese ohnehin bestehende Konfliktlage verschärfen, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre und deutlich an Präsenz gewönne, während erzieherische Mittel allein nicht genügten, den zu erwartenden erheblichen Konflikten ausreichend zu begegnen und den Schulfrieden zu wahren. Die Einrichtung eines eigenen Raums zur Verrichtung des Gebets würde nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die organisatorischen Möglichkeiten der Schule sprengen.“
C.F.
O du Diesterweg, da du hangest ... (12. März 2008)