BERLIN.(hpd) Die Nordrhein-Westfälische Regierung wird einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht einführen. Eine entsprechende Ergänzung des Schulgesetzes wurde Ende Dezember von den Regierungsfraktionen von SPD und Grünen zusammen mit der CDU im Düsseldorfer Landtag beschlossen. Prof. Dr. Uwe Lehnert kommentiert diesen Vorfall.
Eigentlich ist das Vorgehen der Landesregierung NRW ein unfassbarer Vorgang. Erklärlich nur aus der absoluten Ergebenheit dieser Landesregierung gegenüber den kirchlichen Vorgaben und Interessen. Erklärlich aus einer durch kindliche Indoktrination erzeugten absoluten Hörigkeit einer Institution gegenüber, die es über die Jahrtausende bis heute verstanden hat, sich die Gesellschaft untertan zu machen. Solche Landesregierungen – wir haben mehrere davon in Deutschland – sind willige Erfüllungsgehilfen von Institutionen, die Experten sind im Verbiegen des Denkens und der Wahrheit. Federführend scheint mir hier in diesem Fall die frömmelnde Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zu sein. („Mein Vater lenkt von oben mein Leben“, BILD-Interview über Gott und die Welt mit Hannelore Kraft am 19.12.11)
Denn hinter der Einführung des islamischen Religionsunterrichts stehen tatsächlich noch andere Überlegungen. Einerseits natürlich das Schielen nach Wählerstimmen. Andererseits der Gedanke, dass das Zulassen des Islam als ordentliches Schulfach dafür sorgen soll, dass noch mehr als bisher auch evangelischer und katholischer Religionsunterricht als ganz normales Unterrichtsfach erscheinen sollen. Dass es mehr und mehr selbstverständlich werden soll, dass man sich vom Biologieunterricht abmelden darf, wo – angeblich – eine fragwürdige, umstrittene, eigentlich überholte Theorie über die Entstehung der Arten und des Menschen verbreitet wird. Schließlich sagt die Bibel etwas anderes, und die ist nun mal der Wahrheit unendlich viel näher, denn sie enthält Gottes Wort. Da diese Auffassung den Muslimen längst abgenommen wird, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch von deutschen Schülern flächendeckend Biologie abgewählt werden darf.
Übrigens wird das bald auch das Fach Physik betreffen, denn es propagiert ebenfalls ein – angeblich – völlig willkürliches Weltbild, das da behauptet, dass unsere Welt und unsere Erde einem Jahrmilliarden langen Entwicklungsprozess zu verdanken seien. Die Bibel, also Gottes Wort, verkündet dagegen klipp und klar, dass tatsächlich nur ein einwöchiger Schöpfungsprozess vonnöten war, folglich könne die naturwissenschaftliche Erklärung nur der bösen Phantasie von Atheisten und sog. Humanisten entsprungen sein. (Ich will nicht behaupten, dass alle Christen dieser unsinnigen Meinung sind, ihre Zahl wächst jedoch insbesondere unter dem Einfluss evangelikaler Organisationen und auch als Verbeugung vor einer Religion, für die das koranische Gesetz ist.)
Ich möchte von unseren Politikern, speziell von den Bildungspolitikern, gern erklärt bekommen, wie ein Land wie Deutschland, das über keine nennenswerten Vorräte an Öl, Gas, wichtigen Erzen oder sonstigen Ressourcen verfügt, das seinen jetzigen Lebensstandard in aller erster Linie seiner technischen Intelligenz zu verdanken hat, langfristig sein Wohlstandsniveau halten will. Als ich in den 50/60er Jahren studierte, begannen an der TU Berlin mit mir an die tausend Kommilitonen Elektrotechnik, Maschinenbau oder Bauwesen zu studieren. Derzeit sind die Zahlen solcher Studienanfänger an wenigen Händen abzuzählen. Schon heute sind bei uns tausende von Arbeitsplätzen für Ingenieure unbesetzt. Dies ganz wesentlich deswegen, weil über Jahrzehnte Studierende und Absolventen technischer Disziplinen mit den abwertenden Attributen technokratisch, politisch naiv, manipulierbar und beliebig für militaristische Zwecke einsetzbar udgl. belegt wurden. Mathematik und Naturwissenschaften wurden als Disziplinen betrachtet, die mit „wahrer Bildung“ wenig zu tun hätten, folglich wurde auch deren Attraktivität systematisch abgebaut. (Siehe hierzu meine detaillierte Kritik in „Warum ich kein Christ sein will“, 2011, an dem unseligen Buch von Dietrich Schwanitz: Bildung – Alles, was man wissen muss). Der Abbau der Naturwissenschaften und der Mathematik im Zuge der Verkürzung der Schulzeit von 13 auf 12 Jahren war ein weiterer Schlag gegen die Disziplinen, denen wir zuallererst unseren gerade noch gehaltenen Wohlstand zu verdanken haben.
Ein weiterer wichtiger Gedanke, der mit der Einführung des islamischen Religionsunterricht verbunden wird, ist die Etablierung sich wissenschaftlich gebender Lehrstühle für islamische Theologie, die selbstverständlich wie auch die üppig ausgestatteten Lehrstühle für christliche Theologie vom Staat bezahlt werden. Der Kritik an der staatlichen Finanzierung der christlichen Religion wird dadurch Wind aus den Segeln genommen, dass eine weitere Religion wie selbstverständlich universitär etabliert wird und mit öffentlicher, von allen Steuerzahlern aufzubringender Finanzierung rechnen kann. Dass sich die islamischen Lehrstühle in Bälde analog den evangelischen und katholischen differenzieren werden in solche mit sunnitischer, schiitischer oder vielleicht wahabitischer Richtung, davon ist auszugehen. Und was spricht eigentlich dagegen, bald auch Lehrstühle für jüdische, buddhistische oder hinduistische Theologie auf Staatskosten, d.h. auf Kosten von 27,7 Mill. Konfessionfreier, einzurichten. Aufgrund des Gleichbehandlungsprinzips müsste diesen Forderungen natürlich nachgegeben werden.
Zusammengefasst: Die Marschrichtung zeigt eindeutig zurück ins Mittelalter. Und unser den Evangelikalen sehr nahe stehender Bundespräsident gibt dem Ganzen in Festtagsreden seine präsidiale Weihe.
Uwe Lehnert