Machen die Bayern eine Sekte salonfähig?

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Markus Söder (CSU, hinten r.) auf einem Foto der Schule von „Universelles Leben“

(hpd) In Bayern preisen Mandatsträger der Freien Wähler eine Schule, die nachweislich zu einer Sekte gehört. Das berichtete gestern das TV-Magazin „Kontrovers“ im Bayerischen Rundfunk über die seit langem umstrittene Neuoffenbarungsgemeinschaft „Universelles Leben“.

Aus der Haltlosigkeit allgegenwärtiger Religionslehren ziehen auch die Protagonisten von „Universelles Leben“ weiter mit allen verfügbaren Mitteln ihren Nutzen. Im „Kontrovers“-Beitrag wurde deutlich, dass sich dabei sogar hohe CSU-Politiker für das Treiben einnehmen lassen.

Über wirtschaftliche Aktivitäten der laut Wolfgang Behnk, Sektenbeauftragter der evangelisch-lutherischen Landeskirche Bayern, „totalitären, geschlossenen Organisation“ in der Gegend um das unterfränkische Marktheidenfeld heißt es: „Haus um Haus wird hier aufgekauft, Felder und Wald. Hier sammeln sich die Anhänger des Universellen Lebens, einer umstrittenen Sekte.“

In der benachbarten Gemeinde Esselbach betreibt UL auch eine staatlich anerkannte Privatschule. „Lern mit mir“ im Universellen Leben, prangt ein einladender Schriftzug zur Schule am Eingangstor und dem Online-Auftritt. Wie „Kontrovers“ nun herausfand, unterstützen auch Kommunalpolitiker der Freien Wähler die Schule. Darunter Günther Felbinger und Armin Grein. Vor der Kamera versuchten diese, ihr förderndes Engagement zu relativieren. Bürgermeister der knapp 2000 Einwohner zählenden Gemeinde Esselbach ist ihr Parteigenosse Klaus Hofmann.

Doch in der Sendung wird eine Pressemitteilung präsentiert, in der es über die Schule heißt: „Hier herrscht eine Lernatmosphäre, die es einem schmackhaft macht wieder in die Schule zu gehen.“ Ex-Landrat Grein lobt ausdrücklich das „pädagogische Einfühlungsvermögen“.

Die Internetseite der Schule offenbart ein obskures Glaubensbekenntnis, zwei dicht beschriebene Seiten mit haltlosen Überzeugungen und wirren Ideen. Die Einrichtung nennt sich selbst eine „Eliteschule für Jedermann“, wirbt mit einem „urchristlichen Konzept“ und macht nach eigenen Angaben „durch beste Abschlüsse, Preise bei Wettbewerben und vor allem durch selbstbewusste, aufgeweckte Schülerinnen und Schüler von sich reden“. Statt Religionsunterricht gibt es dort „Stunden der Inneren Religion.“

Die Schule wirbt offensiv mit ihren diversen Auszeichnungen, darunter als „Umweltschule in Europa 2010“. Sie leite ihr Umweltengagement aus der Lehre des Jesus von Nazareth ab, so die Erklärung. Stolz präsentiert der Betrieb den früheren bayerischen Staatsminister für Umwelt und Gesundheit und CSU-Politiker, Markus Söder, mit Schülerinnen auf einem Foto.

„Kein Wort über den Charakter des Universellen Lebens, nichts“, stellten die Journalisten deshalb zu den Empfehlungen bei den Freien Wählern fest. Zu Wort in der Sendung kam auch der evangelische Pfarrer Michael Fragner. Wenn Politiker diese Schule „in den Himmel loben“, konterkariere das in seinen Augen eine sachgerechte Aufklärung, so Fragner. Auf dem Fensterbrett hinter ihm im Bild prangt derweil ein großes Holzkreuz, an das ein ausgemergelter Mann mit Nägeln geschlagen hängt. Eine Dornenkrone rundet das schaurige Kunstwerk ab. Zum Vorgehen der Politiker monierte der Pfarrer jedenfalls: „Das zeugt nicht von besonderem Problembewusstsein.“

Auch die Pfarrei Michelrieth hat schwer zu tun mit dem missionarischen Engagement von UL, arbeitet sich seit Jahren in einem von Aufklärungsversuchen und Rechtsstreitigkeiten geprägten Kampf ab. Auf der Internetseite der Kirchengemeinde prangt prominent ein Hinweis, der die nötigen Informationen über Hintergründe der Mitbewerber am Religionsmarkt, wirtschaftliche Betätigungen und Aussteigerberichte liefern soll.

Vor der Kamera zur Rede gestellt, versuchte Günther Felbiger von den Freien Wählern die Kritik der Pfarrer und Vorwürfe der Journalisten abzustreiten. Er sei ein Bildungspolitiker, behauptet er. Ihn interessiere was in der Schule „in der Pädagogik passiert und nicht was der Träger anstellt.“

Der evangelische Sekten-Experte Behnk wies in dem siebenminütigen Beitrag auch darauf hin, dass nach der Ideologie der sich als Urchristen verstehenden Gruppe die Anhänger dieser Gemeinschaft sich unter die absolute Führung der selbsternannten Prophetin Gabriele Wittek stellen müssten. Die 81-Jährige steht im Zentrum der Bewegung. Gegen eine Etikettierung mit dem Begriff „Sekte“ verwehren sich die UL-Anhänger, lehnen diese vielfältig konnotierte Bezeichnung durch die Amtskirchen ab.

Wegen der hinter UL stehenden Ideologie gerieten deren Anhänger in die „permanente, akute Gefahr“, in einer in der Lehre gepredigten Selbstaufgabe für die Gemeinschaft ihre Freiheit zu verlieren, warnte nun Wolfgang Behnk. Diese Gefahr drohe auch den Kindern, welche die freie Schule in Esselbach besuchen.

Doch alle Versuche zur Schließung der Schule seien bisher gescheitert, gegen kritische Berichterstattung werde aggressiv vorgegangen, heißt es.

Die Journalisten meinten zum Umgang mit der Organisation: „Jetzt wird sie zunehmend salonfähig gemacht“. Bei den Freien Wählern wehrte man sich gegen eine eingehende Auseinandersetzung mit den Fragen. Er wolle die Lehre des Universellen Lebens nicht bewerten, erklärte Felbinger in die Kamera. Parteigenosse Armin Grein reagierte später offener und gestand seine Unkenntnis, kündigte ein klärendes Gespräch mit der Schulleitung an.

Ob das helfen wird, ist fraglich. Universelles Leben unterhält einen regen Betrieb unterschiedlichster Unternehmen und greift jede Gelegenheit beim Schopf, weitere Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen – nicht nur in der Esselbacher Schule.

Auch im Vorfeld des Papstbesuches initiierten Anhänger eine Marketing-Plattform mit dem Titel „Freie Bürger für demokratische Werte“, versuchten mit zugkräftigen Sprüchen und Plakaten Spenden papst- und kirchenkritischer Beobachter einzuheimsen und sogar andere Organisationen mit ihren – für unkritische Beobachter möglicherweise durchaus plausibel wirkenden – Botschaften für sich einzunehmen.

Der Politiker Felbinger wehrte sich hingegen weiter gegen die Tatsache, dass die Empfehlungen der Freien Wähler für die Schule auch die Ideologie der Träger aufwerten kann. Im Bericht macht er auch klar, warum: Er werte damit genau so wenig das Universelle Leben auf, wie wenn er Schulen in katholischer oder evangelische Trägerschaft ein gutes Attest ausstellte. „Das ist Erbsenzählerei“, so Felbinger.

Ein nüchterne Analyse, stehen doch auch die Ideenwelten hinter diesen Trägern auf höchst wackeligem Fundament. Aber rechtfertigt das, sich dem Universellen Leben unkritisch an den Hals zu werfen? Für bayerische Politiker scheint das in Ordnung zu sein. Man fügt sich in das System oder fördert es auch bei Gelegenheit. Doch sind sie denn wirklich die Einzigen, die diese umstrittene „Sekte“ salonfähig machen?

Die „Kontrovers“-Journalisten bilanzierten die Beobachtungen ihrer Sendung jedenfalls so: „Die Amtskirchen auf einer Ebene mit dem Universellen Leben – mehr Aufwertung geht nicht.“

Arik Platzek