MIZ 4/11 erschienen

ASCHAFFENBURG (hpd) Das soeben erschienene Heft 4/11 der MIZ dreht die Gretchenfrage um: „Nun sagt, Frauen, wie habt ihr’s mit der Religion?“ Neben Überblicksartikeln über die Aussagen, die vier Weltreligionen dazu treffen, nehmen sechs Expertinnen zu dem Themenkomplex Stellung.

 

Im Editorial stellt Daniela Wakonigg auf einen irritierenden Aspekt ab, und gibt damit zugleich die Perspektive für die Expertinnengespräche vor: Warum halten so viele Frauen an Religion fest, obwohl in den „Heiligen Schriften“ die Frauen abwertenden Stellen weit überwiegen? Warum sind so viele Frauen in religiösen Organisationen tätig, obwohl sie kaum in führende Positionen aufsteigen können?

Frauen und Religion

Dass Frauen in den religiösen Grundlagentexten schlecht wegkommen, zeigen Daniela Wakonigg, Arzu Toker und Colin Goldner für die drei abrahamitischen Religionen und den tibetischen Buddhismus. Überall herrschen die patriarchalischen Vorstellungen vor, der Frau wird eine dienende Rolle zugeschreiben, ihre Religiosität wird als minderwertig angesehen, der Weg zur Erlösung ist ihr verstellt. Lediglich im Protestantismus und im Reformjudentum sind einige Schritte auf dem Weg zur Gleichstellung der Frau vollzogen. Ansonsten geben bis heute Texte die religiöse Leitlinie vor, deren aggressive Frauenfeindlichkeit verstört.

Warum Frauen trotz derartiger Texte und trotz der alltäglichen Zurücksetzung in der Gemeindearbeit nicht verstärkt aufbegehren, sondern im Gegenteil das religiöse Leben zu einem guten Teil tragen, war der zentrale Aspekt von sechs kurzen Interviews mit Expertinnen. Eine abschließende und zufriedenstellende Antwort gab es nicht, aber doch einige Hinweise, an denen weiterzudenken sich lohnen könnte.

So erinnert die feministische Theologin Aurica Nutt (Münster) daran, dass ehrenamtliches Engagement verstärkt von Menschen erbracht wird, die nicht voll erwerbstätig sind – und das sind in unserer Gesellschaft deutlich mehr Frauen als Männer. Die Religionssoziologin Kornelia Sammet (Leipzig) knüpft hier an, und verweist darauf, dass Religion Frauen auch „die Möglichkeit zu sozialer Anerkennung“ eröffne, wenn sie sich beispielsweise in karitativen Einrichtungen betätigten. Arzu Toker betont, dass für Frauen aus konservativen muslimischen Familien die Aktivität in der Moschee oft überhaupt die einzige Möglichkeit sei, sich außerhalb des eigenen Hauses alleine zu bewegen. Ein anderer, mehrfach genannter Aspekt scheint zu sein, dass Frauen die Benachteiligungen zwar erfahren, jedoch ausblenden, weil diese Erfahrungen durch positive Erlebnisse kompensiert werden.

China und Tibet

Einen überaus interessanten Ausflug in die chinesische Geistesgeschichte bietet Heiner Jestrabek an. Er umreißt die philosophischen Rahmenbedingungen, die dazu geführt haben, dass China heute das „am wenigsten religiöse Land der Erde“ ist, und stellt einige wichtige Rationalisten und Skeptiker der letzten 2.500 Jahre vor.

In der chinesischen Provinz Tibet scheinen die Uhren diesbezüglich noch anders zu gehen: Mit dem Dalai Lama hat ein religiöser Führer erst in jüngster Vergangenheit auf politische Ansprüche verzichtet – was das in der Realität bedeuten wird, ist derzeit noch unklar. David Signer nimmt sich den „letzten Heiligen“ vor.

150 Jahre Rudolf Steiner

2011 feierten die Anthroposophen den 150. Geburtstag von Rudolf Steiner. Ein Fazit des Jubiläums zieht Jana Husmann. Anhand des Umgangs anthroposophischer Einrichtungen mit dem Rassismusvorwurf macht die Kulturwissenschaftlerin deutlich, dass nicht nur im Jubeljahr wenig Neigung bestand, sich kritisch mit Steiners Äußerungen zum „Triebleben“ der „verknöcherten“ Afrikaner und zur „geistigen Potenz“ der „am Geiste schaffenden“ Europäer auseinanderzusetzen. Es ist ein generell anzutreffendes Muster, Steiners Rassismus nicht nur zu leugnen, sondern ihn geradezu zu einem „Humanismus“ zurechtzubiegen. Dementsprechend ignorierte der Rudolf Steiner Verlag auch eine vor vier Jahren eingegangene Selbstverpflichtung, die ihm seinerzeit die Indizierung des Steiner-Bandes „Geisteswissenschaftliche Menschenkunde“ durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ersparte. Statt – wie zugesagt – einer kritisch kommentierten Auflage erschien pünktlich zum Jubiläumsjahr ein Nachdruck der bisherigen Ausgabe, dem lediglich einige verharmlosende Hinweise beigegeben wurden, wie Jana Husmann überzeugend darlegt.

Gunnar Schedel wirft einen Blick auf die aktuellen Debatten um das kirchliche Arbeitsrecht und stellt im Zuge dessen auch die einschlägige Kampagne 2012 des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) vor. Und Roland Ebert lenkt den Blick auf Netzwerke innerhalb der katholischen Kirche und ihre Wirkmöglichkeiten.

Daneben gibt es Berichte über säkulare Veranstaltungen und Webseiten, Buchbesprechungen sowie die Internationale Rundschau mit einschlägigen Kurzmeldungen aus aller Welt.

Martin Bauer

 

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