Heiligt der Zweck wirklich die Mittel?

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Poster von Anonymous / Abb. unter CCC BY-SA 3.0

BERLIN. (hpd) Die „Jüdische Allgemeine“ hat eine Frage thematisiert, die mich seit dem Auftreten von Wikileaks beschäftigt: „Gilt Datenschutz nur für Nutzer mit der richtigen Gesinnung?“ Humanisten sollten dazu klar Stellung beziehen.

Am vergangenen Donnerstag hat die Jüdische Allgemeine einen Artikel/Kommentar der Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland, Marina Weisbrand, veröffentlicht. Darin wird, anlässlich der Veröffentlichung von Daten aus rechtsextremen Netzwerken, thematisiert, wie weit der Datenschutz im Internet gilt. Ist es eine widerrechtliche Veröffentlichung personenbezogener Daten, die aus gutem Grund zu schützen sind? Auch wenn es Daten von vermutlichen bzw. vermeintlichen Neonazis sind?

Ein Kommentar von ATHMATRIX, IT Verantwortlicher des hpd

Teile der Hacker-Szene sind irgendwie schizophren. Auf der einen Seite setzt man sich für Datenschutz und Verschlüsselung sowie gegen staatliche Schnüffelsoftware und Vorratsspeicherung ein, auf der anderen Seite veröffentlicht man persönliche Daten von mutmaßlichen Neonazis (oder sympathisiert mit deren Veröffentlichung). Auf welcher ethischen Grundlage? Mit welcher Begründung?

Wenn man die Daten der vermeintlichen Neonazis an den Verfassungsschutz oder die Polizei senden würde, wäre das vielleicht noch irgendwie vertretbar. Aber einen öffentlichen Pranger, in dem ungeprüft persönliche Daten von angeblichen Neonazis veröffentlicht werden? Wer steht für falsche Einträge (und deren mögliche Folgen) gerade?

Und wo hört so etwas auf? Darf man vermeintliche Rechtsradikale auch ungestraft bestehlen, verletzen oder gar umbringen, da man ja nur den „aufkommenden Faschismus“ verhindern will? Sind vor dem Gesetz nicht mehr alle Menschen gleich? Und Justitia nicht mehr blind? – Ich weiß, das sind Idealvorstellungen, aber sollten wir diese Ideale als Humanisten nicht verteidigen?

Wer für das Prinzip „Der (gute) Zweck heiligt die Mittel" plädiert, kann schwerlich anderen diesen Grundsatz absprechen. „Gut“ ist relativ im Auge des jeweiligen Betrachters. Christliche Fundamentalisten agieren im Namen des Guten, wenn sie Abtreibungsärzte ermorden lassen. Islamisten agieren im Namen des Guten, wenn sie "Feinde des Islams" mit allen Mittel bekämpfen.

Ich glaube, keiner von uns will eine Liste aller Frauenhäuser nebst Belegungsliste im Internet veröffentlicht sehen. Oder, wie die „Jüdische Allgemeine“ befürchtet, eine Adressliste aller Deutschen jüdischen Glaubens. Oder eine Adressliste aller bekennenden Atheisten in Deutschland. Oder eine Liste aller Homosexuellen in Deutschland.

Datenschutz und Persönlichkeitsrechte gelten für alle Bürger. Nur der demokratische Staat hat die Autorität, diese Rechte einzuschränken. Und das ist sicher in vielen Fällen problematisch und muss durch die Medien kritisch begleitet werden.

Wenn jedoch Internet-Pranger und Selbstjustiz im Internet mehr und mehr gesellschaftsfähig werden, bringt uns das dem überwunden geglaubten Mittelalter wieder ein Stück näher.

Humanisten sollten in dieser Frage klar Stellung beziehen.