Der Streit um die ewige Ruhe

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Grabengel / Foto: Thomas Max Müller (pixelio)

WIEN. (hpd) Die römisch-katholische Bischofskonferenz in Österreich hat eine jahrzehntelange Praxis legalisiert. Ausgetretene sollen ab sofort auch hochoffiziell ein kirchliches Begräbnis erhalten können. Der Schritt stößt nicht auf ungeteilte Begeisterung. Konfessionsfreie fürchten, dass vermehrt Tote durch Begräbnisse nachträglich wieder zu Katholiken gemacht werden sollen.

Etwa 50.000 Menschen werden in Österreich jährlich nach katholischem Ritus begraben. Geht es nach der römisch-katholischen Bischofskonferenz sollen das bald mehr werden. Diese Woche wurde bekannt, dass Ex-Katholiken sozusagen einen Rechtsanspruch auf ein kirchliches Begräbnis haben, wenn sie diesen Wunsch zu Lebzeiten geäußert haben. Wünschen sich nur die katholischen Verwandten eine kirchliche Begleitung, darf der Pfarrer ab sofort auch hochoffiziell auf säkularen Begräbnisfeiern auftreten: „Vorgesehen dafür ist eine kirchliche Begräbnisfeier in der Aufbahrungshalle und am Grab, jedoch keine eigene Messfeier. Wenn jedoch jemand klar zu erkennen gegeben hat, "kein kirchliches Begräbnis zu wünschen, oder sich ausdrücklich vom christlichen Glauben losgesagt hat, dann ist das zu respektieren". In solchen Fällen kann der Priester, Diakon oder Begräbnisleiter die Angehörigen hinter dem Sarg und ohne liturgische Gewänder begleiten, "um mit ihnen zu beten", schreibt die katholische Agentur Kathpress in einer Meldung.

Begründet wird das vor allem mit dem Wunsch katholischer Hinterbliebener nach kirchlichem Beistand. Die christliche Gemeinde habe die Aufgabe, die Hinterbliebenen zu trösten. Dies geschieht, indem sie die christliche Auferstehungshoffnung verkündet und für den verstorbenen Menschen Gottes Barmherzigkeit erbittet". Gleichzeitig hat die Gemeinde die Aufgabe, sich von einem Menschen zu verabschieden, "der durch die Taufe in den Leib Christi eingegliedert worden ist und daher immer mit der Kirche Verbunden bleibt, selbst wenn er die kirchliche Gemeinschaft offiziell verlassen hat.

Die Formulierungen sorgen bei Reformkatholiken für Jubel. „Ein deutlicher Schritt in Richtung der barmherzigen Art Jesu!“, schreibt ein Alois Mantler auf der Seite katholisch.at. Die konservative Presse, die dem kircheneigenen Styria-Verlag gehört, hält den Schritt für überfällig und wittert gar Morgenluft für wiederverheiratete Geschiedene. Auch dort, so das unausgesprochene Argument, würden viele Pfarrer die Kommunion spenden – trotz ausdrücklichen Verbots der katholischen Oberen. So streng war das bei Begräbnissen nicht geregelt, aber, wenn schon hier die Praxis offiziell wird, warum nicht auch in anderen Themenbereichen?

Religionsfreiheit über den Tod hinaus

Wenig Freude haben die Konfessionsfreien. Sie befürchten, dass vermehrt Ausgetretene nach ihrem Tod in die katholische Kirche zurückgeholt würden. Problematisch sei vor allem, dass es nur der Aussage von Angehörigen bedürfe, um ein kirchliches Begräbnis zu gewährleisten. Deutlich bringt es Erwin Peterseil auf seiner Seite atheisten-info.at auf den Punkt: „Muss sich jetzt in Österreich ein Religionsfreier mit katholischer Verwandtschaft irgendwo zusätzlich registrieren lassen, damit nach seinem Tode seine Religionsfreiheit nicht mit katholischer Lüge, List und Gewalt beseitigt werden kann?“ Es sei nicht auszuschließen, dass besonders katholische Verwandte zur Not einfach behaupten, der Verstorbene habe seinen Austritt bereut.

Gelassener argumentiert Niko Alm, Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien und Mitinitiator des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien: „Wenn jemand aus der Kirche austritt, macht er damit unmissverständlich klar, dass er mit der Institution nichts mehr zu tun haben will. Eine kurz vor dem Tod nicht ordentlich dokumentiere Meinungsänderung kann nicht ausreichen, um Verstorbenen bereits abgelehnte Rituale angedeihen zu lassen. Mit dem gleichen Argument könnten andere Religionen auch Verstorbene für sich vereinnahmen“, sagte er in einer Stellungnahme gegenüber dem hpd.

Sepp Rothwangl, Sprecher der Plattform Betroffene Kirchlicher Gewalt reagiert emotional. Er erinnert sich an das Begräbnis seiner Mutter vor wenigen Monaten. „Meine Mutter und unsere Familie haben sich bewusst für eine Einäscherung und eine schlichte aber würdige Verabschiedung ohne katholischen Humbug entschieden. Ihre Eindruck schindende Anbiederung am Sarg meiner Mutter hat nur aus Rücksichtnahme auf meine Brüder nicht mit Ihrer Rausweisung durch mich geendet. Auch das Gebimmel Ihrer Kirchenglocken vor und nach der Trauerfeier war obsolet, störend und rücksichtslos“, schreibt er in einem Mail an jenen Pfarrer, der die Zeremonie begleitete – und spricht damit ein Problem an, das der Bischofskonferenz offenbar entgangen ist. Was tun, wenn sich Angehörige nicht einigen können?

Rothwangls Familie ist kein Einzelfall: Ein Teil kann besonders katholisch sein, der andere betont konfessionsfrei oder atheistisch. Die Entscheidung um die letzte Ruhe des oder der Verstorbenen würde einen Streit auslösen und möglicherweise zur Machtprobe führen. Mit dem Trost, der gespendet werden soll, wäre es in dem Fall nicht weit her.

Es geht ums Geschäft

Gerhard Engelmayer vom Freidenkerbund sieht auch nicht-seelsorgerische Motive hinter der Entscheidung, eine gängige Praxis zu legalisieren: „Es geht nicht ums Seelenheil oder um die Frohbotschaft, sondern ums Geschäft! Die verschämte Meldung ist deswegen so spät veröffentlicht worden, weil die Meldung ein glattes Eingeständnis ist, dass beim Geschäft jegliche Kompromisse möglich sind, bei Fragen der Sexualmoral, wo andere die Leidtragenden sind, gibt es keine Kompromisse.“ Er sieht Konfessionsfreie als potentielle Opfer „postmortaler Belästigung“.

Ob die Begräbnisgebühren das Motiv für viele Pfarrer waren oder sein werden, kirchlich zu bestatten, wird sich nicht nachweisen lassen. Jedenfalls sind Beisetzungen und Totenmessen wichtiger Einkommensbestandteil jeder Pfarre. Ein Teil, der in den kommenden Jahren immer kleiner werden wird. Heute sind nur etwas mehr als 64 Prozent der Österreicher katholisch – die Seniorengeneration mit einem wesentlich höheren Katholikenanteil mitgerechnet. Die Jüngeren treten in Scharen aus. Langfristig wird die Zahl katholischer Begräbnisse merkbar sinken. Und mit ihr die Einnahmen, die die Kirche lukrieren kann. Oder der Trost, den sie katholischen Angehörigen spenden kann.

Christoph Baumgarten