TRIER. (heiligs-roeckle/hpd) Die älteste Stadt Deutschlands wollte sich modern und weltoffen zeigen. Also wurde ins Programm der Trierer „Heilig-Rock-Wallfahrt“ eine internationale Kunstausstellung des Kulturzentrums „Tuchfabrik“ (TUFA) aufgenommen, die das Thema „Reliquie – Fetisch in Kirche, Kunst & Konsum“ aufarbeiten sollte. Doch nun verweigern die örtlichen Kulturförderinstitutionen plötzlich die Gewährung der fest eingeplanten Zuschüsse.
Weshalb die Trierer Kunstausstellung „Reliquie“ einen Monat vor Ausstellungseröffnung verhindert werden soll.
Stein des Anstoßes (auch wenn dies offiziell dementiert wird): Die TUFA kooperiert mit der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), die unter dem Titel „Heilig’s Röckle!“ ein Begleitprogramm mit renommierten Religionskritikern organisiert. Ein Vorgang, der zeigt, wie wenig die Trennung von Staat und Kirche in Deutschland tatsächlich vorangeschritten ist.
Die Verantwortlichen des Trierer Bistums waren, wie man hört, alles andere als amüsiert, als sie vom Engagement der Giordano-Bruno-Stiftung erfuhren. Offenbar setzten sie daraufhin alle Hebel in Bewegung, um die Ausstellungsmacher der TUFA für ihr unbotmäßiges Einbeziehen kritischer Standpunkte abzustrafen. Die Wege, die sie dabei gehen mussten, waren kurz, denn praktischerweise gehört der Bruder des Trierer Generalvikars Georg Holkenbrink, der ehemalige Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink, den Vorständen sowohl der Kulturstiftung Trier als auch der örtlichen Sparkassenstiftung an. Beide Stiftungen verweigerten nun – entgegen ihrer bisherigen Praxis – der Tuchfabrik die in Aussicht gestellte Förderung. Mit der Empörung des Bistums habe dies überhaupt nichts zu tun, versichern die Verantwortlichen unisono, vielmehr hätten „grundsätzliche Erwägungen“ gegen die Förderung der Ausstellung gesprochen. Worin diese „grundsätzlichen Erwägungen“ bestanden haben sollen, will indes niemand verraten.
„Ich halte diesen Vorgang für einen Skandal!“, erklärt gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon. „Man fragt sich wirklich, in welchem Jahrhundert diese Leute leben! Immerhin sind beide Stiftungen öffentliche Einrichtungen, die in ihrer Förderpraxis die gesellschaftliche Pluralität berücksichtigen sollten. Sie sollten Meinungsvielfalt garantieren und sich nicht einseitig auf die Seite einer religiösen Institution schlagen, die in der Bevölkerung stetig an Rückhalt verliert.“ Besonders ärgerlich, so Schmidt-Salomon, sei das „Kunst- und Kulturverständnis, von dem diese ‚Kulturförderungsinstitutionen‘ offenkundig ausgehen“: „Augenscheinlich verstehen sie Kunst bloß als schmückendes Beiwerk. Eine ernsthafte, zeitgemäße Auseinandersetzung mit existentiellen Fragen des Lebens ist nicht gewollt! Im Grunde ist das auch nicht besonders überraschend: Die Verwalter des kulturellen Status quo schätzen künstlerische oder philosophische Querdenker in der Regel erst, wenn sie viele Jahre tot sind. Nun habe ich gegen gute Traditionspflege überhaupt nichts einzuwenden, doch ernstgemeinte Kulturförderung darf sich darin nicht erschöpfen!“
Durch die Absage der beiden Trierer Stiftungen stehen die Verantwortlichen der TUFA vor einem Finanzierungsloch in Höhe von etwa 13.000 Euro. Insofern ist es gegenwärtig in der Schwebe, ob die Kunstausstellung, an der sich renommierte Künstler wie der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, (ohne jegliche Gage) beteiligen, überhaupt stattfinden kann. Um „Reliquie: Fetisch in Kirche, Kunst & Konsum“ wie geplant durchführen zu können, ruft die TUFA deshalb zu Spenden auf. Die gbs unterstützt diesen Spendenaufruf nachdrücklich: Bitte spenden Sie auf das Konto des TUFA e.V.! (Kontonummer: 1005859, Sparkasse Trier, BLZ: 58550130, Stichwort: „Reliquie 2012“ – der TUFA e.V. ist als gemeinnützig anerkannt und daher berechtigt, Spendenbescheinigungen auszustellen.)
„Wir alle hoffen sehr, dass die Reliquien-Ausstellung doch noch realisiert werden kann“, sagt gbs-Sprecher Schmidt-Salomon. „Gerade die jüngsten Vorgänge zeigen ja, wie wichtig die TUFA-Ausstellung ist, um ein kulturelles Gegengewicht zum ‚Heilig-Rock-Spektakel‘ zu schaffen, das seit 500 Jahren nicht bloß frommes Erschaudern, sondern auch heftigstes Kopfschütteln auslöst.“
Wie auch immer die Spendenaktion des TUFA e.V. ausfallen wird, eines steht fest: Die „Heiligs-Röckle!“-Veranstaltungen mit Heinz-Werner-Kubitza, Ingrid Matthäus-Maier, Michael Schmidt-Salomon, Andreas Altmann und Ralf König werden auf jeden Fall stattfinden, denn sie werden mit den Mitteln der Giordano-Bruno-Stiftung bestritten – ohne jegliche öffentliche Bezuschussung. Auch die Ausstellung der zweiten Trierer „Herrenreliquie“, der „Heiligen Unterhose“ des in Trier geborenen Philosophen Karl Marx, wird die Kirche nicht verhindern können. Schließlich wurde der „Marx-Altar“ von Helmut Schwickerath, der ab dem 14. April unweit des Karl-Marx-Geburtshauses in der Brückenstraße bewundert werden kann, ebenfalls ohne öffentliche Mittel konzipiert. Eine weise Entscheidung, wie sich nun gezeigt hat…
Weiterführende Informationen zum alternativen Pilgerprogramm (incl. „Heiligem Rock“ und „Heiliger Unterhose“) gibt es im Internet unter: