Und Tschüss!

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Fotos: GBS Mainz/Rheinhessen e.V./F. Lorenz

MAINZ/TRIER. (hpd/GBS Mainz) „Gemeinsam austreten macht doppelt Spaß“. Deshalb haben sich am Gründonnerstag in Mainz, Trier, Wiesbaden, Mannheim, München und Limburg Menschen versammelt, um gemeinschaftlich aus der Kirche auszutreten und um damit ein unmissverständliches „Nein“ zu der Personalpolitik in kirchlichen Einrichtungen, der Haltung der Kirchen im Hinblick auf sexuelle Selbstbestimmung und andere gesellschaftliche Fragen zu äußern. 

Die umfangreiche Berichterstattung in der Presse zeigt, dass die Botschaft ankam. Auch für die Austretenden war das Hasenfest ein voller Erfolg: Statt eines drögen Behördengangs gab es Sekt, Eierlikör und Schokohasen, Applaus, jede Menge gute Laune und in Trier sogar ein Sponsoring der Austrittsgebühr.   

Die Aktion zum kollektiven Kirchenaustritt, die zum ersten mal 2011 vom FICKO Magazin, der GBS Mainz/Rheinhessen e.V. und engagierten Einzelpersonen ins Leben gerufen wurde, wurde am Gründonnerstag 2012 in mehreren Städten wiederholt, um Menschen deutschlandweit die Gelegenheit zu geben, bei Ihrem Kirchenaustritt ein politisches Zeichen zu setzen.

In Mainz versammelten sich am Vormittag ca. 50 Menschen vor dem Standesamt, um gemeinsam den Austritt von 15 Personen aus den beiden christlichen Großkirchen zu feiern. Es bildete sich bald eine bunte Menge an Austretenden, Unterstützern, Journalisten und Kameraleuten und es entwickelten sich viele  angeregte Diskussion zwischen Journalisten, Austretenden und JU-Anhängern. Die Stimmung war fröhlich bis ausgelassen, woran all die bunten Hasenohren und eine „echte“ rosa Osterhäsin, die kleine Präsente an die Austretenden verteilte, wohl nicht ganz unschuldig waren. Nur auf die Anhänger der Jungen Union, die eine Gegendemo angekündigt hatten und den Anwesenden Flyer mit dem Hinweis verteilten, dass die Kirchen einer der größten Arbeitgeber in Deutschland ist (ein Punkt, den die Organisatoren angesichts der diskriminierenden Personalpolitik der Kirchen ja gerade anprangern!), sprang die gute Stimmung nicht so ganz über.

Vorwiegend wurden die unsoziale Personalpolitik der Kirchen (1 Euro Jobs, Diskriminierung von Homosexuellen und geschieden Wiederverheirateten) sowie die „absurde Haltung der katholischen Kirche zu Kondomen“ trotz der AIDS-Problematik als Austrittsgründe genannt. 

Natürlich ist ein Kirchenaustritt nur ein erster Schritt in Richtung auf ein humaneres Miteinander. Dem ersten Austretenden des Tages wurden deshalb Bertrand Russells Klassiker „Die Philosophie des Abendlandes“ und das „Manifest des evolutionären Humanismus“ von Michael Schmidt Salomon als Geschenk auf den Weg gegeben, beides keine Bücher mit göttlichem Wahrheitsanspruch, und womöglich gerade deshalb glaubwürdiger als die Bibel.

Trier: „Ein Zeichen setzen“

Bereits um 9:30 Uhr morgens hatten sich zahlreiche Kirchenaustrittswillige und deren Begleiter vor dem Trierer Standesamt eingefunden, das sich am Domfreihof befindet, schräg gegenüber vom Trierer Dom.

Transparente wurden aufgestellt und diejenigen, die aus der Kirche austreten wollten, erhielten orange Ohrenhasen zum Aufsetzen. Diverse Medienvertreter hatten sich eingefunden und interviewten die Anwesenden. Horst Schmidt beispielsweise wollte schon seit Jahrzehnten aus der Kirche austreten. Der über 70-Jährige fand nur bislang keinen richtigen Anlass und das Event des kollektiven Austritts gab ihm den nötigen Schubs. Das ist ganz im Sinne des Veranstalters, der Trierer gbs-Hochschulgruppe, deren Sprecher, Florian Chefai, meinte: „Wir wollen ein Zeichen setzen – und ein kollektiver Austritt macht daraus ein Event, das auch noch Spaß macht!“

Für das Event hatte die Hochschulgruppe nach Kirchenaustrittspaten gesucht, weil für einige die Austrittsgebühr in Höhe von 20,45 € zu hoch war. Tatsächlich zahlte nur einer der immerhin 13 nun Kirchenfernen die Gebühr selbst, für alle anderen konnten sogar für die Nachzügler vor Ort spontan Paten gefunden werden.

Nach dem Ereignis gab es ein Schlückchen Sekt und ein Überraschungsei. Eine Studentin erzählte, der Standesbeamte habe ihr zugeredet, sie solle sich nicht zum Kirchenaustritt nötigen lassen. Wie er darauf kam, sie könne das nicht selbst entschieden haben, war ihr ein Rätsel. Ein weiterer Kandidat berichtete, ihn plage direkt im Anschluss das schlechte Gewissen, obwohl er nie religiös erzogen worden sei. Zwei wollten keine Pressefotos und entsprechend sind auch lediglich ihre Hasenohren zu sehen, nicht ihre Konterfeis. Einer begründete dies damit, keine Fotos von sich im Internet verteilen zu wollen, der andere, dass Religion Privatsache sei, somit auch sein Kirchenaustritt.

Einige Passanten interessierten sich für die Aktion und nahmen sich Infomaterial mit. Insgesamt war die Stimmung recht ausgelassen und die Aktion fand ihren Ausklang im selben Gebäude, in dem sich das Standesamt mit Blick auf den Dom befindet: im Kulturcafé Kokolores.

In Wiesbaden feierten vor dem Amtsgericht etwa zehn Menschen den Austritt von drei Leuten. „Die Rolle der Frau in der Katholischen Kirche ist einfach nur lächerlich“, so Ulrich Mauer, einer der Ausgetretenen. Kritisiert wurde auch hier die Haltung der Kirchen zu Homosexuellen und Andersdenkenden. Unterstützt wurde die Aktion von mehreren Einzelpersonen, dem FICKO-Magazin und der GBS Mainz/Rheinhessen e.V.

In Limburg gelang es einer Gruppe von Menschen, die erst wenige Tage vor Beginn des Fests von der Veranstaltung erfuhren, kurzfristig noch Werbung für die Aktion zu machen, und sehr schnell fanden sich vier Leute, die gemeinsam und demonstrativ vor dem Limburger Amtsgericht aus der Kirche austraten und diesen Schritt mit weiteren Freunden vor Ort feierten.

Auch in den Standesämtern Mannheim und Heidelberg traten insgesamt drei Personen aus, unterstützt durch die Säkularen Humanisten GBS Rhein-Neckar e.V., und feierten diesen frohen Anlass im Kreise mehrerer Unterstützer und Freunde.

In München wurde der Austritt von vier Kirchenmitgliedern vor dem Münchner Standesamt von einer Traube von Menschen umringt und gefeiert. Organisatoren vor Ort waren die GBS München und der bfg München.

Auch im Ausland wurde die Idee zum kollektiven Kirchenaustritt aufgegriffen: In Luxemburg findet das Hasenfest inklusive des Davonhoppelns aus der Kirche erst am morgigen Samstag statt: Am 7. April steigt im Luxemburger Exit 07 die Huesefest-Party nach dem Motto, an das AHA-Präsident Laurent Schley erinnerte: „Ein kleiner Sprung für dich, ein großer Sprung für die Gesellschaft!“

Resümee

Das Presseecho war enorm, Beiträge über die Aktion wurden in der Tagesschau, RTL und Bild-Online veröffentlicht. Die Veranstalter sind mit dem Verlauf und der Resonanz der Aktion somit ausgesprochen zufrieden und hoffen, dass sich viele weitere Menschen dadurch ermutigt sehen, so bald wie möglich den christlichen Kirchen den Rücken zu kehren.

 

Thorsten Barnickel & Fiona Lorenz