Religiöse Rechte - Notizen April 2012

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US-Flag / Foto: Andrea Church (morguefile)

USA. (hpd) Der April ist vorbei und er hat der republikanischen Partei die lang erwartete Entscheidung gebracht. Nachdem Rick Santorum und Newt Gingrich sich aus dem Vorwahlkampf zurückgezogen haben, steht Mitt Romney als republikanischer Präsidentschaftskandidat fest. Außenseiter Ron Paul hat keinerlei Chancen mehr.

Zum ersten Mal schicken die Republikaner einen Mormomen ins Rennen, was vielen Vertretern der Christlichen Rechten sauer aufstößt. Neben einem Sexskandal im Secret Service und dem Mord an Trayvon Martin sorgte auch der 100. Jahrestag der Titanic-Katastrophe für Gesprächsstoff. Zudem muss die Christliche Rechte einen Todesfall verkraften.

Wie so oft gerieten aber auch wieder Juden ins Visier der Evangelikalen. Sandy Rios von der American Family Association warf den „jüdischen Linken“ in Amerika und Europa vor, den Islam zu verharmlosen und die religiösen Gemeinsamkeiten zu betonen. Pat Robertson warnte davor, dass Satan hinter dem Antisemitismus stehe, nicht jedoch ohne hinzuzufügen, dass die „armen Juden“ Jesus nicht als Messias anerkennen. (Quelle 1) (Quelle 2)
 

Auch weiterhin hält der Tod des Teenagers Trayvon Martin, der vom Milizionär George Zimmerman erschossen wurde, die Amerikaner in Atem. Da das Opfer Afro-Amerikaner ist, ist eine gesamtgesellschaftliche Rassismusdebatte entbrannt. Richard Land von der Southern Baptist Convention warf US-Präsident Obama, der sich des Falles angenommen hatte, vor, von seiner verfehlten Wirtschaftspolitik abzulenken. Unter dieser hätten vor allem Afro-Amerikaner gelitten, deren Stimmen er mit diesem Manöver zurückgewinnen wolle. Der US-Präsident „spiele mit dem Feuer“. Kritik an seinen Äußerungen ließ ihn unbeeindruckt. Land ließ verlauten, dass er sich nicht dem „falschen Gott political correctness“ beuge. (Quelle 1) (Quelle 2)

Alveda King, die Nichte des großen Bürgerrechtlers Martin Luther King, nutzte den Fall um Schwangerschaftsabbrüche zu thematisieren. Der Mord an Trayvon Martin sei eine „späte Abtreibung“. Schon Mutter Teresa hatte gesagt, dass Abtreibung dazu führe, dass Mord als etwas Normales angesehen werde. Sandy Rios von der American Family Association verurteilte Rassismus gegenüber Schwarzen, wies aber darauf hin, dass es immer häufiger auch einen Rassismus gegen Weiße gäbe. (Quelle 1) (Quelle 2)
 

Auch in diesem Monat rissen die endlosen Diktatorvergleiche gegen den US-Präsidenten nicht ab. Die Anti-Feministin Phyllis Schlafly warf Barack Obama vor, sich im Krieg mit allen Gläubigen in den USA zu befinden. Wenn ihm die Wiederwahl gelänge würde er konfessionelle Krankenhäuser dazu zwingen, für Abtreibung, Verhütung und Sterilisation zu zahlen. Auch der katholische Bischof Daniel Jenky holte verbal aus. Obama stehe mit seiner Haltung zu Abtreibung und Säkularisierung in einer Reihe mit Diktatoren wie Hitler und Stalin. (Quelle 1) (Quelle 2)

Angesichts solch harter Rhetorik verwundert es nicht, was im US-Bundesstaat Indiana geschah: Eine Lehrerin an einer katholischen Schule wurde entlassen, weil sie sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen hatte. (Quelle)
 

Cindy Jacobs attackierte zum wiederholten Male Obamas Gesundheitsreform. Um medizinische Leistungen zu erhalten, sei es in Zukunft erforderlich sich einen RFID-Chip unter die Haut implantieren zu lassen. Pastor David Barton erklärte in seiner Sendung „Wallbilders“, dass AIDS nicht zu behandeln sei, da es eine göttliche Strafe darstelle. Die Bibel prophezeie Schwulen eine Strafe. Daher mutiere der HI-Virus auf wundersame Weise, immer kurz bevor die Wissenschaft einen Impfstoff entwickele, damit die Homosexuellen die Konsequenzen ihres Handels tragen. (Quelle 1) (Quelle 2)
 

Dass mit Mitt Romney nun ein Mormone ins Weiße Haus einziehen soll, sorgt unter den Evangelikalen für viel Unmut. Bill Keller warnte, dass das Mormomentum eine satanische Religion sei und ein Präsident Romney mindestens eine Million Seelen in die Hölle führen würde. Auch Bryan Fischer warnte vor den falschen mormonischen Göttern und behauptete, dass Romney die USA schwächen würde. (Quelle 1) (Quelle 2)

Santorums Ausscheiden aus dem Rennen wurde mit Bedauern betrachtet, gleichzeitig waren die wichtigsten Evangelikalen voll des Lobs für den konservativen Politiker. Nach und nach waren mehrere von ihnen aber doch bereit, sich auf Romney einzulassen. Allerdings stellten Vertreter der Christlichen Rechten wie Tony Perkins, Ralph Reed und und Gary Bauer klar, dass er sich ein Vorbild an Santorum nehmen solle. (Quelle 1) (Quelle 2) (Quelle 3)

Letztlich muss sich die Christliche Rechte aber mit den Gegebenheiten anfreunden, wenn sie Obama im November aus dem Weißen Haus befördern will. Zwei Wochen nachdem Bryan Fischer noch gegen Romney gepoltert hatte, besann er sich und schlug versöhnlichere Töne an. Er werde ihn im Wahlkampf unterstützten, „Wenn du mir endlich zuhörst!“. Er schlug Romney vor, sich deutlich gegen Homorechte zu stellen, wenn er neuer Präsident der Vereinigten Staaten werden wolle. (Quelle)
 

Am 15. April jährte sich der Untergang der Titanic zum 100. Mal. Die Christliche Rechte nahm auch dies zum Anlass, ihre gesellschaftspolitischen Vorstellungen zu betonen. Ein Video der Truth in Action Ministries warnte vor der homosexuellen Agenda, die eine ähnliche Bedrohung wie ein Eisberg darstelle. Verschiedene evangelikale Vertreter warnten, dass die USA bereits aufgelaufen seien und nun zu sinken begännen. Außerdem widerspreche die Schiffskatastrophe der Evolutionstheorie, denn auf der Titanic habe nicht das „survival of the fittest“ gegolten, sondern die Stärkeren hätten sich zugunsten der Schwächeren geopfert. Diese Sichtweise kann kaum erklären, warum die Passagiere der 1. Klasse häufiger überlebten als die übrigen Passagiere. Außerdem sei die heutige Gesellschaft von einem Feminismus durchdrungen. Frauen müssten auch in der amerikanischen Armee gegen den Feind kämpfen. Es sei daher heute kaum noch zu erwarten, dass bei einem Schiffsunglück Frauen und Kinder zuerst die Rettungsboote besteigen dürften. (Quelle 1) (Quelle 2)
 

Derzeit wird der Secret Service von einem Skandal erschüttert. Mehrere Agenten, die das Leben des US-Präsidenten und anderer ranghoher Politiker schützen sollen, hatten in einem Hotel in Kolumbien die Dienste von Prostituierten in Anspruch genommen. Mittlerweile wurden einige Angehörige des Secret Service suspendiert. In einer Sendung der American Family Association überboten sich Tony Perkins und General Jerry Boykin mit Schuldzuweisungen. Für Perkins steht fest, dass die Zulassung von Schwulen im Militärdienst zum allgemeinen Sittenverfall geführt habe. Boykin hingegen glaubt, dass Agenten des Secret Service von der Affäre Bill Clintons mit Monica Lewinsky erfahren hatten und dies zu einem lockereren Umgang mit dem Thema Sexualität geführt habe. (Quelle)
 

Wo bitte muss ich unterschreiben? - Schon in der Vergangenheit hatten Vertreter der Christlichen Rechten ein Bündnis zwischen Islam und Atheismus ausgemacht. Pastor John Hagee ging in dieser Woche so weit zu behaupten, dass Saudi-Arabien mit Petrodollars säkulare Universitäten unterstütze. Liberale Professoren würden antiisraelische Stimmung schüren und auf eine Trennung von Kirche und Staat hinarbeiten. (Quelle)
 

Bischof Harry Jackson befasste sich mit der jüngst verstorbenen Soul-Legende Whitney Houston. Er verglich ihren Tod mit dem Samsons aus der Bibel. Dieser war von den Philistern zwischen zwei Säulen in deren Tempel angekettet worden. Er erbat von Gott Kraft, um beide Säulen zu sich heranzuziehen und alle Personen im Tempel, einschließlich seiner selbst, zu töten. Auch Whitney Houstons Tod könne dem „Königreich der Dunkelheit“ schaden. (Quelle)
 

Am 21. April verstarb Charles „Chuck“ Colson im Alter von 80 Jahren an einer Gehirnblutung. Er war einer der engsten Berater Präsident Nixons und tief in die Watergate-Affäre verstrickt. Nach den Enthüllungen der Washington Post, musste er zurücktreten und wurde wegen Behinderung der Justiz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Hinter Gittern bekannte er sich zum evangelikalen Christentum, was zuerst belächelt wurde, denn derartige Konversionen von Gefangenen sind in den USA ebenso regelmäßig wie kurzlebig. Umso größer war das Erstaunen, als Colson auch nach seiner Entlassung prinzipienfest blieb.

Als ehemaliger Berater Nixons war er bestens mit dem Politikbetrieb Washingtons vernetzt und wurde zum wichtigen Bindeglied zwischen republikanischer Partei und der Christlichen Rechten. Er vertrat öffentlich konservative Positionen. Beispielsweise gehörte er zu den Unterzeichnern des „Land Letter“, einer Stellungnahme wichtiger evangelikaler Christen, die Bushs Irakfeldzug als „gerechten Krieg“ rechtfertigten.

Durch seine Erfahrungen im Gefängnis geprägt, gründete er die Prison Fellowship Ministries, die Häftlingen den Glauben an Gott nahebringen sollte. Die Organisation verstand sich aber nie nur als missionarische Gruppe, sondern immer auch als helfende Hand. Sie gab an, viele tausende Gefangene durch christliche Umerziehung rehabilitiert zu haben. Die Absolventen eines Programms der Prison Fellowship Ministry seien angeblich weit seltener rückfällig geworden, als der Durchschnitt der amerikanischen Gefangenen. Doch diese Behauptung wird durch einen Blick in die Statistik entlarvt. Als Absolventen des Besserungsprogramms galten nur Gefangene, die nach ihrer Entlassung einen Arbeitsplatz erhielten. Dass dieses Segment der Sträflinge deutlich seltener rückfällig wird, dürfte auf der Hand liegen. (Quelle)
 

Redaktion und Übersetzung: Lukas Mihr