Katholikentag: Alternativprogramm

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Werbung für den Katholikentag auf den Straßen Mannheims / Foto: gbs-regionalgruppe

MANNHEIM. (hpd) „Einen neuen Aufbruch wagen“, so heißt das Motto des 98. deutschen Katholikentages. Das wird vielleicht tatsächlich so sein, obwohl vermutlich mit einem inhaltlich anders gepackten Rucksack und in eine andere Richtung, als es der Vatikan vorgegeben hat.

Die beiden obersten Funktionäre des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück und Stefan Vesper, der Präsident bzw. der Generalsekretär des ZdK, trafen Ende April in Rom mit hohen Vertretern der Kurie im Vatikan zusammen und beteuerten: „Kein Aufruf zum Ungehorsam beim Katholikentag“.

Auf den Katholikentagen gab es auch während der vergangenen Veranstaltungen immer wieder kontroverse Themen, insbesondere Fragen der Ökumene und der Interkommunion von Katholiken und Protestanten, bei der die katholische Leistungsebene auch schon mit Suspendierung von ‚ungehorsamen‘ Priestern reagierte.

Doch dieses Jahr haben die Gegensätze innerhalb der katholischen Kirche an Schärfe gewonnen, was sich nicht nur darin zeigt, dass kritische Katholiken ein „Alternativprogramm zum Katholikentag 2012“ größtenteils außerhalb des Katholikentages organisiert haben.

Die Redaktion von publik forum hat es zusammen mit der Leserinitiative Publik e. V., Wir sind Kirche e. V. und der Initiative Kirche von unten zusammengestellt.

„In diesem Alternativprogramm,“ so heißt es in der Ankündigung dieser kritischen Katholiken zum Programm, „das überwiegend im Ökumenischen Zentrum Johanniskirche stattfindet, werden die großen ethischen, sozialen und kirchenpolitischen Herausforderungen dieser Zeit diskutiert, auch ohne Vorgaben der Kirchenleitung. Mit Dr. Eugen Drewermann, Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ, Pfr. Helmut Schüller, Christa Nickels, Peter Hertel, Prof. Dr. Hermann Häring, Christian Felber, Dr. Lamya Kaddor, Dr. David Berger, P. Klaus Mertes SJ, Sven Giegold MdEP, Grupo Sal, Britta Baas, Dr. Wolfgang Kessler, Dr. Thomas Seiterich, Barbara Tambour und weiteren. Zu diesen Veranstaltungen laden wir alle herzlich ein.“

"Ohne Vorgaben der Kirchenleitung"

Diese Position, „auch ohne Vorgaben der Kirchenleitung“, wird am deutlichsten von Pfarrer Helmut Schüller aus Wien verkörpert. An alle anderen ehrenwerten Streiter für den rechten Glauben hat man sich schon gewöhnt, wie Eugen Drewermann („Wege zur Menschlichkeit“), David Berger und Peter Hertel („Kreuzzug gegen die Moderne. Der Rechtsfundamentalismus in der katholischen Kirche“) u.a.m., die seit Jahren schon ihre Stimme erheben und dennoch an der hohen Mauer der römischen Kurie abprallen. So engagiert deren Positionen sind, es hat die katholische Kirche bisher nicht so richtig interessiert und hat eher die Funktion auf dem großen römischen Marktplatz diverser Anschauungen eine kleine Nische innerhalb der Kirche für die kritischen intellektuellen Katholiken in Deutschland zu bilden. Insofern stabilisieren sie die Macht der katholischen Kirche.

Pfarrer Helmut Schüller aus Wien ist derjenige, gegen dessen offenen Ungehorsam sich die Funktionäre des deutschen ZdK eilfertig im Vatikan abgrenzten, hatte doch der Papst in seiner Ansprache am Gründonnerstag die österreichische Pfarrerinitiative als Ungehorsam abgekanzelt. Was andererseits bedeutet, dass diese Initiative mit ihrem „Aufruf zum Ungehorsam“ in der Kurie ernst genommen wird.

„ ‚Helmut Schüller tritt nicht beim Deutschen Katholikentag in Mannheim nächste Woche auf‘ – diese Meldung sorgte gestern für Aufsehen. Dabei war der Sprecher der österreichischen Pfarrer-Initiative ohnehin nie eingeladen“, so der ORF gestern am Mittwoch. Natürlich wird Schüller nach Mannheim reisen und dort im Rahmen des Alternativprogramms am Samstag, 19. Mai, zum Thema „Kirchenreform für Anfänger. Strategien zwischen Dialog und Widerstand“ sprechen.

Vom katholischen Donaukurier wurde schon eine Mischung zwischen Piratenpartei und Meuterei als Schlagzeile gesetzt: „Österreichische Priester-Rebellen entern Katholikentag“. Damit wird die Ernsthaftigkeit der Situation in Österreich aber verkannt.

Die Pfarrerinitiative in Österreich sieht die Zeit der Bittbriefe und Resolution als Vergangenheit an und fordert das Ende des Respekts vor dem Vatikan. Wenn sich in der Kurie nichts bewege, müssen man als Priester selber neue Antworten auf die Fragen der Zeit suchen.

Helmut Schüller, am 24. Dezember 1952 geboren, war Präsident der Caritas in Österreich, wurde 1995 von dem neuen Erzbischof Schönborn zum Generalvikar der Erzdiözese Wien berufen und 1999 wegen „tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten“ auf bemerkenswerte Weise entlassen. Der Kardinal deponierte erst nachts das Kündigungsschreiben vor der Tür des Generalvikars, bevor er das persönliche Gespräch suchte. Ein Vorgang, der hohe Wellen schlug.

Am 23. Januar, genau einen Monat vor seiner Entlassung, hatte Schüller die Bischöfe Krenn und Laun in der Abtreibungsfrage kritisiert. „Die Fristenlösung ist zu akzeptieren. Das gebieten die Spielregeln der Demokratie.“ Er forderte - etwas Neues - die Abberufung Krenns, der dann später wegen verharmloster Vorgänge im Priesterseminar von St. Pölten tatsächlich abberufen wurde.

Schüller hat ein hohes, untadeliges Ansehen innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche in Österreich und das macht ihn so stark, wenn er fordert, dass die katholische Kirche sich den Fragen des Zölibats, der Zulassung Geschiedener zum Abendmahl, etc. stellen müsse.

Es wäre völlig verkehrt, Schüller nun als Feind der Kirche zu betrachten, er ist überzeugter Katholik, arbeitet weiterhin als Seelsorger nahe Wien und in der Universitätsseelsorge. Aber gerade dort zeigt sich einer der Widersprüche zwischen den Traditionalisten, den Papst-Getreuen und den Reformern, denn das Vorbild für die katholischen Studenten im laufenden Semester ist der rechtskonservative, um nicht zu sagen reaktionäre Gründer des Opus Dei, Josemaría Escrivá (1902-1975).

Der Eindruck, dass sowohl Joannes Paul II. wie auch Benedikt XVI., dem Opus Dei nahe stehen, der jetzige Papst wohl auch aufgrund des Einflusses der Personalprälatur des Opus Dei gewählt wurde, zeigt sich in Österreich offensichtlicher als in Deutschland.

Während in Deutschland der „heilige Narr vom Rhein", Joachim Kardinal Meisner, zu den Gefolgsleuten des Papstes gezählt wird, ist der Sprecher der Österreichischen Bischofskonferenz, der Erzbischof von Wien, Christoph Kardinal Schönborn, ehemaliger  Student von Ratzinger und gehört zum Freundeskreis der Schüler des Papstes, der sich einmal im Jahr im Castel Gandolfo trifft. Der Nachfolger des abberufenen Bischofs von St. Pölten, Klaus Küng, ist seit 1961 Mitglied des Opus Dei und hatte von 1976 bis 1989 das Amt des Regionalvikars des Opus Dei in Österreich inne.

Das alles und weiteres, wie der Rücktritt des Erzbischofs von Wien, Hans Hermann Kardinal Gröer, ein Priester, der „zu sehr die Knaben liebte“, und ebenso Fehlbesetzungen der Kurie in Österreich, die zu massiven Protesten der Katholiken führte, haben in Österreich eine Situation entstehen lassen, die für Deutschland bisher so nicht vorstellbar ist.

Als ich einmal einen österreichischen Kollegen fragte: „Warum wirft der Schönborn den Schüller nicht einfach hinaus?“, antwortete er: „Das wagt der Schönborn nicht. Das Ansehen Schüllers ist so hoch, dass ein Hinauswurf ein Schisma nach sich ziehen würde.“ 

Schisma heißt: Kirchenspaltung. Und davor hat der Vatikan anscheinend Angst. Es  ist die Furcht, dass die katholischen Basisinitiativen sich länderübergreifend in Europa verbinden und verbünden könnten. Küng und Drewermann konnte die katholische Kirche in Deutschland recht erfolgreich ins kirchenpolitische Abseits drängen, bei Schüller geht das nicht.

Carsten Frerk