Willkommen im Mittelalter

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Stand des BkÄ / Foto: Pascale Müller

MANNHEIM. (hpd) Der Bund katholischer Ärzte propagierte auf dem Katholikentag Heilung von der „Krankheit Homosexualität“. Diese homophoben und menschenrechtswidrigen Äußerungen schienen im allgemeinen beseelten Spektakel jedoch kaum jemanden zu kümmern. Ein Bericht über eine Facette des Katholikentags.

Der Stand des Bundes katholischer Ärzte (BkÄ) hat seinen Platz an prominenter Stelle, unmittelbar neben dem Wasserturm, mitten in der Stadt und im Getümmel des Katholikentags. Wer hier einen Moment stehen bleibt, wird vom Gründer und aktuellen Leiter Dr. med. Gero Winkelmann gerne aufgeklärt über „Homosexualität als Krankheit“.

Im ersten Moment glaubt man, sich verhört zu haben, doch der weißhaarige Mediziner aus München ist gerne bereit noch einmal zu wiederholen, was als eines der großen Themen der BkÄ auch auf deren Internetseite beworben wird: Homosexualität als „behandelbare Erkrankung“ der man zu Leibe rücken muss. Immer wieder erzählt er von Fällen psychischer Zusammenbrüche an seinem Stand, von Menschen die mit ihrer Homosexualität nicht umgehen können und einen „Ausweg“ suchen. Auf die Idee, dass diese Personen nur deshalb unter solch psychischer Anspannung leiden, weil die Kirche (und natürlich auch weite Teile der Gesellschaft) sie als 'krank', 'anders', 'nicht richtig' kategorisieren, kommt Herr Winkelmann natürlich nicht.

Merkwürdigerweise scheinen diese offen homophoben und diskriminierenden Theorien niemanden hier ernsthaft in Bedenken zu stürzen. Wären da nicht die Vertreter und Vertreterinnen des CSD (Christopher Street Day) und der LSBT (Abkürzung für Lesbisch, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle) Community Mannheim, die sich zu einigen Dutzend vor dem Stand eingefunden haben, es hätte wohl keine Aufregung gegeben.

„Wundersame Heilung hier am Stand! Heute noch schwul, morgen schon geheilt!“ rufen einige der Leute vor dem Stand und schwenken Regenbogenfahnen. Unterdessen ist die Diskussion mit Herrn Winkelmann im vollen Gange. Die Sätze, die seinerseits hierbei fallen, muten so unglaublich an, dass man sich in eine Zeit jenseits der Aufklärung zurückversetzt fühlt. Von „sexuellem Fehlverhalten“ wird hier gesprochen, vom Geschlechtsverkehr, als einzig legitim zwischen Ehepartner und Ehepartnerin zum Zweck der Fortpflanzung. Dass es in der katholischen Kirche solcherlei heteronormative, homophobe und sexistische Denkweisen gibt, ist keine neue Sache. Dass aber auf einer von der Stadt mitfinanzierten Veranstaltung Homosexuelle in so deutlicher Art und Weise diskriminiert werden, ist skandalös.

Wüsste man es nicht besser, könnte man das, was man hier so zu hören bekommt, für böseste Satire halten. Auf die rechtliche Grundlage der WHO hingewiesen, die Homosexualität seit 1992 nicht mehr als Krankheit führt, hat Herr Winkelmann nur einzuwenden, die WHO sei „schon längst überholt“. Mit Verweisen auf nicht näher benannte Studien, die seine Perspektive angeblich stützen, offenbart er, wie menschenfeindlich es anscheinend in einigen Teilen der katholischen Kirche zugeht. Als er dann beginnt, von sich und der BKÄ als „einzelnem Feuerwehrmann im Kampf gegen den Waldbrand“ zu sprechen, bekommt man vollends den Eindruck, dass hier keine rationale Diskussion mehr möglich ist.

Im Umfeld des Standes hat sich mittlerweile eine Menschentraube gebildet. Zum größten Teil Menschen die protestieren, aber auch einige Besucher des Katholikentages die stehen bleiben und zuhören. Unter ihnen ist auch Peter, ein Mann schätzungsweise Anfang fünfzig, mit Brille und dem roten Umhänger auf dem steht: „Einen Aufbruch wagen“. Er hat diese „Therapien“ mitgemacht die Winkelmann einige Meter weiter verteidigt. Dreißig Jahre lang hat er, wie er selbst sagt „versucht als guter Christ“ zu leben, trotz seiner Homosexualität. Dreißig Jahre lang hat er mit Seelsorge, Verhaltenstherapie und Gebet verbracht, um die vermeintlich „krankhafte homosexuelle Neigung“ zu bekämpfen. Warum er sich darauf eingelassen hat? „Weil man das so verinnerlicht hatte. Das Homosexualität eine Sünde ist.“. Mittlerweile lebt Peter in einer „Freundschaft“ wie er sie bezeichnet und ist glücklich. Nur „viel Lebensenergie und Kraft sei ihm verloren gegangen. Es braucht keinen Fall wie den von Peter, um zu verstehen worum es geht. Er zeigt aber, wie präsent die Kirche in Sozialisation und Identitätsbildung nach wie vor ist und wie fatal es sich auswirkt, wenn man ihren Kategorien nicht entspricht.

Wer nach einem Besuch an diesem Stand dann noch nicht genug Wut im Bauch hat von kruden Theorien, kann zum gelungenen Abgang noch einen Blick auf die Homepage des BkÄ werfen. Hier lernt man: „Es geht hier nicht um Outing, Intoleranz oder gar "Diskriminierung" oder "Stigmatisierung" von homosexuell orientierten Menschen, wie uns vorgeworfen wird.“. Vielmehr wolle man sich, quasi aus purer christlicher Nächstenliebe Homosexuellen, welche sich in einer „geistig-psychischen Notsituation“ befinden eine Möglichkeit geben ihr „Leiden“ zu behandeln. Hierzu werden verschiedene Formen der „Therapie“ favorisiert. Seelsorge, Psychotherapie, Entgiftungs- und Konstitutionstherapie (!), sowie Homöopathie, von deren „vielversprechender Wirkung“ man auch schon durch Herrn Winkelmann am Stand erfahren durfte.

Dieser schlägt den Diskutantinnen und Diskutanten dann auch vor: „Was ist wenn Sie einfach die Augen und Ohren zuklappen?“ Doch diesen Gefallen wird man ihm hoffentlich nicht tun. Es bleibt die Frage danach, warum sich die Gruppe „Homosexuelle und Kirche“ nicht an diesem Stand einfindet, warum die Stadt hier homophobe und sexistische Hetze toleriert und warum es wieder nur eine Minderheit zu interessieren scheint, was hier passiert. Erst nach einer Sitzblockade der CSD-Gruppe findet der Protest Gehör. Die Organisatoren des Katholikentags versichern, dass der BkÄ auf dem nächsten Katholikentag nicht mehr anwesend sein wird. Eine schwache Stellungnahme.

Bezeichnend ist auch, dass die lokale Presse sich lieber in Artikeln über die „bunte Vielfalt“ des Katholikentags“ ergeht, als kritische Beiträge zu drucken. Man fragt sich, was es noch braucht, um diesem Thema außerhalb der Kreise unmittelbar Betroffener die Aufmerksamkeit beizumessen die es verdient. Jeder Besucher und jede Besucherin des Kirchentages, jeder Bewohner und jede Bewohnerin Mannheims sollte sich fragen, ob sie damit leben können, dass solchen Gruppen wie der BkÄ eine Plattform geboten wird, ihre menschenfeindlichen Ansichten weiter zu verbreiten.

Pascale Müller