Dröges dreiste Desinformation

Dröges „Faustregel“

Aber im Interview mit den Potsdamer Neuesten Nachrichten argumentierte Bischof Dröge ja nicht nur mit dem „Kulturbeitrag“. Er behauptete auch: [E]s gilt die Faustregel: Wenn wir Aufgaben übernehmen, zu denen der Staat verpflichtet ist, spart die öffentliche Hand 20 Prozent.

Leider hat Bischof Dröge bisher nicht auf Anfragen reagiert, zu erläutern, wie er auf seine Zahlen kommt. Was er meint, ist offenbar Folgendes:

Wenn die Kirchen öffentliche Aufgaben übernehmen wie bei Kindergärten, Krankenhäusern oder Altersheimen, dann spart der Staat in dem Maße, wie die Kirchen diese Einrichtungen aus ihren eigenen Mitteln – also der Kirchensteuer – finanzieren.

Nur: Bei Krankenhäusern und Altersheimen gibt es überhaupt keinen kirchlichen „Eigenanteil“, weil diese Einrichtungen komplett durch die öffentliche Hand, Nutzungsentgelte usw. finanziert werden.

Die Hauptersparnis für den Staat dürfte sich bei den Kindertagesstätten ergeben. Dort liegt der kirchliche Eigenanteil allerdings nur bei durchschnittlich 12 Prozent. (Und davon stammen nur 11 Prozent aus Kirchensteuern, der Rest aus Spenden usw.) Wenn aber schon bei den „Vorzeigeeinrichtungen“ der Kirchen, den Kitas, der durchschnittliche Eigenanteil der Kirchen nur bei 12 Prozent liegt – wie will Dröge dann jemals auf seine 20 Prozent kommen?

Vermutlich stützt sich Bischof Dröge auch hier auf eine Quelle, deren Zahlen so absurd sind, dass er das eigentlich auf den ersten Blick erkennen könnte. Möglicherweise handelt es sich um einen Artikel auf evangelisch.de aus dem Jahr 2010 vom Finanzleiter der EKD, Oberkirchenrat Thomas Begrich, in dem dieser sich kritisch zu Carsten Frerks „Violettbuch Kirchenfinanzen“ äußert. Es gehöre zu einer Demokratie, schrieb Begrich, andere Meinungen anzuhören, „auch wenn sie mit der Wahrheit recht kreativ umgehen.“ Hören wir uns also an, was er zu sagen hat:

Für kirchliche Kindergärten errechnet Frerk einen Beitrag von 3,8 Milliarden Euro an Staatsgeldern. Die evangelische Kirche geht für ihren Bereich übrigens nur von einem knappen Drittel aus, aber wichtiger ist das Prinzip: Die Kirchen erhalten diese Mittel doch nicht, weil sie Kirchen sind, sondern weil sie für die Gesellschaft eine Dienstleistung erbringen, zu der sie obendrein von ihren eigenen Mitteln noch knapp 20 Prozent beisteuern. Das ist recht und billig, sie wollen es ja auch. Täten sie es nicht, müsste es der Staat selbst tun und dann wäre es für ihn viel teurer, weil ja die kirchlichen Eigenanteile wegfielen.

Begrichs Halbsatz, dass die Kirchen „für die Gesellschaft eine Dienstleistung erbringen, zu der sie obendrein von ihren eigenen Mitteln noch knapp 20 Prozent beisteuern“, ließe sich, wenn man überhaupt keine Ahnung hat, unter Umständen im Sinne von Dröges „Faustformel“ verstehen.

Dem ist allerdings zweierlei entgegenzuhalten: Erstens bezieht sich Begrich hier nur auf Kindergärten und nicht allgemein auf Bereiche, wo die Kirchen staatliche Aufgaben übernehmen. Zweitens ist die Aussage in Begrichs Artikel schlichtweg falsch. Darauf angesprochen, dass er mir selbst einmal mitgeteilt hatte, dass der kirchliche Eigenanteil an den Kindertagesstätten durchschnittlich 12 Prozent betrage und nicht 20, schrieb er mir freundlicherweise zurück:

Sehr geehrter Herr Krause, danke für den Hinweis. Die richtige Bezeichnung dieses Satzteiles muß lauten: je nach Bundesland noch knapp 20%, durchschnittlich 12%.

(Es ist allerdings nicht so, dass dies zwischenzeitlich in seinem Artikel korrigiert worden wäre.)

Das heißt also: Selbst für die Kindergärten gilt allenfalls die „Faustregel“, dass die öffentliche Hand dadurch 12% spart – aber nicht 20! Und wenn man alle anderen Bereiche dazu nimmt, in denen die Kirchen öffentliche Aufgaben wahrnehmen, sinkt dieser Anteil noch dramatisch.

2 Prozent „Ersparnis“, nicht 20

Carsten Frerk hat in seiner Studie „Caritas und Diakonie in Deutschland“ ausgerechnet, dass der kirchliche Eigenanteil in diesen Bereichen (Kindertageseinrichtungen, Krankenhäuser, Altenheime, Rettungsdienst, Beratung usw.) kümmerliche 1,8 Prozent beträgt. Bischof Dröge müsste also korrekterweise wohl eher sagen: [E]s gilt die Faustregel: Wenn wir Aufgaben übernehmen, zu denen der Staat verpflichtet ist, spart die öffentliche Hand 2 Prozent.

Oder anders ausgedrückt: Von den Kindergärten abgesehen, ist die „Ersparnis“ des Staates durch die Kirchen – verschwindend gering!

Noch einmal: Es geht hier nicht darum, das kirchliche Engagement z.B. bei den Kindergärten zu bewerten, sondern nur darum, zu zeigen, dass Bischof Dröges „Faustregel“ völlig absurd ist – so absurd, dass jeder Sachkundige dies sofort hätte merken müssen.

Reue? Buße? Fehlanzeige!

Respekt vor Oberkirchenrat Begrich, der den Fehler in seinem Artikel nicht nur einräumte, sondern sich auch noch für den Hinweis bedankte!

Bischof Markus Dröge hat auf vier Anfragen zu diesem Thema bisher nicht reagiert. Wenn aber der EKD-Finanzleiter einen Fehler einräumen kann, dann stünde das einem Landesbischof eigentlich auch gut an.