Die Mörder der NSU - Zelle

(hpd) Die beiden Journalisten Christian Fuchs und John Goetz legen das erste Buch zu den Serienmorden des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ vor. Sie schildern dabei mehr im Sinne einer Reportage die jeweiligen Ereignisse, ohne aber damit eine eigene Analyse zu verbinden.

Die seit dem 4. November 2011 bekannte Existenz einer neonazistischen Kleingruppe, die mindestens zehn Menschen innerhalb von acht Jahren unentdeckt ermorden konnte, hat die Öffentlichkeit wie die Sicherheitsbehörden schockiert. Wie konnte aber aus drei Mittelschichtenkindern eine terroristische Zelle werden? Welche biographischen und gesellschaftlichen Besonderheiten erklären diese Entwicklung als Bedingungsfaktoren?

Diesen Fragen wollen sich die beiden Journalisten Christian Fuchs und John Goetz in ihrem Buch „Die Zelle. Rechter Terror in Deutschland“ stellen. Es geht zurück auf Recherchen, die für das ARD-Magazin „Panorama“ als Beiträge für Berichte entstanden. Darüber hinaus werteten die beiden Autoren zahlreiche Ermittlungsakten der Polizei aus. Außerdem konnten sie lange Hintergrundgespräche mit den Eltern der beiden männlichen Angehörigen der Zelle führen. Herausgekommen ist dabei ein faktenreiches Buch aus journalistischer Perspektive, das inhaltlich eng an den rekonstruierbaren Handlungen der Täter orientiert ist.

Als Einstieg wählen Fuchs und Goetz jene Phase in der Entwicklung der Ereignisse, wo Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe nach einer Razzia in ihrer Bombenwerkstatt den Weg in den Untergrund gehen. Ein LKA-Beamter soll damals schon die Gefahr einer „Braunen Armee Fraktion“ beschworen haben. Danach geht es ausführlich um den persönlichen und politischen Lebensweg der drei Rechtsextremisten. Hierbei wird deutlich, dass die fremdenfeindliche Zschäpe wohl selbst eine Halb-Rumänin ist. Böhnhardt und Mundlos fielen schon früh auch durch unpolitische Gewalthandlungen auf. In einem langsamen, aber stetigen Entwicklungsprozess wurde aus den drei jungen Menschen eine Gruppe fanatischer Neonazis: „Das Trio verachtete Skinheads bei denen das Interesse an Alkohol die politische Motivation überragt“ (S. 94). Erste Aktionen richteten sich noch nicht gegen Menschen mit Migrationshintergrund, sondern gegen Einrichtungen wie KZ-Gedenkstätten. Mundlos verehrte Rudolf Heß, den „Stellvertreter des Führers“.

Besonders große Aufmerksamkeit widmen Fuchs und Goetz dann der Phase im Untergrund, wobei nicht nur die Morde und Sprengstoffanschläge ausführlich beschrieben werden. Auch die private Seite der Serienmörder findet mit Ausführungen zum Leben in einem Haus mit Nachbarschaftskontakten oder zu den Urlauben auf Fehmarn oder Usedom Aufmerksamkeit. Eingestreut in diese Schilderungen sind immer wieder Abschnitte, die sich mit den letztendlich gescheiterten Bemühungen der Sicherheitsbehörden zur Aufklärung der Taten und zur Verhaftung der Untergetauchten beschäftigen. Und schließlich werden auch Hypothesen zur Anregung für die Taten formuliert. So heißt es etwa zu der Nagelbomben-Aktion in Köln: „Zu ihrem Anschlag wurden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vermutlich von ähnlichen Aktionen der Rechtsterroristen von ‚Combat 18’ inspiriert“ (S. 171). Das Buch endet mit den Ereignissen um den Selbstmord der beiden männlichen Angehörigen der Zelle und der Verhaftung von Zschäpe.

Wie bereits erwähnt handelt es sich um einen journalistischen Rechercheband: Die einzelnen Ausführungen werden nicht belegt, mitunter neigen die Verfasser auch zu dramatisierenden Schilderungen. Gleichwohl liegt mit ihrem Buch eine beachtenswerte und informative Darstellung zum Thema vor. Dies gilt vor allem für die Rekonstruktion der Lebenswege der drei Neonazis.

Insgesamt bleibt das Buch aber allzu sehr an der Oberfläche. Denn um eine wirkliche Analyse und Einschätzung der Ereignisse bemüht man sich nicht, sieht man einmal von einzelnen kurzen Kommentaren ab. Dafür legen die Autoren in mehreren Formulierungen einen Zusammenhang von offizieller Asylpolitik und fremdenfeindlicher Gewalt nahe (vgl. S. 54, 58, 64). An einer ausführlichen und differenzierten Begründung mangelt es dabei aber. Auch die Arbeit der Sicherheitsbehörden wird nicht näher analysiert. Im Vorwort schreibt aber Hans Leyendecker dazu: „Es fehlte nicht an gutem Willen und auch nicht an Einsatzbereitschaft – es fehlte an analytischem Vermögen und an Phantasie“ (S. 10).

Armin Pfahl-Traughber

Christian Fuchs/John Goetz, Die Zelle. Rechter Terror in Deutschland, Reinbek 2012 (Rowohlt-Verlag), 267 S., 14,95 €