POTSDAM. (hpd) Das Thema des Verhältnisses von Staat und Kirche in Deutschland wurde diese Woche auch bei der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung diskutiert, wobei gleich eingangs deutlich wurde, dass die Stiftung sich in Fragen der Laizität in Deutschland eindeutig positioniert und klar „Nein!“ sagt.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hatte am Donnerstagabend in das Kaminzimmer des respektablen Truman-Haus am See in Potsdam-Babelsberg geladen. Thema war die Frage: „Taugt das laizistische Modell für Deutschland?“
Thomas Volkmann moderierte und leitete den Abend thematisch ein. Die Friedrich-Naumann-Stiftung habe sich für die Jahre 2013 bis 2015 mehrere Schwerpunkte gesetzt. Einer davon sei das Thema „Freiheit und Religion“.
Hinsichtlich der Entwicklung der FDP nach dem Zweiten Weltkrieg legte er seinen Schwerpunkt auf das Zitieren des ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Naumann-Stiftung, den evangelischen Theologen Klaus Scholder, der mit dazu beigetragen habe, dass die FDP sich neben der christlich begründeten CDU selbstständig behaupten konnte und dennoch nicht religionsfern wurde.
Seinem Konzept „Die Freiheit der Welt und ihre Gebundenheit in Gott“ hätten jedoch nicht alle Liberalen zugestimmt, insbesondere die Jungliberalen nicht, die 1974 das Papier „Freie Kirche im freien Staat“ veröffentlichten. Aber schon auf der Einbringungsrede auf dem Parteitag habe Liselotte Funke versucht, die Wogen der aufgeregten Diskussion zu glätten, indem sie gesagt habe: „Es geht darum, jenen Raum freizuhalten, in dem die Kirchen und andere Religionsgemeinschaften ihre Aufgaben nach dem eigenen Selbstverständnis erfüllen können.“ Die Frage nach der Religion wurde dabei nicht gestellt. Es war die Frage, ob die FDP zur Partei der Intoleranz hätte werden können.
Nach dem Parteitag wäre das Thema dann weitestgehend erloschen, auch wenn die Jungliberalen 2003 noch einmal in dieser Richtung aktiv geworden seien.
Die neuere Tendenz sei die Öffnung der FDP zu den Kirchen, sei es durch Besuche des damaligen Parteivorsitzenden Westerwelle auf Kirchentagen, sei es durch die „Christen in der FDP-Bundestagsfraktion“. Man könne sich jedoch nicht gegen die Trends verschließen, dass es einerseits immer mehr Konfessionsfreie gebe und andererseits ein Anwachsen von religiösem Fanatismus und Parallelgesellschaften. Was kann die Politik tun? Ist Laizismus ein geeignetes Konzept für Liberale?
Sven Speer, fragte dann gleich eingangs in seinem Referat: Haben wir ein Problem? Antwort: Ja. Ist Laizismus die Lösung? Antwort: Nein.
Damit war die Linie, dass das „Kirchenpapier“ von 1974 eher eine Art Betriebsunfall gewesen sei, klar weiter gezeichnet.
Es sei zwar richtig, dass die Religionspolitik die beiden Großkirchen bevorzuge, inklusive Caritas und Diakonie, den Staatleistungen und dem staatlichen Inkasso der Kirchensteuer, aber der Staat sei diese Verpflichtungen vertraglich eingegangen. Da diese Regelungen sowohl an Mitgliederzahlen wie an hierarchische Strukturen gebunden seien, würden die kleineren Religions-und Weltanschauungsgemeinschaften und die Nichtorganisierten benachteiligt.
Aber gibt es denn überhaupt eine strikte Trennung von Staat und Religion? Nein, so Speer, es sei nur ein Ideal, das es so in der Praxis nirgendwo gebe. Auch in Frankreich, das als Vorbild dargestellt werde, finanziere der Staat die katholischen Schulen, sei für die Erhaltung aller vor 1905 gebaute Kirchen zuständig und würde auch in anderen Fragen die Kirche unterstützen. Zudem gebe es die Sondersituation in Alsace-Mosel, in dem es Regelungen gebe, die der deutschen Situation ähnlich seien. Insgesamt ließe sich jedoch feststellen, dass Frankreich seine Verpflichtungen stets eingehalten habe.
In Frankreich und Deutschland, so Speer, läge das Problem in der Ungleichbehandlung, in Deutschland der Nicht-Religiösen. Seine Vorstellung ist die einer „Offenen Religionspolitik“. Das bedeute die Anerkennung religiöser Vielfalt (zum Beispiel keine Einheitsschulen), keine Benachteiligung abweichender Auffassungen – egal ob sie einem gefallen oder nicht –, keine Staatsleistungen in der bisherigen Form. Grundsatz dabei sei: Der Staat habe sich nicht abzugrenzen, sondern solle sich der Vielfalt öffnen.
Prof. Yves Bizeul, studierter Politologe, Jurist und Theologe, Lehrstuhlinhaber an der Universität Rostock, nahm den Faden von Sven Speer auf und spann ihn weiter.
Das französische Modell tauge nicht für Deutschland, da es eine andere Geschichte habe, einer anderen Tradition und Kultur entstamme. In Frankreich gebe es eine Dominanz der katholischen Kirche und die Revolution wurde gegen diese Dominanz geführt, mit der Absicht eine zivile Staatsreligion zu etablieren. Nach dem Ende der Revolution war es das Bestreben Napoleons, die Religion zu kontrollieren. 1905 wird dann die zweite Schwelle der Säkularisierung überschritten die Trennung von Staat und Kirche, Religion sollte irrelevant werden. Es gab Versuche, eine nicht christlich begründete Moral zu etablieren.
Das Ziel war: Religion gehört in die Privatsphäre. Aber es gab drei Fraktionen bei den Laizisten, die Anti-Klerikalen/Anti-Religiösen, diejenigen, die einen Mittelweg nach Nützlichkeit der Religion sahen und drittens die mit der Kirche einen Konsens suchenden Republikaner.
Ab 1905 sollte entsprechend die Religion aus dem öffentlichen Raum verschwunden sein. Doch was, so fragte Bizeul, ist „öffentlicher Raum“? In den heftigen Diskussionen um das Tragen von Kopftüchern in Schulen wurde man 2004 im Namen der Toleranz intolerant, indem ein allgemeines Kopftuchverbot an Schulen verfügt wurde. Eine Entwicklung, die weiterging, indem es 2011 ein öffentliches Burkaverbot in ganz Frankreich gab.
Die Definition des „öffentlichen Raums“ sei, so Bizeul, zu breit geworden. Da die Katholiken integriert und angepasst sind, sei die Laizität mittlerweile eine Waffe gegen den Islam geworden. Der Islam habe eine klare politische Dimension in der Abwertung der Grundrechte, insbesondere der Frauenrechte. Ist der Islam aber integrierbar? Lässt sich die Entwicklung in der katholischen Kirche auf den Islam übertragen? Die Konfliktfelder wie Schwimmbadverordnungen, Halal-Fleisch und öffentliches Beten werden als Weigerung interpretiert, die Laizität zu übernehmen.
Marine Le Pen, die Vorsitzende der rechten Front National, nutze es, in dem sie sage: „Ich bin die beste Verteidigerin der Laizität!“ Es sei ein Problem, dass einige Laizisten auch diesen Weg gingen, um „die Freiheit der französischen Kultur zu schützen“.
Eine „kämpfende Laizität“, so Bizeul, gebe es staatlich in Frankreich jedoch nicht mehr. Das staatliche Ziel war es, unter der Präsidentschaft von Sarkozy, eine „anerkennende Laizität“ zu praktizieren, um Religionen zu kontrollieren. Die Neutralität des Staates stehe dabei nicht mehr im Vordergrund. Ziel sei die Integration des Islam. Das sei jedoch kein einfacher Weg, da sich beispielsweise die Universitäten geweigert haben, Imame auszubilden, die nun ihre staatsbürgerliche Unterweisung im privaten Institut Catholique in Paris erhielten. Nun habe sich die theologische Fakultät in Straßburg, die einen Sonderstatus besitze, bereit erklärt, die Ausbildung der Imame zu übernehmen.
Insgesamt, so Prof. Bizeul abschließend, haben sich allerdings in Frankreich jedoch die drei erwähnten Grundrichtungen innerhalb der Laizität erhalten.
In der Diskussion zeigte sich dann, dass es entlang der Fragen bzw. Grundsätze: „Was ist gleichberechtigte Behandlung in einer pluralistischen Gesellschaft?“, „Erst aus der Pluralität ergibt sich die Freiheit des Einzelnen“ und „Die Expansion des Staates muss begrenzt werden“ keinerlei Ideen zur praktischen Realisierung im Politikbetrieb gibt. Weder auf die Frage: „Wie soll diese Gleichbehandlung hergestellt werden? Durch Wettbewerb oder Kartellrecht?“ gab es klare Antworten seitens der Referenten, wie auf die Frage, wie man dieses Konzept gegen die beinharte Abwehr der beiden Großkirchen, irgendetwas von ihren Privilegien aufzugeben, umsetzen könne.
Angesichts der Situation, dass sich die organisierten Christen auch innerhalb der FDP und insbesondere der Bundestagsfraktion breit gemacht haben, erscheint das Konzept einer „Offenen Religionspolitik“ eher ein netter, akademisch begründeter Ansatz zu sein, der in der Praxis aber die Vormachtstellung der Großkirchen zu zementieren hilft. Wenn es Beispiele einer gewissen Öffnung am Rande der Großkirchen gibt, dann nur zu den anderen Religiösen. Die Frage nach der Berücksichtigung der Säkularen wird damit nicht einen Millimeter in Richtung einer größeren Offenheit bewegt.
Ob die FDP sich damit einen Gefallen tut oder ob Partei und Stiftung die Diskussion über das Kirchenpapier wieder aufnehmen müssten, wie es der frühere Berliner FDP-Vorsitzende Wolfgang Lüder vorschlägt, wird sich zeigen.
Carsten Frerk