Gemeinden blockieren Volksbegehren

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Einsendungen / Foto: Initiative gegen Kirchenprivilegien

WIEN. (hpd) Zahlreiche österreichische Gemeindeämter blockieren Unterschriften für das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien, vorwiegend mit der Begründung, die Frist sei bereits abgelaufen, was jedoch nicht stimmt. Mittlerweile sah sich das zuständige Innenministerium genötigt, einzugreifen.

Hallo,
wollte am Mittwoch das Volksbegehren in Wien 20 unterschreiben, dort wurde mir mitgeteilt, das wäre nicht mehr möglich, die Frist sei schon abgelaufen!?

Liebe Initiatoren,
meine Frau und ich haben gestern die Unterstützungserklärung für das Volksbegehren gegen Kirchen-Privilegien im Gemeindeamt (…) unterschrieben.
Die Damen dort haben uns aber gesagt, dass die Frist dafür bereits abgelaufen sei, und es eigentlich nichts bringt.

Dutzende solcher Mails sind beim Organisationsbüro des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien eingelangt. Zusätzlich etlicher Anrufe. „Oft haben wir sieben Beschwerden dieser Art pro Woche“, sagt Monika Zacher, Aktivistin des Volksbegehrens. Bürgerinnen und Bürger werden in ganz Österreich davon abgehalten, eine Unterstützungsunterschrift zu leisten. „Das geht quer durch: Von der kleinen Landgemeinde bis zur Großstadt“. Eine Bekannte Zachers erhielt vor 14 Tagen auf einem Wiener Magistrat die gleiche Auskunft.

Die Vorgangsweise der Gemeindeämter verstößt gegen das Volksbegehrensgesetz. Das Gesetz kennt keine Frist, bis zu der in der so genannten Einleitungsphase Unterstützungsunterschriften amtlich beglaubigt werden müssen. Es sieht einfach vor, dass Unterschriften, die vor mehr als zwei Kalenderjahren geleistet worden sind, verfallen. So weit, so einfach. Schafft das Volksbegehren, innerhalb von zwei Kalenderjahren mehr als 8.000 Unterschriften, kommt es in die zweite Phase. Das ist die so genannte Eintragungswoche – die einzige Frist, die das Gesetz zwingend vorschreibt. In dieser Zeit müssen die Gemeindeämter die Formulare aufliegen haben und öffentlich anschlagen, dass das Volksbegehren zur Unterschrift aufliegt. Schafft es das Volksbegehren in dieser Woche auf insgesamt 100.000 Unterschriften zu kommen, muss es im Nationalrat behandelt werden.

Ein klares Prozedere, wie auch Robert Stein, Leiter der Wahlbehörde im Innenministerium meint. Er hat ein Mail an alle österreichischen Gemeindeämter geschickt, in dem er sie anweist, dass sie Unterschriften für das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien nach wie vor beglaubigen müssen. Das Mail liegt dem hpd vor. Zuvor hatte ihn das Organisationsbüro über die Missstände in Kenntnis gesetzt. Seitdem habe es keine Beschwerden mehr gegeben, sagt Aktivistin Zacher.

Warum so vielen Menschen das Recht verweigert wurde, ein Volksbegehren zu unterstützen, ist für Zacher unklar. „Uns haben auch viele Gemeinden angerufen und gefragt, bis wann denn jetzt die Frist läuft. Offenbar herrscht auch dort Unklarheit.“ Manchmal stecke auch Absicht dahinter, vermutet sie. „Es gibt Gemeinden, die wir mehrfach auf die Gesetzeslage hingewiesen haben und wo es trotzdem weiter zu Beschwerden gekommen ist. Da liegt der Verdacht nahe, dass sie das Volksbegehren torpedieren wollen. Vielleicht aus inhaltlichen Gründen, weil dort die Kirche sehr stark ist.“

Ein besonderer Fall scheint die Gemeinde Innsbruck zu sein. Dort gab es drei Beschwerden – die erste schon im Vorjahr. „Erst vor drei Wochen hat ein Unterstützer bei uns angerufen und uns geschildert, dass man seine Unterschrift nicht beglaubigt hat. Der Behördenleiter hat mir bei Nachfrage gesagt, dass das sicher nicht passiert sei. Glaubt der, die Leute erfinden das?“ Grenzwertig ein weiterer Fall: Der Gemeindebeamte erklärte einem Unterstützer, Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, dürften bei dem Volksbegehren nicht unterschreiben. Ob das Dummheit war oder Absicht, lässt sich im Nachhinein schwer rekonstruieren.

Sehr wahrscheinlich ist, dass sich im Organisationsbüro ein Bruchteil der Menschen meldet, denen ihr demokratisches Recht auf Mitbestimmung verweigert wurde. „Die meisten lassen sich abwimmeln und glauben dem Gemeindebeamten schon. Bei uns melden sich nur die wirklich Engagierten“, sagt Zacher. Das ist mehr als Spekulation. Dass sich nie alle Betroffenen beschweren, kann als sozialwissenschaftliche Gesetzmäßigkeit betrachtet werden. Ebenso, dass sich der Anteil der Beschwerdeführerinnen und -führer indirekt proportional zum Aufwand verhält, der mit der Beschwerde verbunden ist.

Spekulativ bleibt, wie vielen Menschen seit Beginn des Volksbegehrens im Vorjahr das Recht auf Unterschrift verweigert wurde. „Ich bin mir sicher, wir hätten ohne diese Probleme weit mehr Unterschriften, als wir für die Eintragungswoche brauchen“, zeigt sich Zacher überzeugt. Aktuell fehlen dem Volksbegehren laut Organisationsbüro noch 479 Unterschriften.

Christoph Baumgarten