Die heilige Ethik in Österreich

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Bundesminsterin Claudia Schmied besucht Schule in Niederösterreich / Foto: SPÖ

WIEN. (hpd) Bald soll er doch kommen, der flächendeckende Ethikunterricht in Österreich. Für die Religionsgemeinschaften zu flächendeckend. Sie protestieren heftig gegen einen Vorschlag aus dem Unterrichtsministerium. Ihre Argumente muten teilweise wirr an.

Es war eine überraschende Aussage von Unterrichtsministerin Claudia Schmied. Ethikunterricht soll es in Österreich für alle geben. Nicht nur für die, die keinen konfessionellen Religionsunterricht besuchen. Ein Konzept, das in den vergangenen Monaten nicht einmal angedacht worden war. Bis Jahresende soll es einen ausformulierten Entwurf geben, kündigte sie beim Forum Alpbach an. Der verpflichtende konfessionelle Religionsunterricht soll nach Vorstellungen der Ministerin bleiben, wie er ist. Verpflichtend für alle Kinder von Eltern, die anerkannten Religionsgemeinschaften angehören – mit Abmeldemöglichkeit.

Das geht weiter, als den Proponenten des Ehikunterrichts lieb ist. Österreichs Religionsgemeinschaften drängen seit Jahren vehement auf den Unterricht – als Ersatzfach für Konfessionsfreie und Schülerinnen und Schüler, die sich vom konfessionellen Religionsunterricht abgemeldet haben. Mit Unterstützung der ÖVP, dem konservativen Juniorpartner in der Bundesregierung, versuchen sie seit gut zwei Jahren die Ministerin politisch und publizistisch unter Druck zu setzen. Unter anderem mit einer parlamentarischen Enquete im Vorjahr.

Beinahe rührendes Kostenbewusstsein bei Religionsvertretern

Dass das Ministerium das Konzept Ethik für die Heidenkinder partout nicht umsetzen will, stößt ihnen sauer auf. Es dauerte nur wenige Stunden, bis sie eine konzertierte Gegenaktion lancierten. Besonders taten sich die an sich unbedeutenden katholischen Laienorganisationen hervor. Mit an Bord die ÖVP-nahe Schülerunion. Ihr Sprecher Daniel Perschy argumentierte gegenüber Medien: „Der momentane Religionsunterricht ist schon lange kein rein konfessioneller mehr und deckt eine Vielfalt an ethischen Thematiken ab“, es sei „absolut unsinnig, ein zusätzliches, mit Kosten verbundenes Pflichtfach für alle Schüler einzuführen.“ Auch Christine Mann von der Erzdiözese Wien sah in einer ersten Reaktion eine Kostenlawine auf das Bildungsbudget zukommen. Man werde wohl an einem anderen Fach sparen müssen.

Dass sich die Vertreter der katholischen Kirche als so kostenbewusst präsentieren, hat etwas beinahe Rührendes. Der konfessionelle Religionsunterricht kostet zwischen 250 und 270 Millionen Euro im Jahr – und ist just jenes Fach, das alle Bildungs-Sparpakete der vergangenen Jahre unbeschadet überstanden hat. Worauf vor allem die Religionsgemeinschaften Wert legen.

Katholischer Religionsunterricht für alle – nur mit neuem Namen

Anton Bucher, einer der Hauptproponenten der Religionsvertreter-Version des Ethikunterrichts, treibt das überraschende Kostenbewusstsein der Kirchenvertreter auf die Spitze. Er möchte Ethik- und Religionsunterricht fusionieren. „Die naheliegende Konsequenz ist ebenso redlich, kostengünstig und pädagogisch wünschenswert: Zumindest in der Oberstufe ein Fach "Ethik und Religionskunde", verpflichtend für alle, idealiter konzipiert vom Staat in ökumenischer Kooperation mit den Religionsgemeinschaften“, schreibt er in einem Gastkommentar in der Tageszeitung „Der Standard“. Von Konfessionsfreien oder gar Ethikern ist nicht die Rede.

Die bisherige Praxis in Österreich legt auch den Verdacht nahe, dass Bucher einen verpflichtenden katholischen Religionsunterricht light meint, wenn er Ethikunterricht sagt. Die Ethiklehrer der Schulversuche an knapp 200 österreichischen Schulen sind zu mindestens zwei Dritteln katholische Religionslehrer. In der Steiermark läuft die Zusatzausbildung für Ethiklehrer an der katholisch-theologischen Fakultät. Und für mehr als ein Schulbuch zeichnen katholische Theologen verantwortlich. In Buchers Kommentar kommt das nicht vor. Wissen müsste er es. Er brüstet sich damit, die Schulversuche zu evaluieren.

„Brutale Machtpolitik“

Im Ministerium scheint man mit der Argumentation keinen Erfolg zu haben. Dort sieht man es offenbar mit einer gewissen Skepsis, dass ausgerechnet die Religionsgemeinschaften Kinder in den Ethikunterricht schicken wollen, die nicht in den Religionsunterricht gehen. Das habe einen Hauch von Bestrafung und Nachsitzen, hört man hinter vorgehaltener Hand.

Die Skepsis dürfte auch außerhalb des Ministeriums verbreiteter sein, als es die veröffentlichte Meinung vermuten lässt. Hinter vorgehaltener Hand hört man von Bildungsexperten Worte wie „brutale Machtpolitik“ und „Scheiterknien für schlimme Kinder, die nicht in die Kirche gehen wollen.“ Die renommierte Biochemikerin Renee Schröder bezeichnet die Ersatzfach-Variante gar als „zynischen Totalangriff auf die Bildung in Österreich.“