Anzeigen gegen Rabbiner und muslimischen Arzt

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Justizministerium im Palais Trautson / Foto: wikimedia commons (Gryffindor)

WIEN. (hpd) Die Initiative gegen Kirchenprivilegien und ein Betroffener haben bei der Staatsanwaltschaft Wien Strafanzeige wegen Körperverletzung erstattet. Angezeigt wurden ein Rabbiner und Mohel der israelitischen Kulturgemeinde und ein muslimischer Arzt, der in Wien ein Beschneidungszentrum betreibt.

Nachdem in Österreich das Thema der Beschneidung von Knaben aus der Öffentlichkeit verschwunden zu sein schien, haben jetzt Anzeigen gegen zwei Beschneider eine Öffentlichkeit erreicht, die alte Fragen politisch und juristisch neu aufwerfen, insbesondere die Frage einer eindeutigen gesetzlichen Regelung.

Wie die Initiative gegen Kirchenprivilegien in einer Pressemitteilung vom vergangenen Donnerstag berichtete, wurden Anzeigen wegen Beschneidung erstattet. Angezeigt sind Schlomo Hofmeister, der Gemeinderabbiner und Mohel der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, der laut eigener Aussage in Österreich bereits mehr als 1000 religiös veranlasste und medizinisch nicht indizierte Genitaloperationen an männlichen Säuglingen vorgenommen hat, sowie ein praktischer Arzt, der ein Beschneidungszentrum in Wien betreibt und auf rituelle islamische Beschneidung spezialisiert ist. Er ist auch Vorstand der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Wien. Auf seiner Homepage stellt er stolz Fotos von beschnittenen Kindern online. Gegen den Arzt werde auch eine Anzeige bei der Disziplinarkommission der Ärztekammer erfolgen. Gegen den Rabbiner erfolgt eine weitere Anzeige wegen Verstoßes gegen das Ärztegesetz, da die Beschneidung eine Operation sei, die eindeutig und ausschließlich Ärzten vorbehalten sei.

Beschneidung ist ein schweres Trauma für die Kinder

"Die Entfernung der Penisvorhaut ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Sofern keine medizinische Indikation gegeben ist, handelt es sich um vorsätzliche Körperverletzung", erklärt Rechtsanwältin Anja Oberkofler, die die Sachverhaltsdarstellung am Donnerstag eingebracht hat. Der Eingriff erfolge bis heute oft ohne Anästhesie und ist extrem schmerzhaft: Babys haben dagegen keinen Schutzmechanismus und fallen aufgrund des Schocks mitunter in ein momentanes Koma. Für 6-8jährige Buben ist das Beschneidungsritual, das oft ohne jegliche Aufklärung erfolgt und öfters auch ohne Anästhesie, ein schweres Trauma. Bei der Vorhaut handelt es sich um den sensibelsten Teil des Penis und somit um hocherogenes Gewebe. Nach deren Entfernung wird die Eichel von einer Hornhautschicht überzogen. Z ahlreiche Betroffene berichten, dass sexueller Sensibilitätsverlust und Einschränkung der Orgasmusfähigkeit die Folge sein können. Ein zweites Problem sind mögliche Komplikationen nach der Operation wie etwa Blutungen oder Verstümmelungen: Nach heutigem Stand der Medizin liegt hier die Rate bei 2 bis 10 Prozent.

Nach der in Deutschland im Sommer entstandenen Diskussion über die Straffreiheit der Beschneidungen von Knaben, die demnächst durch ein entsprechendes Gesetzt straffrei gestellt werden sollen, hatte die Justizministerin in Österreich erst erklärt, sie sehe „keinen Handlungsbedarf“ und dann per Erlass erklärt, dass in Österreich die Beschneidung von Knaben „nach herrschender Lehre“ straffrei sei. Das Grundrecht auf Religionsfreiheit sei vorrangig.

Die Anwältin der Kläger betonte nun in einer Stellungnahme für die ORF-Nachrichten, dass sie auf einen rechtsstaatlichen Prozess hoffe, denn der Erlass der Ministerin sei vorgreiflich der Auffassung der unabhängigen Gerichte und sie gehe deshalb davon aus, dass keine Weisungen erteilt werden.

Religiöse motivierte Körperverletzung nicht per se straffrei

Weitere Begründung der Anzeige ist, dass für einen Eingriff mit derart gravierenden Folgen die Einwilligungsfähigkeit des Betroffenen erforderlich sei. Diese ist bei Babys und Kindern nicht gegeben. "Es ist nicht nachvollziehbar, warum allein die Billigung einer Körperverletzung durch Religionen zur Strafffreiheit führen soll", so Anwältin Oberkofler. Österreich hat die UNO Kinderrrechtskonvention unterzeichnet, die Strafbarkeit der Beschneidung von Kindern aus religiösen Gründen vorsieht. Auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention ist das Recht auf Schutz der physischen Integrität verankert. "Das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit kann nicht durch die eingewendete Religionsfreiheit der Eltern aufgehoben werden. Denn die Religionsfreiheit der Eltern in der Erziehung endet jedenfalls dort, wo die Körperverletzung ihres Kindes beginnt" sagt sie.

Diese Auffassung teilt auch der Professor für Strafrecht an der Universität Wien, Helmut Fuchs, der in den ORF-Nachrichten erläuterte, dass nur ein Gesetz eindeutig klären könne, inwieweit Eltern eine Einwilligungserklärung für andere abgeben können – was derzeit äußerst fragwürdig sei -, und es müsse sichere medizinische Voraussetzungen geben, also Sterilität und keine Komplikationen, sowie eine komplette Schmerzbehandlung.

Anzeige erfolgt durch Missbrauchs- und Beschneidungsopfer

Die Strafanzeige erfolgte durch Sepp Rothwangl, der in seiner Kindheit von sexueller Gewalt durch ein Kirchenmitglied betroffen war. "Heute sehe ich meine Aufgabe darin, mich dafür einzusetzen, dass nicht noch mehr Kindern aufgrund von Religionsprivilegien ungestraft körperliche und seelische Verletzungen zugefügt werden." Rothwangl hat auch das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien mitinitiiert, das derzeit unterzeichnet werden kann. "Ich setze mich gegen Sonderrechte für Religionsgemeinschaften ein, weil Kinder im Namen des Glaubens nicht ungestraft an ihren Sexualorganen verstümmelt werden dürfen", so Rothwangl. "Hier muss die Zivilgesellschaft und der Rechtsstaat eingreifen." Die Initiative gegen Kirchenprivilegien unterstützt daher auch die aktuelle Strafanzeige.

Betroffene brechen das Tabu des Schweigens

Der zweite Anzeigende ist Cahit Kaya, der als Achtjähriger nach islamischem Ritus beschnitten wurde. "Ich hätte selber gerne die Freiheit gehabt, zu entscheiden ob ich beschnitten werde oder nicht", sagt Kaya heute. "Ich wurde aber ohne Einholung meiner Zustimmung, ohne Informationen und ohne Vorbereitung seitens des Arztes und auch nicht seitens meiner Eltern in einem staatlichen Krankenhaus in Vorarlberg beschnitten. Viele Muslime leiden sehr an den sexuellen Folgen ihrer Beschneidung und schämen sich dafür, Opfer dieses Übergriffs geworden zu sein. Wenn sie überhaupt darüber reden, dann nur im allerengsten Freundeskreis. Dieses Schweigen muss endlich gebrochen werden."

In ersten Reaktionen zeigte sich Raimund Fastenbauer, Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien, überzeugt, dass die Staatsanwaltschaft die Anzeige „fallen lassen wird“, kündigte aber gleichzeitig eine Gegenanzeige an wegen „Verleumdung, Herabwürdigung religiöser Lehrer und Verhetzung“.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) hat sich bisher noch nicht geäußert.

C.F.