WIEN. (hpd) Es wurden deutlich mehr als erwartet. Das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien hat zu Silvester 8.683 Unterschriften an das zuständige Innenministerium übergeben. Das wird in den nächsten Wochen die Gültigkeit der Unterschriften prüfen und dann die nächsten Schritte für das so genannte Einleitungsverfahren setzen.
„Liebe Leute, mit heute sind es 8.683 Unterschriften. Ich gratuliere“. Andreas Rathmanner vom Organisationsbüro des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien wirkt gelöst, als er das Ergebnis verkündet. Kurz bevor die Initiative die Unterschriften übergeben soll, hat sich eine kleine Gruppe im Büro für letzte Vorbereitungen eingefunden. Es wird kräftig applaudiert. An die 1.000 Unterschriften sind allein im Dezember dazu gekommen. Der Endspurt hat sich ausgezahlt. Die knapp 8.700 Unterschriften sind auch etwas mehr, als die Intiatoren noch knapp vor Weihnachten erwartet hatten. 8.032 Unterstützungserklärungen sind notwendig und mit der jetzt erreichten Zahl hat man genügend ‚Spielraum‘ für die erwarteten 200 bis 300 ungültigen Erklärungen.
Nach dem kurzen Jubel geht’s zurück an die Arbeit. Die Aktivisten packen die letzten Unterschriften geordnet in Kartons. Die Kartons werden in eine Metallkiste gepackt, die wandert in den Kofferraum eines Kombis. Nichts soll verloren gehen. Dazwischen letzte Formalitäten. Die Sprecherinnen und Sprecher des Volksbegehrens müssen auf einem Formular namhaft gemacht werden. Außerdem braucht es laut Volksbegehrensgesetz ein gemeinschaftliches Konto, auf das nur alle offiziellen Sprecher gemeinschaftlich Zugriff haben.
Fototermin erregt Aufmerksamkeit
20 Minuten vor eins trifft die Gruppe in der Wiener Herrengasse ein, dem Sitz des Innenministeriums. Fototermin mit Peter Hautzinger für eine Presseaussendung. Die Initiatoren Sepp Rothwangl und Niko Alm stellen sich neben Andreas Rathmanner und Monika Zacher vom Büro, auch Volksbegehren-Aktivist Hubert Nussbaumer ist hier. Er hat vor allem in den vergangenen Monaten zahlreiche Infostände betreut. Heinz Oberhummer, ebenfalls Initiator, ist für den Termin aus Niederösterreich angereist.
v.l.n.r.: Sepp Rothwangl, Niko Alm, Heinz Oberhummer, Monika Zacher, Andreas Rathmanner und Hubert Nussbaumer / Foto: Peter Hautzinger
Einige Passanten fotografieren mit dem Handy. Eine junge Italienerin mit durchaus professioneller Fotoausrüstung stellt sich neben Hautzinger und knippst ebenfalls los. Um was es hier gehe, will sie wissen? Ein Streik? Niko Alm erklärt ihr den Hintergrund. Sie zeigt sich begeistert und meint, in Italien wäre so etwas überfällig. Der Polizist am Haupttor des Ministeriums sieht dem Treiben freundlich interessiert zu.
Durch die Gänge des Ministeriums
Punkt 13 Uhr kommt eine Beamtin zum Haupttor und holt die Gruppe ab. Sie ist heute extra für diese Übergabe reingekommen, erklärt sie freundlich. Die Initiatoren hatten den Termin rechzeitig bekannt gegeben. Nach dem Haupttor geht es durch einen Seiteneingang im Innenhof. Der Aufzug bringt die Gruppe in den zweiten Stock, weiter geht es durch die Gänge des weitläufigen Ministeriums. Plötzlich steht man in einem Büro der zuständigen Wahlbehörde, auf dessen Tisch noch die Weihnachtsdekoration steht. Ohne Begleitung wäre man verloren. Zwei weitere Beamtinnen warten und sind beinahe ausnehmend freundlich. Bedauern, dass sie wegen des Volksbegehrens wahrscheinlich auf einen freien Tag verzichten mussen, ist nicht zu spüren. Der heutige Montag ist immerhin ein Fenstertag, morgen ist Neujahr. Ein gesetzlicher Feiertag.
Die Formalitäten sind schnell erledigt. Eine Unterschrift hier, eine Unterschrift da. Eine Zahlungsbestätigung für die Gebühr von etwa 2.600 Euro. „Wenn Sie die 100.000 Unterschriften schaffen, bekommen Sie das natürlich zurück“, erklärt die leitende Beamtin. Ab heute würden sie und ihre Kolleginnen prüfen, ob die Unterstützungsunterschriften für das Volksbegehren gültig sind. Drei Wochen haben sie Zeit.
Termin: Zwischen Mitte März und Mitte Juli
Dann muss es einen Bescheid geben, ob die nötigen 8.032 Unterstützungserklärungen zustande gekommen sind. Innerhalb der nächsten sechs Monate muss Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) einen Termin für die so genannte Eintragungswoche finden. Da muss das Volksbegehren sechs Amtstage lang auf jedem Gemeindeamt Österreichs zur Unterschrift aufliegen. Alle zuständigen Behörden müssen den Termin auch öffentlich kundmachen, wie es auf Amtsdeutsch heißt.
Innerhalb dieser Eintragungswoche muss das Volksbegehren mindestens 92.000 weitere Unterschriften erreichen. Dann muss der Nationalrat die Forderungen in einer Sitzung beraten. An Entscheidungen gebunden ist er nicht.
Für das Volksbegehren bedeutet das inklusive aller Fristen einen Termin zwischen Mitte März und Mitte Juli. Was heuer keine einfache Aufgabe werden dürfte. Im Frühjahr werden mehrere Landtage neu gewählt. An diesen Terminen wird die Eintragungswoche keinesfalls stattfinden.
Bis dahin kein Unterschriftensammeln mehr
Sepp Rothwangl will wissen, ob man bis dahin theoretisch noch Unterschriften sammeln dürfte. „Das geht jetzt nicht mehr“, sagt die leitende Beamtin. „Wenn Sie noch Unterschriften bekommen, schicken Sie sie an die Unterstützer zurück. Die brauchen die Formulare nämlich, sollten sie dann bei der Eintragungswoche unterschreiben wollen. Die Gemeinde hat einen Vermerk im Wählerregister, dass diese Leute schon unterschrieben haben, den kann sie nur mit der Unterstützungserklärung löschen. Erst dann kann man unterschreiben.“
„Ob wir die Leute, die jetzt zu spät unterschrieben haben, dazu bekommen, dass sie noch mal hingehen“, fragt nach dem Termin im Ministerium einer der Aktivisten. Keine unwichtige Frage, aber nicht mehr als ein Detail der Strategie bis zur Eintragungswoche. „Dass wir so viele Unterschriften erreicht haben, ist super“, sagt Niko Alm. „Aber jetzt müssen wir uns überlegen, wie wir insgesamt 100.000 Unterschriften bekommen.“
In einer Gemeinde unterschrieb jeder Zehnte
Möglicherweise hilft es, die persönliche Betroffenheit anzusprechen. Die Statistik der Unterstützungserklärungen zeigt, dass in einem kleinen Ort in der Südsteiermark jeder zehnte Wahlberechtigte eine Unterstützungserklärung abgegeben hat. Österreichweit war es knapp jeder tausendste. Die Welle der Unterstützung kam just aus jenem Ort, in dem der Mann lebte, der 1995 den Missbrauchsskandal um den damaligen Kardinal Hans Hermann Groer ins Rollen brachte.
Ein Zusammenhang zur hohen Unterstützung des Volksbegehrens erscheint plausibel. Zumal eines seiner zentralen Forderungen ist, dass es eine staatliche Untersuchungskommission für den Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen geben soll.
Christoph Baumgarten