Kritik in vier Thesen
Meine Kritik an diesen und anderen Argumenten für die Religion läuft auf vier einfache Thesen über die Religion hinaus:
1. Religion war unvermeidlich
Die Menschen, welche Bewusstsein von sich und der Welt entwickelten, hatten keine andere Möglichkeit, als sich die Welt religiös, als eine von Geistern beherrschte, zu interpretieren. Natürliche Deutungen standen ihnen nur sehr spärlich und wissenschaftliche überhaupt nicht zur Verfügung.
2. Religion war nützlich
Die religiöse Weltdeutung barg viele Vorteile. Die Angst vor Geistern ließ unsere Vorfahren vorsichtiger sein und verringerte dadurch die Zahl gefährlicher Situationen. Nützlich war und ist die religiöse Weltdeutung für die Religionsdienstleister (Priester, Theologen etc.) unter anderem materiell und für ihren sozialen Status.
Eine psychische Hilfe war und ist Religion für viele Menschen, da sie auf diese Hilfe in ihrer Sozialisation konditioniert wurden. Religiöse Sozialisation wirkt aber sehr ambivalent, vereinfacht gesagt: sie beruhigt und verängstigt; beides letztlich durch Fantasien. Mit einigen anderen Vorteilen trug die religiöse Weltdeutung aber dazu bei, dass sich der Mensch zum Herrn über die Erde aufschwang.
3. Religion ist höchstwahrscheinlich falsch
Der Kern der Weltdeutung aller bekannten Religionen, die Geisterdeutung, ist höchstwahrscheinlich falsch, obwohl sie nützlich war. Warum nur höchstwahrscheinlich falsch? Aus dem einfachen Grund, weil sich die Nichtexistenz von etwas, hier der Geister, prinzipiell nicht beweisen lässt. Trotzdem tendiert die Wahrscheinlichkeit der Existenz von Geistern (oder eines großen Geistes) gegen Null, da es nicht die Spur eines Beleges für sie gibt.
4. Religion ist gefährlich
Religion war immer gefährlich, brachte neben Nutzen immer auch viel Leid. In unserem globalisierten Dorf Erde mit seinen ungeheuren technischen Möglichkeiten sind die religiösen Differenzen aber nicht nur eine Gefahr für den Frieden von Gesellschaften geworden, sondern für den zwischen Völkern und für das Überleben der Menschheit. Zu einer besonders großen Gefahr haben sich die Differenzen entwickelt, welche aus den Wahrheitsansprüchen der monotheistischen Religionen erwachsen.
Alfred Binder studierte Sozialarbeit und Philosophie. 2009 erschien sein Buch „Mythos Zen“, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Zen-Buddhismus. Die vier Thesen werden in seinem neuen Buch „Religion. Eine kurze Kritik“ ausgeführt. Es erschien im Herbst als erster Band der Reihe Kritikpunkt.e im Alibri Verlag.
Alfred Binder: Religion. Eine kurze Kritik. Reihe Kritikpunkt.e. 172 Seiten, kartoniert, Euro 10.-, ISBN 978-3-86569-120-0
Das Buch ist auch im denkladen erhältlich.
Argumente für Religion auf dem Prüfstand (1): Alle Völker haben eine Religion
Argumente für Religion auf dem Prüfstand (2): Die Offenbarung
Argumente für Religion auf dem Prüfstand (3): Gott wird durch das Herz, nicht durch die Vernunft wahrgenommen