Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) bekannte im Kloster Blaubeuren: "Ich bin ein Gegner der Abtreibung." Damit stellt er sich auch gegen Teile der eigenen Parteiführung, die die sexuelle Selbstbestimmung als Teil der linken Politik begreifen.
Ramelow riet Sarah Wagenknecht laut Südwestpresse: Sie "solle den 'innerfamiliären Diskurs' suchen mit ihrem katholischen Ehemann Oskar Lafontaine." Abgesehen davon, dass diese Aussage sexistisch ist, weil Frau Wagenknecht sehr wohl über ihren eigenen Körper verfügt und dazu nicht einen Mann fragen muss, ist diese Aussage auch noch in typisch christlicher Manier arrogant.
Was geht es Herrn Ramelow an, wie sich Frau Wagenknecht – stellvertretend für alle Frauen – bei einer ungewollten Schwangerschaft entscheiden würde? Mit welchen Recht maßt er sich an, seine religiösen Befindlichkeiten über fremder Leute Rechte zu stellen?
Das Online-Magazin katholisch.de bemüht sich, zu retten, was zu retten ist und versucht, die Aussagen Ramelows in einen politischen Kontext zu stellen: "Die Bundestags-Fraktionsvorsitzende Wagenknecht tritt nach eigenen Angaben für eine ersatzlose Streichung des Paragraphen 218 ein, der Abtreibungen in Deutschland verbietet." Und weil das so ist, darf Herr Ramelow ihr unwidersprochen den Rat geben, sich erst einmal die Erlaubnis ihres Mannes einzuholen?
Eine Partei, die sich selbst als "links" definiert und das sogar im Namen trägt, sollte Herrn Ramelow mal wieder an das eigenen Programm erinnern:
Wir setzen uns ein für das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Selbstbestimmung über den eigenen Körper und treten jeglichem Sexismus energisch entgegen.
In diesem Sinne sind wir für die Streichung der Paragraphen 218 und 219 aus dem Strafgesetzbuch, die Schwangerschaftsabbruch weiterhin als Straftatbestand aufführen und nur unter der Bedingung einer Zwangsberatung in den ersten drei Monaten straffrei lässt. Wir wollen stattdessen eine gesetzliche Regelung, die das Recht auf und den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen wohnortnah und barrierefrei garantiert. Wir wollen eine dichte Beratungsstellenlandschaft, damit Frauen im Falle gewollter und ungewollter Schwangerschaften professionelle Unterstützung erfahren. Plankrankenhäuser müssen verpflichtet werden, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.
Nachtrag der Redaktion: (18.10.2017)
Bodo Ramelow widerspricht – auch in einem Kommentar beim Humanistischen Pressedienst – der Darstellung, wie sie von Südwestpresse, katholisch.de und kath.net erfolgte.
Er schreibt: "...Gefragt wurde ich auf der Veranstaltung zudem nach meiner Meinung zu der Forderung von Sahra Wagenknecht, dass der § 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden sollte. Ich antwortete, dass ich diese Forderung teile. Der Fragesteller unterstellte dann, dass Sahra Wagenknecht damit die Legalisierung von Mord verlangen würde, denn, so der Fragesteller, damit sei wohl auch das Töten selbst eines neun Monate alten Kindes im Mutterbauch gemeint. Meine Antwort war, dass ich nicht glauben würde, dass Sahra Wagenknecht so etwas befürworten würde und dass solche Entschei- dungen höchst schwierige Entscheidungen zwischen Mutter und Arzt seien und ich der strikten Auffassung sei, dass weder das Strafgesetzbuch noch Strafrichter die richtigen Begleiter und Entscheider in solch schwierigen Fragen seien. Ich habe allerdings aus meiner persönlichen Überzeugung als Christ keinen Hehl gemacht, dass ich Abtreibung nicht befürworte und als Mittel der Geburtenkontrolle ablehne..."
12 Kommentare
Kommentare
Sven am Permanenter Link
hört sich nach einem Rückzugsgefecht an. wenn herr ramelow genügend Gegenwind bekommt kann er die Position nicht halten, aber erstmal mutig vorpreschen
Markus Knoll am Permanenter Link
Bodo Ramelow hat, laut einem Brief von ihm an Kath.net, keine der behaupteten Aussagen, gerade gegenüber Sarah Wagenknecht, in der Form getätigt.
Und defakto eine Richtigstellung veröffentlichen lassen :
http://kath.net/news/61322
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Wenn man einem Menschen rät, den Diskurs mit dem Ehepartner / der Ehepartnerin zu suchen, dann ist das sexistisch? Eine seltsame Auffassung!
Also, ich bin grundsätzlich sehr dafür, dass Eheleute miteinander reden und Meinungen erörtern. Sehen Humanisten das etwa anders?
Oder kennt der Autor des Artikels die Bedeutung des Wortes "Diskurs" nicht? Immerhin setzt er "Diskurs zu suchen" gleich mit "die Erlaubnis ihres Mannes einzuholen". Das ist reichlich weit hergeholt. Ein Diskurs findet grundsätzlich auf Augenhöhe statt.
Allenfalls könnte man Herrn Ramelov vorwerfen, dass er Politik mit dem Privatleben einer Politikerin vermengt. Das halte ich für etwas indiskret. Aber nicht für sexistisch, und schon gar nicht für "in typisch christlicher Manier arrogant".
hj_allemann am Permanenter Link
Ich bin überhaupt kein Sympathisant von Ramelow - aber so geht es auch nicht!
Ich bin auch ein Gegner von Abtreibung! Die Leute können doch vorher aufpassen! Aber ich bin für das Recht auf Abtreibung. Wie ist das bei Ramelow? Ist er gegen dieses Recht? Darüber erfährt man nichts in diesem Artikel.
Was ist daran sexistisch, wenn Ramelow zum innerfamiliären Dialog auffordert? Die Aufforderung zum Dialog finde ich prinzipiell ganz ok, wenn auch unnütz in diesem Zusammenhang, da es sich hier um hochpolitische Menschen handelt.
Und wenn man schon auf diesem ewigen "sexistisch" herumreiten muß: Warum hat der Vater kein Recht, bezüglich des ungeborenen Kindes mitzuentscheiden? Sicherlich sollte die Frau bis zum dritten Monat die alleinige (endgültige) Entscheidung haben (irgendwo muß ja eine Grenze sein), aber danach würde ich mich auch als Arzt weigern, eine Abtreibung vorzunehmen.
Als Humanist kann ich doch nicht beliebig über ungeborenes menschliches Leben entscheiden!
little Louis am Permanenter Link
Ich wiederhole mich:
little Louis am 9. Oktober 2017 - 10:20 Permanenter Link
Offenes Glaubensbekenntnis von Bodo Ramelow im DLF- Interview:
Ein ziemlich helles Nebelkerzenlicht innerhalb „ Die Linke“ leuchtete heute im Deutschlandfunk. Im Morgeninterview (ca. 08:10) offenbarte er sein lutherisch- reformatorisches Herz. In einem der letzten Sätze gab er all dies dann auch noch als Inkarnation und Höhepunkt seines ganz privaten Humanismus aus. Um schließlich am Ende, alles Vorherige relativierend, darauf hinzuweisen, dass das Theologische eigentlich doch (für ihn ?) eher unwichtig und nur ein Mittel zur Verwirklichung seiner humanistischen Einstellung sei.
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2017/10/09/interview_mit_bodo_ramelow_themenwoche_reformation_dlf_20171009_0815_2cd634b3.mp3
Mein historisches "Verschwörungsmodul" meldet mir dazu das Folgende:
Solche Personen sind die die Ausführenden einer seit der Nachkriegszeit betriebenen Ausgrenzungs- und Marginalisierungsstrategie gegen eine laizistische oder wenigstens kirchenkritische (demokratische) Linke.
Ziel: Weg mit allem, was natoskeptisch, kapitalismuskritisch und noch dazu religionskritisch ist.
Bei den „Achtundsechzigern“ noch (mehr oder weniger) vorhanden, hat man die religionskritische Linke in den achtziger Jahren zunächst diesbezüglich entschärft und ökologisch- grün gewendet. Schließlich wurden „Die Grünen“ in den Neunzigern unter Bütikofer und Roth transatlantisch– kapitalverträglich und auch religionspolitisch (mehrheitlich) auf Kurs gebracht. So dass jetzt entweder nahezu neoliberale Südkatholiken im Verbund mit verbalradikalen transatlantischen „Antideutschen“ und esoterisch- Freireligiösen einen schwarzgrünen und vor allem natokompatiblen Verbund bilden. Die traditionell „evangelische“ SPD schwenkte unter Schröder schließlich ganz ins neoliberal- westkonforme Lager über.
Ganz ähnlich scheint man seit der Fusion mit den Ostdeutschen bei der Partei „Die Linke“ vorzugehen bzw. vorgehen zu wollen.
Also: Ziel erreicht
Ein ähnlicher (etwas verdeckter) Grabenkampf läuft wohl auch schon seit Jahrzehnten innerhalb der Humanistenszene: Nur gemäßigt oder gar nicht religionskritische Neoliberale stehen laizistischen oder kirchenkritischen „Sozialisten“ gegenüber. Dazwischen oder daneben treiben noch transatlantische Missionare des Globalkapitalismus oder völkisch- nationale Intellektuelle, die sich als super-rationalistische humanistische Aufklärer geben, ihr Unwesen.
na am Permanenter Link
paar links währen sicher hilfreich für den einen oder anderen ...
little Louis am Permanenter Link
Sie mögen recht haben, aber es gibt immer mehr "Baustellen". Auch Pensionisten können nicht alles leisten . Einfach öfter mal googeln. Aber nicht vergessen, das kritische Skeptizismusmodul einzuschalten.
Götz am Permanenter Link
Du wiederholst Dich, little Louis, leider. Für klassenkämpferisches Geschwurbel ist diese Seite zu schade!
little Louis am Permanenter Link
Überzeugende Argumentation. Du hast recht. Ich sehs ein. Mit meinem klassenkämpferischem Getue schade ich mir als Immobilienbesitzer und Vermieter- Kleinunternehmer vielleicht langfristig selbst.
Ramelow Bodo am Permanenter Link
Das war meine Reaktion :
Sehr geehrte Damen und Herren,
Erfurt, 16. Oktober 2017
Ihre Meldung legt den Lesern nahe, dass ich diese Sätze wörtlich so formu- liert hätte. Dieser Eindruck ist falsch und unzutreffend.
Auf der Veranstaltung wurde ich gefragt, ob es neben mir weitere Christen in der Partei Die Linke gibt. Ich antwortete u.a., dass Oskar Lafontaine Mitglied der Katholischen Kirche sei und darüber hinaus eine große Anzahl Christin- nen und Christen in der Partei Die Linke aktiv sind.
Gefragt wurde ich auf der Veranstaltung zudem nach meiner Meinung zu der Forderung von Sahra Wagenknecht, dass der § 218 aus dem Strafgesetz- buch gestrichen werden sollte. Ich antwortete, dass ich diese Forderung teile. Der Fragesteller unterstellte dann, dass Sahra Wagenknecht damit die Legalisierung von Mord verlangen würde, denn, so der Fragesteller, damit sei wohl auch das Töten selbst eines neun Monate alten Kindes im Mutter- bauch gemeint. Meine Antwort war, dass ich nicht glauben würde, dass Sahra Wagenknecht so etwas befürworten würde und dass solche Entschei- dungen höchst schwierige Entscheidungen zwischen Mutter und Arzt seien und ich der strikten Auffassung sei, dass weder das Strafgesetzbuch noch Strafrichter die richtigen Begleiter und Entscheider in solch schwierigen Fra- gen seien. Ich habe allerdings aus meiner persönlichen Überzeugung als Christ keinen Hehl gemacht, dass ich Abtreibung nicht befürworte und als Mittel der Geburtenkontrolle ablehne. Ob ich damit im Widerspruch zu Sahra Wagenknecht stehe, könne ich nicht wissen, weil wir darüber noch nicht dis- kutiert hätten. Ich wäre aber zutiefst überzeugt, dass Sahra Wagenknecht mit mir einer Meinung sei, dass wir in unserer Gesellschaft viel mehr für Mütter und für Kinder tun müssten.
Zum Beispiel die Abschaffung des Ehegattensplittings und Umwandlung des Steuervolumens zugunsten einer Kindergrundsicherung. Ich glaube, dass eine stärkere Förderung von Kindern viel notwendiger sei, als eine erneute Debatte über den Straf-Paragraphen 218. Auch würde ich mir bei dieser Debatte wünschen, dass Männer sich aus der Diskussion tunlichst raushalten sollten.
Außerdem habe ich angemerkt, dass ich es nicht verstehen würde, dass für Tiernahrung in Deutschland der niedrige Mehrwertsteuersatz veranschlagt wird, aber Windeln und Babysachen mit dem hohen Mehrwertsteuersatz belegt sind. Hier gäbe es genügend Praktisches zu verändern, um die Förderung von Kindern in den Mittelpunkt des Handelns zu stellen.
Zusammenfassend: Ihre Meldung erzeugt einen Eindruck von meinen Äuße- rungen, der durch meine tatsächlichen Äußerungen, wie ich sie in Blau- beuren getätigt habe, nicht gedeckt ist. Einer korrigierenden Meldung entgegensehend verbeibe ich
mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow
hj_allemann am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Ramelow: Weitgehendst ok!
Kay Krause am Permanenter Link
Selbstverständlich seht es Herrn Ramelow zu - so wie jedem anderen Bürger auch - ein religiös gläubiger und geprägter Mensch zu sein, sich auch religiös zu äußern und zu bekennen.
Aber gerade Herr Ramelow ist es immer wieder, der sich im Rahmen seines politischen Amtes öffentlich mit religiösen Themen zu Wort meldet.
Ich möchte diesem Herrn empfehlen, sich statt dessen intensiv für eine strikte Trennung von Staat und Kirche einzusetzen. Das ist es, was die große Mehrheit der "Linken" Wähler unter anderem von dieser Partei erwarten!