Ist Kritik am Islam automatisch rassistisch?

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Großmufti Amin-al-Husseini im Gespräch mit Adolf Hitler / Foto: Bundesarchiv 146-1987-004-09a / Heinrich Hoffmannn / CC-BY-SA

(hpd) Die vergangenen gesellschaftlichen Debatten über Beschneidung oder Meinungsfreiheit im Angesicht sich beleidigt gefühlter Muslime hat auch Kritiker der Kritik auf den Plan gerufen. Diese entstammen zum einem dem religiösen Lager, zum anderen aber auch aus dem linken Lager. Die anti-religiöse Haltung wurde in mehreren Fällen zu Antisemitismus oder zu anti-muslimischem Rassismus umdeklariert.

Ist aber eine Kritik am Islam automatisch rassistisch?

Sicher, die meisten Muslime in Deutschland sind Einwanderer, aber soll die Ethnie hier der ausschlaggebende Punkt sein? Auch Millionen Araber des Nahen Ostens sind Mitglieder in verschiedenen christlichen Kirchen. Umgekehrt gehört Pierre Vogel zu den radikalsten Konvertiten im deutschen Sprachraum. So weit er sich auch vom europäischen Kulturkreis entfernt haben mag – dass er Deutscher ist, kann niemand bestreiten. Solange der Islam Religion und nicht ethnisch exklusiv ist, kann man Kritik an ihm nicht einfach in die rechtsextreme Ecke stellen.

Natürlich muss man untersuchen, ob nicht in manchen Fällen Islamkritik nur vorgeschoben ist, um die eigentlichen rassistischen Intentionen zu überdecken. Was genau möchte man aber herausfinden? Lassen sich in Islamkritik rassistische Nuancen finden, oder steht der Rassist dem Islam feindlich gegenüber? Je nachdem welche der beiden Fragen wir beantworten, müssen wir nach verschiedenen Versuchsobjekten Ausschau halten.

Hitler und Amin al-Husseini

Der Archetyp eines Rassisten war der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler. Doch dem Islam stand er freundlich gegenüber. Im Antisemitismus sah er ein Bindeglied zwischen den außenpolitischen Zielen der Deutschen und der Araber. Nach Kriegsausbruch schätzte er den Großmufti von Jerusalem als Partner. Mohammed Amin al-Husseini hetzte gegen Judentum und die britische Kolonialherrschaft im Nahen Osten. Hier trafen sich seine außenpolitischen Vorstellungen mit denen Hitlers. Um den „Endsieg“ zu beschleunigen, half der Großmufti bei der Aushebung von muslimischen Waffen-SS-Divisionen in Bosnien und Albanien.

Auch die heutige NPD, an deren Rassismus kein Zweifel bestehen kann, zeigt sich ausdrücklich islamfreundlich. Ihr großes Vorbild sieht sie im iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad, der ohne Furcht vor bundesdeutschen Gesetzen den Holocaust leugnen kann. Ebenso solidarisiert sie sich mit der Hamas, die nicht weniger antisemitisch ist.

NPD und Erdogan

Aber gerade die Ablehnung der Zuwanderung aus islamisch geprägten Ländern ist mit der dortigen Wertschätzung des Islam verknüpft. Dies zeigte sich 2008, als der türkische Ministerpräsident Erdogan Deutschland besuchte. Auch er wird von der NPD beneidet. Denn die Leugnung des Völkermords an den Armeniern ist in seinem Land nicht verboten, sondern sogar gesetzlich vorgeschrieben. Während seines Besuchs forderte Erdogan von türkischen Kindern zuerst die türkische Sprache zu erlernen. Außerdem sei Assimilation ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (was einen Widerspruch in sich darstellt, denn gegenüber den Kurden verfolgt die Türkei eine Politik der Assimilation.) Zusätzlich solle es türkische Schulen und Universitäten auf deutschem Boden geben. Erdogans nationale Töne wurden von der NPD mit Wohlwollen quittiert. Seine Forderung, dass Türken türkisch bleiben müssen, ist mit ihren Wünschen identisch.

Das klingt paradox, ist es aber nicht. Denn die „Endlösung des Türkenproblems“ besteht für die NPD in deren Abschiebung. Gerade dabei ist der türkische Nationalismus hilfreich. Wenn die deutschen Türken kein Türkisch mehr sprechen, werden sie in der Türkei kaum bestehen können. Wenn sie nicht mehr islamisch sind, werden sie dort nicht womöglich nicht willkommen sein. Türken ohne Nationalstolz sehen die Türkei nicht mehr als ihre Heimat an und ihre Abschiebung auch nicht als Heimreise.

Die Ablehnung von Deutschen durch Türken ist in der Sicht der NPD genauso sinnvoll und richtig wie die Ablehnung von Türken durch Deutsche. Türkischer Nationalismus und Islam sind in der Weltsicht des Rassisten unbedingt nötig, um die „rassische Reinheit“ des eigenen Volkes zu erhalten. Je stärker der Rassist also fürchtet, dass sein Volk zu einer „Promenadenmischung“ wird, das seine biologischen Kriterien ausdünnt, umso stärker muss er sich an Trennlinien zwischen seinem und dem fremden Volk festhalten. Die NPD spricht sich daher für das Kopftuch aus. Eine Türkin, die sich verhüllt, ist für den deutschen Mann vielleicht weniger attraktiv und grenzt sich freiwillig von der Mehrheitsgesellschaft ab.

Doch die NPD ist nicht nur an der „Reinheit des deutschen Volkes“ interessiert. Der Nationalismus der islamischen Nationen untereinander kommt ihnen ebenso gelegen. Ein Beispiel, um dies zu illustrieren: Meine türkische Freundin S. ist seit mehreren Jahren mit ihrem Freund zusammen. Vielleicht werden sie eines Tages Kinder haben. Ein Gedankenspiel nur, doch es lohnt sich. Das gemeinsame Kind der beiden wäre türkisch-kurdisch-arabisch-persischer Abstammung. Ihre Familie ist alevitisch, seine katholisch-uniert, doch sind beide nicht gläubig. Weder kann sie Arabisch, noch er Türkisch. Natürlich sprechen beide Deutsch miteinander. In welches Land will die NPD ihr Kind abschieben können?

Völlig konfliktfrei ist diese Zusammenarbeit jedoch nicht. Die NPD sieht den Islam als „natürliche“ Religion der Türken, Araber, Perser usw. Das deutsche Volk hingegen soll, je nachdem welchen Rechtsextremen man fragt, christlich, heidnisch oder atheistisch sein. Der Islam aber sieht sich als Religion für die gesamte Menschheit. Wenn alle Völker zu Muslimen werden, fällt der trennende Effekt logischerweise weg. Die NPD ist sich dieses Umstands bewusst, kann darüber doch hinwegsehen, solange die Zahl der deutschen Konvertiten weit geringer ist, als die der Türken, die den westlichen Lebensstil übernehmen. Wer nur um des Partners willen den Glauben wechselt, dürfte seine Entscheidung nach dem Ende der Beziehung schnell revidieren. Auch ein islamischer Terroranschlag, dem deutsche Staatsbürger zum Opfer fallen, kann der NPD nicht gefallen. Solange islamischer Terrorismus aber nur Juden und Amerikaner trifft, gibt es  keinen Anlass zur Kritik.

Übrigens ist auch die Sympathie für den türkischen Nationalismus von Hitler übernommen. Denn die Familie der Turkvölker reicht bis weit nach Asien hinein. Aserbaidschaner, Turkmenen, Usbeken, Kasachen und viele weitere Ethnien werden ihr zugerechnet. Der Panturkismus würde all diese Völker gern in einem Staat vereint sehen. Ein verlockender Gedanke für Hitler, denn eine Großtürkei hätte bis in die Sowjetunion erstreckt und Stalin damit entscheidend geschwächt. Aufgrund der militärischen Realitäten fanden diese Pläne allerdings bald ihr Ende in den Schubladen. Sie taugten nur als Propagandainstrument für die Rekrutierung der Ostlegionen.

Kritik am Islam ist also keineswegs gleichbedeutend mit anti-muslimischem Rassismus. Erst recht, wenn man Fakten benennt und nicht in Pauschalurteile verfällt. Dass der Islam eine gewalttätige Religion ist, zeigen der Blick in den Koran und zwei Jahre des arabischen Frühlings. Dennoch trifft diese Feststellung keine Aussage über den einzelnen Moslem, der sich entscheiden kann, ob er die Vorgaben seiner Heiligen Schrift sklavisch befolgt, oder eben nicht. Friedliche Muslime gibt es ebenso wie friedliche Angehörige anderer Religionen. Als ausschließlich anti-islamisch würde ich mich ohnehin nicht bezeichnen, da ich ebenso auch jüdischen und christlichen Fundamentalismus verurteile. Dennoch gebe ich offen zu, anti-islamisch zu sein, wenn ich die Unterdrückung von Frauen und Schwulen im Islam anprangere.