Notizen aus Ungarn

UNGARN. (hpd/SzF) Bemerkenswertes aus säkularer Sicht vom 11. Februar bis 10. März 2013. Es geht um Milliardengeschenke, Heiliges Theater und Steuerhinterziehungen, um mangelnde religiöse Hingabe, darüber, dass Jesus als Morallehrer nicht taugt, einen Investiturstreit und über Turbulenzen in der „Ehe“ zwischen Staat und Kirche.


Steuerhinterziehung auf katholisch

Das Gericht in Pécs ist mit finanziellen Fragen der katholischen Kirche in Pécs beschäftigt. Wie es scheint, haben zwischen 2005 und 2010 um die 15 bis 20 Leute fälschlicherweise erklärt, in kleinen Gemeinden zu arbeiten, um aus speziellen Einkommensteuersenkungen für Geistliche, die in kleinen Gemeinden arbeiten, zu profitieren. Auch wurden alle Barzahlungen im Laufe der Jahre (rund 30-50 Millionen Forint pro Jahr) in einen Fonds übertragen, der nicht von jedermann geprüft werden kann. Die Verwendung dieser Gelder wurde in einem Notizbuch aus Papier aufgezeichnet, das aber verschwunden ist.

Derzeit ist nur eine Person, Herr Gyula W. beschuldigt, obwohl er kaum all dies ohne das Wissen der anderen Beteiligten durchgeführt haben konnte. Die Untersuchung wurde im Jahr 2010 ausgelöst, als die Kirche einen neuen Buchhalter eingestellt hatte, der gegen diese Praktiken protestierte, sie illegal nannte und eine Beschwerde bei staatlichen Behörden einreichte. Er wurde entlassen. (Quelle)

Heiliges Theater!

Der neue Direktor des Ungarischen Theaters, Attila Vidnyánszky, der ernannt wurde - obwohl der vorherige, Róbert Alföldy, als berühmter Theaterschauspieler und Regisseur galt, der aus einem eher unbedeutenden Gebäude einen sehr erfolgreichen Kulturstandort geschaffen hat -, hat erklärt, dass das Nationaltheater ein sakraler Raum sei. Daher wird er es von einem Priester weihen lassen.

Herr Alföldy-Ersatz von Herrn Vidnyánszky ist nur eine Personalveränderung  in einer langen Reihe von Neueinstellungen die Innovationsführer (auch mit Fidesz Zugehörigkeit) durch Personen ersetzt, die die Aufgabe haben, kulturelle Einrichtungen als sakrale Ort zu definieren - mit dem Ziel der Stärkung der nationalen Identität. (Quelle)

Eine weitere Milliarde für die Kirchen

Die ungarische Regierung vergibt 500 Millionen Forint (= 1.656.576 Euro) jeweils für Renovierungen an  der reformierten Kirche am Kalvin tér in Budapest und des barocken katholischen Doms in Kalocsa. Dies wird (wieder) aus den Mitteln finanziert, die für Notfälle eingerichtet wurden. (Quelle)

Nicht genug Hingabe

In Ungarn gibt es die ‚harte Tour‘, zu lernen, dass Religion die Begrenzung der Religionsfreiheit der Lehrer bedeutet. Zwei Lehrer wurden in der ungarischen Stadt Balatonfüred entlassen, angeblich, weil sie während ihrer Teilnahme an der Sonntagsmesse im Familiengottesdienst nicht mit genügender „Hingabe“ dabei waren.

Ihrer Schule wurde im vergangenen Jahr, als die reformierte Kirche die öffentliche Schule übernahm, versprochen, die Religionsfreiheit zu gewährleisten. Allerdings war ihre Formulierung „wir wollen nicht ein Seminar aus diesem Ort machen, aber wir wollen tugendhafte, treue Ungarn im breitesten und edlen Sinn ausbilden, ohne Rücksicht auf konfessionelle Grenzen", die besagen, dass ihre Vorstellung von Religionsfreiheit nicht die Freiheit umfasst, nicht religiös zu sein.

Seit 2011 haben viele lokale Regierungen ihre Schulen an die Kirchen übergeben. Ihr Anreiz war oft finanziell: Schulen der Kommunen erhielten im Vergleich nur halb so viel Zuschuss aus dem zentralen Haushalt wie kirchliche Schulen. Und während vorher, wenn die lokale Regierungen eine Schule die einer Kirche übergeben hatte, diese nur für weitere fünf Jahre zu finanzieren hatte, wurde diese Grenze durch die konservative Regierung aufgehoben. Die Pläne für die Zentralisierung des staatlichen Bildungssystems verstärken diesen Trend, da einige lokale Behörden hofften, einen gewissen Einfluss auf ihre Schulen durch die Übergabe ihrer Schule an eine Kirche zu erhalten. (Quelle)

Jesus ist nicht gut genug

Eine konservative Elternvereinigung namens Nationale Vereinigung ungarischer Eltern (Magyar Szülők Országos Szervezete) hat in dieser Woche in Ungarn für Wirbel gesorgt. Als die konservative Partei Fidesz die Regierung im Jahr 2010 übernahm, übergab sie die Bildungs-, Kultur-, Sozial-und Gesundheitsfragen an ihren Koalitionspartner, die Christdemokraten (KDNP), die das ihrige versuchen, um die Politik ihren Prioritäten anpassen.

Ab September 2013 wird die Teilnahme am Religionsunterricht an staatlichen Schulen zwingend, und Kinder von nicht-religiösen Eltern müssen Kurse in "Moral" nehmen (nicht "Ethik")  - gelehrt von Lehrern, die einen 60-Stunden-Kurs, auch an konfessionellen Hochschulen, besucht haben. Der Präsident des Vereins, Herr Sándor Keszei, kündigte an, dass diese Kurse in der Moral nicht durch Personen erteilt werden dürfe, die unverheiratet oder geschieden sind, die keine Kinder haben und trinken, rauchen, abweichende Sexualpraktiken verfolgen (er gab dazu keine weitere Definition) oder Sexfilme schauen.

Mit anderen Worten, nach ihm ist auch Jesus nicht geeignet, Moral zu lehren, nicht zu katholischen Priestern sprechen ... Herr Keszei beging allerdings den Fehler, an einer Talkshow von Olga Kálmáns teilzunehmen. Diese ist bekannt für ihre höfliche Persistenz. Das brachte Herr Keszei in eine recht missliche Lage, als sich herausstellte, dass er in einer Patchwork-Familie lebt, nachdem er sich scheiden ließ und wieder heiratete. Am Ende der Show zog er seine Aussage zurück.

Leider ist dies nicht das Ende: Herr Keszei ist Mitglied des Vorstands, der über die staatliche Finanzierung der nicht-konfessionellen Privatschulen entscheidet - konfessionelle Privatschulen erhalten automatisch die staatliche Finanzierung. Der Vorstand besteht aus fünf Mitgliedern: Neben Herrn Keszei und drei Beamten aus dem Ministerium, ist noch eine andere NGO-Vertreterin beteiligt: Frau Julianna Gärtner von der Vereinigung der christlichen Intellektuellen (Keresztény Értelmiségiek Szervezete), die durch den sehr konservativen katholischen Priester Zoltán Osztie geführt wird, der z. B. glaubt, dass nicht-katholische christliche Gemeinschaften nicht "Kirchen" im "realen" Sinne des Wortes sind. (Quelle 1), (Quelle 2) und (Quelle 3).

Investiturstreit

Die Symbiose zwischen der (katholischen) Kirche und dem Staat hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Herr Sándor Kiss, Bürgermeister von Kistelek, hat darum gebeten und erhielt die Erlaubnis, von dem örtlichen Vertreter des Bischofs einen neuen Priester zu erbitten, denn der jetzige sei alt und müde. Der Priester selbst, Ferenc Laczkó, meint aber, er sei nicht müde und möchte seine Arbeit noch für ein paar Jahre weiter tun. Er hält den Schritt des Bürgermeisters für einen Eingriff in innerkirchliche Angelegenheiten und glaubt, das „Problem“ ist, dass er zu streng sei, denn er fordert von Paaren, dass sie sich tatsächlich an die kirchlichen Lehren halten, bevor er sie in der Kirche verheiratet. (Quelle)

Turbulente Ehe

Die "Ehe" zwischen der katholischen Kirche und der lokalen Regierung in Kecel hat eine harte Woche hinter sich, aber natürlich haben sie sich wieder versöhnt.

Der örtliche Pfarrer, Herr Roland Burányi, verbannte den Bürgermeister, Herr Ferenc Haszilló, aus der Sonntagsmesse und aus der Grundschule (die der Kirche vom Bürgermeister übergeben worden war), da er die Pläne des Bürgermeisters über die Beendigung lokaler Medien aus Geldmangel nicht billigte. Aber natürlich konnten die Meinungsverschiedenheiten nicht lange dauern. Ein paar Tage später hatten die Einheimischen zwei Demonstrationen zur gleichen Zeit organisiert, eine zu Gunsten des Priesters und eine für den Bürgermeister und waren ein bisschen überrascht, als die beiden Herren gemeinsam vor ihnen erschienen und der Priester seinen Bann aufhob. (Quelle)
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Die Nachrichten wurden von Szekularis Figyelo auf der englischsprachigen Version seines ungarischem Blog “Säkulares Ungarn“ zusammengetragen und von ihm dem hpd zur Verfügung gestellt. (Übersetzung: Carsten Frerk)