Schlaf und Traum im Fokus der Hirnforschung

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Akademiegebäude / Foto: Angelika Fischer © BBAW

BERLIN. (hpd) Brechend voll war der Einsteinsaal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft am vergangenen Donnerstag. Wer nur pünktlich kam, musste stehen oder auf dem Boden sitzen. Diesen Preis zahlten die Ausgeschlafenen aber gerne, da das Thema der Diskussion nicht nur müde Tagträumer fesselte.

Das Max-Planck-Forum Berlin lud an diesem sonnigen Abend Experten aus der Schlaf,- Bewusstseins- und Traumforschung zum Gedankenaustausch über das Thema: „Schlüssel zum Bewusstsein? Schlaf und Traum im Fokus der Hirnforschung“.

Andreas Sentker, Leiter des Ressorts Wissenschaft (Die Zeit) moderierte durch den Abend und offenbarte mit seinen Gästen

  • Dr. Michael Czisch, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München,
  • Prof. Dr. John-Dylan Haynes, Bernstein Center der Charité-Universitätsmedizin Berlin und
  • Prof. Dr. Michael Schredl, Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim.

die eine oder andere Unklarheit, über die an dem Abend und in dem Feld gestritten und diskutiert wurde und wird.

Sieben / Neun / Achtundzwanzig

Einig ist man sich, dass der Mensch im Durchschnitt sieben Stunden und neun Minuten schläft pro Tag. Dabei wacht er ca. 28 Mal auf.

Dieses merkwürdige Verhalten gab den Menschen schon immer Rätsel auf, denn wie konnte ein dermaßen gefährlicher Zustand ein solch durchschlagender Erfolg der Evolution werden? Schaut man sich im Tierreich um, stellt man schnell fest, dass es noch extremer geht: Winterschlaf und Torpor haltende Tiere fahren ihren gesamten Metabolismus herunter (Fledermäuse schlafen bis zu 16 Stunden am Tag), Vegetarier schlafen aufgrund ihres Energiebedarfs weniger als Fleischfresser und selbst Insekten zeigen ein schlafähnliches Verhalten, das in der Wissenschaft aber ganz klar als Schlaf bezeichnet wird (Beispiel).

Über die Auswirkung von Schlaf gibt es bereits einige stabile Befunde. So werden im Schlaf z. B. vermehrt Wachstumshormone ausgeschüttet und Zusammenhänge zu Metabolismus und Gewicht gefunden. Schlaf fördert nicht nur das Gedächtnis, sondern auch das Immungedächtnis.

Lernen im Schlaf?

Während des Abends taucht das Thema „Lernen im Schlaf“ gleich mehrere Male auf, die Antwort ist aber ernüchternd und lässt der Vokabelkassette, die nachts neben dem Bett läuft keine Chance. Jedoch wird eine Studie erwähnt, bei der geruchliche Erfahrungen im Schlaf gelernt werden können. Zudem hat Schlafentzug einen antidepressiven Effekt auf betroffene Patienten.

Klassifikation von Schlafstörungen

Achtundachtzig Schlafstörungen sind in der Fachwelt bekannt und in einem eigenen Klassifikationssystem gelistet: „International Classification of Sleep Disorders – ICSD“. Doch wie arbeiten die Wissenschaftler in der angewandten Schlafforschung?

Ganz klassisch kommt hier vor allem das EEG (Elektroenzephalogramm) zum Einsatz mit dessen Hilfe verschiedene Schlafphasen anhand der elektrischen Aktivität sichtbar gemacht werden können. Bunter und aufregender als diese zackigen Kurven kommen aber auch in diesem Feld die launenhaften Bilder der fMRT (funktionale Magnetresonanztomographie) daher. Sie zeigen, nach viel statistischer Verrechnung und Fehlerkorrektur WO sich im Gehirn der Blutfluss und damit die mögliche Aktivität im Gehirn erhöht (Dass diese Technik umstritten ist, kann z. B. hier nachgelesen werden). Die zugrunde liegende Behauptung ist, ein Gedanke = ein Aktivitätsmuster. Unterscheiden sich diese nun zwischen Wach- und Schlafzustand?

Träume

Hier drängte sich mehr und mehr die Frage nach dem Träumen auf, das Thema, für das sich wohl die Mehrheit der Leute im Publikum heute aufgerafft hatte.

Während man lange annahm, dass wir nur in der sogenannten REM Phase träumen (rapid eye movement, während des Schlafes sind die Muskeln aus gutem Grund gelähmt, bis auf die Augen), weiß man heute, dass Menschen in jeder Schlafphase träumen können, weniger lebhaft im Tiefschlaf, sehr aktiv in der REM Phase. Woher weiß man das?

In der Schlafforschung braucht man vor allem geeignete Probanden, Menschen, die auch im Labor, mit verkabeltem Kopf, in engen Röhren und am besten ohne sich viel zu bewegen, schlafen können. Sind diese gefunden, weckt man sie in den entsprechenden Phasen und befragt sie nach ihren Träumen: 95 Prozent der aus der REM Phase Geweckten können von Träumen berichten. In der Tiefschlafphase sind es immerhin 60 Prozent. Konfrontiert man die Schlafenden mit externen Reizen, wie Wasser auf der Hand, wird diese Erfahrung häufig in den Traum eingebaut.

Wie unterscheidet sich aber nun das Aktivitätsmuster desselben Gedankens in zwei unterschiedlichen Bewusstseinszuständen: Wach und Traum?

Dazu brauchen die Schlafforscher um den Gast Dr. Michael Czisch Probanden, die nicht nur die oben genannten Eigenschaften erfüllen sondern darüber hinaus auch noch klar träumen können. Luzide Träume sind ein großartiges Mittel, seinem Bewusstsein auf die Spur zu kommen: Man schätzt, dass ca. 50 Prozent der Menschen schon einmal einen Traum hatte, bei dem sie sich darüber bewusst waren, dass sie eigentlich gerade im Bett liegen und nun die Regie über ihren Traum übernehmen können. Meistens fliegen sie dabei über ihre Stadt.

Die Probanden geben ein mit dem EEG detektierbares Zeichen (wie nach rechts und links schauen), wenn sie träumen und führen ein vereinbartes Verhalten aus (einen Ball greifen, z. B.). Das fMRT macht Bilder. Dann führt die Person dasselbe Verhalten noch einmal im Wachzustand aus. Die Aktivitätsmuster im sensorimotorischen Kortex seien wohl sehr ähnlich, obwohl sich der Proband ja gar nicht bewegt hat. Ähnlich sehen die Aktivitätsmuster aus, wenn sich der Proband die Aktion nur vorstellt. Faszinierend ist hierbei wohl vor allem der „heiße Draht“ zwischen zwei Bewusstseinswelten.

Warum und wozu träumen wir?

Zu guter Letzt stand noch eine schwerfällige Frage im Raum: „Warum träumen wir“? Bei der Suche nach Antworten drängt sich immer der berühmte Psychiater mit den verdrängten niederen Trieben auf: Dr. Sigmund Freud. Helfen uns Träume mit unserem Unterbewusstsein zu kommunizieren? Helfen sie uns dabei, Ängste zu verarbeiten?

Die Podiumsgäste sind sich in der Frage nicht einig. Während Prof. Dr. John-Dylan Haynes die Meinung vertritt, dass wir, während wir träumen, den Bühnenumbauern sozusagen bei der Arbeit zusehen dürfen, ihre Arbeit aber nicht interpretieren sollten, sieht Dr. Michael Schredl auch eine therapeutische Funktion im Träumen. Wenn wir träumen, probieren wir neue kreative Ansätze aus, die uns bei der Problemlösung im Wachzustand hilfreich sein könnten.

Die Wissenschaft scheint in dieser Frage äußerst gespalten und uneinig zu sein. Das liegt wohl auch an der Schwierigkeit, die bestehenden Hypothesen zu überprüfen. Ich hatte jedenfalls wieder keinen Klartraum, hoffe aber, dass ich mit den Tipps von Thomas Metzinger aus seinem Buch „Der Egotunnel“ bald welche habe!

Adriana Schatton