KEVELAER. (hpd) „Heraus zum 1. Mai!“, diesen Aufruf kennt sicher jeder in Deutschland und verbindet diese Losung und das Datum mit dem Kampf der Gewerkschaften für mehr soziale Gerechtigkeit. Nicht umsonst ist dieser Feiertag auch als der „Tag der Arbeit“ bekannt. In Katholischen Zentren ist es auch Tag der Arbeit, aber einer anderen Art, zudem ohne sonstige Sondergenehmigung. Thomas Häntsch hat es sich einmal angeschaut.
Der Feiertag wurde zum ersten Mal 1919 in der Weimarer Republik begangen, gesetzlicher Feiertag auf Dauer wurde er ab 1933 unter den Nazis, die ihn für ihre ganz speziellen Zwecke nutzten und, wie sich später herausstellte, gezielt missbrauchten. In der DDR feierte man den 1. Mai als Kampftag der internationalen Arbeiterklasse, die nach scheinkommunistischer Leseart die herrschende Klasse im ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden war. Wer in diesem Land herrschte ist heute kein Geheimnis mehr, die Arbeiter und Angestellten in den Betrieben waren es nicht.
Doch auch im System des real existierenden Kapitalismus gibt es genug Gründe, den ersten Mai als eine Art Kampftag zu begehen.
Aus diesem Grund zeigen die Gewerkschaften auch 2013 wieder Flagge, halten Kundgebungen in vielen Städten Nordrhein – Westfalens ab und haben zu Demonstrationen für mehr soziale Gerechtigkeit aufgerufen. Die Palette der Veranstaltungen ist weit gefächert, viele Prominente werden zum Beispiel an verschiedenen Plätzen in Dortmund als Redner auftreten, darunter auch der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück und der Theologe, Psychoanalytiker und Schriftsteller Eugen Drewermann.
Statt „Tag der Arbeit“ steht heute „Maifeiertag“ in den Kalendern, denn es geht nicht mehr nur um das Soziale allein. Seit vielen Jahren werden die Maikundgebungen auch zum Protest gegen das Erstarken rechter Kräfte in der Gesellschaft genutzt, das führt jedes Jahr zum Aufeinandertreffen autonomer Gruppen vom rechten und linken Rand und endet viel zu oft in offener Gewalt, wie sie auch am 1. Mai 2013 in Dortmund zu beobachten war.
Wenn Eugen Drewermann in Dortmund redet, dann spricht ein Mann, der als Kirchenkritiker bekannt ist und zu denen gehört, die wissen, wie die Kirche agiert und er weiß auch von einer völlig anderen Bedeutung des 1. Mai.
In den katholisch geprägten Gegenden, wie dem Niederrhein, wird der 1. Mai als der Beginn des Marienmonats gefeiert. Aus diesem Grund wurde am 1.5. 2013 in Kevelaer um 10:00 Uhr die Wallfahrtssaison eröffnet. Weihbischof Zehkorn, einst selbst Wallfahrtsdirektor in Kevelaer, schlug, beobachtet von einer großen Anzahl Katholiken, drei Mal mit einem Hammer gegen das Portal der Basilika, das Tor öffnete sich, es wurden Gebete gesprochen, die Wallfahrt war eröffnet. Das allein ist eine rein religiöse Handlung, die Wallfahrer sind gläubige Christen, denen wie jedem Menschen das Recht auf freie Meinung und Ausübung von Religion zusteht. Alles völlig uninteressant? Ja, wären da nicht die engen Verbindungen, die mit der Rolle der Kirche und ihrer Verknüpfung mit dem Staat zu tun haben.
Mit der Eröffnung der Wallfahrt beginnt auch das große Geschäft für die zahlreichen Läden, die an der Pilgerstrecke liegen und nicht nur Brötchen, Getränke oder Rosenkränze anbieten.
Die meisten Geschäfte an der Hauptstraße in Kevelaer, auf der alle Pilgergruppen zur Gnadenkapelle in Kevelaer gehen, haben fast jeden Sonntag geöffnet – übrigens auch am 1. Mai und anderen gesetzlichen Feiertagen.
Was viele der Geschäfte anbieten, geht allerdings über den Bedarf eines Pilgers weit hinaus, der im Prinzip nur mit Speisen, Getränken und den für den Katholiken unverzichtbaren Devotionalien versorgt werden müsste. Die Pilgerstrecke aber ist gesäumt von Geschäften international bekannter Marken wie die von „s.Oliver“, „CECIL“, „Madonna“, „Bonita“ oder „MEXX“, Parfümerien und Lederwarenspezialisten runden das Bild ab. All das hat nichts mit Marienverehrung zu tun und es ist zudem eine Wettbewerbsverzerrung, eine Benachteiligung von Händlern in anderen – ganz normalen Kommunen, die über keinen Kirchenbonus verfügen.
Dass dem so ist, verdanken wir übrigens nicht zuletzt den Kirchen. Die katholische Fraktion des Christentums steht mit dieser Forderung im seltenen Einklang mit der evangelischen Kirche, die ja just am 1. Mai den Kirchentag begonnen hat und auch die Forderung nach Wahrung der Sonntagsruhe wieder auf's Tablett bringen wird. Kevelaer hat in Bezug auf die Ladenöffnungszeiten ganz eigene Gesetze, die fast denen in anderen europäischen Ländern entsprechen, in denen sich Geschäftsleute nicht vorschreiben lassen, wann sie ihre Läden öffnen und wann nicht.
In Kevelaer sitzen die Vertreter von Kirche und Geschäftswelt in Ausschüssen und Räten zusammen, um sich gegenseitig zu fördern. Der Klüngel ist perfekt! So gibt es einen Zusammenschluss von Oneline Media, der Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft der Stadt Kevelaer, der Stadt und natürlich der Wallfahrtsleitung. Zur Zeit wird ein Code entwickelt, der von Smart-Phones gelesen werden kann und Informationen zu einzelnen Objekten speichert, sowie auf Rabattaktionen oder sonstige Angebote aufmerksam macht – das Shoppen an Sonntagen meist eingeschlossen, während außerhalb der Innenstadt sogar das Autowaschen an Tankstellen verboten ist. Man wird sich scheinbar immer einig in Kevelaer oder wie mancher Schelm zu sagen pflegt, in „Weihrauch-City“.
Außerhalb des religiös-kommerziellen Zentrums herrschen leider fast biblische Verhältnisse. Nur unter großen Mühen haben Handel und Land ein paar Sonntage ausgehandelt, an denen es erlaubt ist, die Ladentüren aufzuschließen. Das Ganze nennt sich Verkaufsoffener Sonntag und ist nicht mehr als ein Almosen für die Geschäfte in den Kommunen.
Diese Wettbewerbsverzerrende Diskrepanz ist zum großen Teil der/ den Kirchen geschuldet, die wie immer öffentlich Wasser predigen, aber heimlich – in Kevelaer ganz offen – Wein trinken. Der Staat schaut zu oder beteiligt sich an diesen Machenschaften. Jeder ist sich eben selbst der Nächste.
Thomas Häntsch