WIEN. (hpd) Widerstand gegen die (katholische) Kirche kommt in Österreich nicht nur von Religionskritikern und kritischen Kirchenmitgliedern. Am schärfsten ist der Gegenwind von der esoterischen Seite. Dort möchten einige einen Volksaufstand gegen die Kirchenhierarche herbeireden. Mit skurrilen Argumenten. Ein Gedächtnisprotokoll.
Ein lauer Frühlingsabend im Schanigarten eines Wiener Kaffeehauses in Ottakring. Es nähert sich ein Bekannter. „Kann es sein, dass ich dich im Fernsehen gesehen hab, mit dem Volksbegehren?“ Breites, freundliches Lächeln. „Ich hab meiner Freundin gesagt, den kenn ich doch.“
Eitelkeit ist mir nicht fremd. Die Wahrheit nur wenig biegend, sage ich stolz: „Ja“. (Zu den Initiatoren des Volksgehrens gegen Kirchenprivilegien gehörte ich ja nicht. Allerdings lieferte das von mir und Carsten Frerk geschriebene Buch: „Gottes Werk und unser Beitrag etliche Impulse für seine Kampagne und wurde des öfteren in einem Atemzug mit dem Volksbegehren erwähnt.)
Der Bekannte hat mir Wichtiges mitzuteilen. Dem Freund, der neben mir sitzt, auch. Ein Punkt, sagt er, sei ganz wichtig. Den müsse man vermitteln. Das werde „das Volk“ zum Widerstand gegen die Kirche aufreizen – so die Zusammenfassung des minutenlangen Monologs mit aufgeregter Stimme. Der Bekannte hat offenbar etwas zu sagen. Er hat seine Berufung gefunden.
Es beginnt eine halbstündige Predigt, angetrieben vom Feuer der eigenen Erkenntnis. Unterbrochen wird der Monolog von vereinzelten Fragen und verzweifelten, nicht einmal ignorierten, Versuchen, die Sache etwas abzukürzen.
„Die Kirche lügt die Menschen an. Die schickt die Leute immer zum Anbeten des Kreuzes und verschweigt ihnen dabei, dass sie dem diabolischen Prinzip huldigen. Sie huldigen nämlich dem Guten und zugleich dem Bösen. Das ist bei der Kirche so. Das war in ihrer ganzen Geschichte so. Da hat es ja diese spirituellen Menschen gegeben, die viel Gutes getan haben, die hat es immer gegeben. Und gleichzeitig hat die Kirche so viel Böses angerichtet, sie hat so viele Leute umbringen lassen und Kriege geführt. Das ist das diabolische Prinzip. Das wird schon dadurch deutlich, dass die Leute dem Kreuz huldigen.
Wisst Ihr, warum der Papst unfehlbar ist? Das ist ganz einfach. Weil die Kirche ja dem diabolischen Prinzip huldigt. Damit dient sie sowohl dem Guten und dem Schlechten und da ist es ja ganz klar, dass der Papst dann unfehlbar ist, wenn er beide Teile des menschlichen Wesens bedient.
Bei des Moslems ist es ja das Gleiche. Wenn sie um die Kaaba gehen, glauben sie, dass sie ihrem Gott huldigen. Sie wissen aber nicht, dass sie dem Materiellen huldigen. Die werden betrogen. Das ist genau das gleiche wie beim Kreuz. Das ist ja das gleiche Symbol. Weil, wenn man so einen Würfel auseinanderklappt, was kriegt man dann? Dann kriegt man ein Kreuz. Da kommt ein Kreuz heraus, wenn man die Kaaba auseinanderklappt. Darum ist das ja das gleiche, das weiß ja niemand. Beides steht für das materielle Prinzip und das ist das Diabolische.
Ein Kreuz ohne irgendwas drauf, das geht ja noch. Das steht für das materielle Prinzip, für die Materie. Was aber wirklich pervers ist, wenn sie den Jesus (stets in englischer Aussprache, Anm.) drannageln. Der steht ja für die reine Liebe, der steht für das Spirituelle, das Geistige. Da wird also die reine Liebe an die Materie genagelt. Das geht nicht, das ist ja Betrug an den Menschen. Und ja, der Jesus, der steht für die Liebe. Man sollte den Menschen vorschlagen, dass sie dem Jesus das Gesicht vom Sohn oder von der Tochter zum Beispiel geben, die bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Wie würde es denen gehen, wenn sie dann das Kreuz anschauen müssten, und dann sehen sie immer den geliebten Menschen? Das würde ja keiner aushalten.
Wisst Ihr, warum wir die zwei Seiten haben? Das ist ja ganz klar: Unser Planet hat immer nur zur Hälfte Licht. Da ist immer Tag und Nacht, das ist Licht und Schatten. Und wie das oben ist, so ist das unten. Darum gibt es bei uns auch das Geistige und das Materielle, Gut und Böse. Auf anderen Planeten ist immer nur Licht, wie das auch beim Christus war, beim Jesus. Das ist ja der Gegensatz zum Eckigen, zum Materiellen, das ist das Licht. Das sieht man schon an dem, was Plato von der Höhle erzählt hat. Das haben schon die alten Griechen gewusst.“
Es folgt ein mehrminütiger Ausflug in Sphären höherer Erkenntnis. Den Beobachtern fällt die Teilhabe aus Mangel an Eingeweihtheit naturgemäß schwer, entsprechend diffus fällt die Erinnerung aus. Nur, dass Sokrates in diesem Zusammenhang erwähnt wird, ist erinnerlich.
„Das sind Lichtgestalten, die von diesen anderen Planeten kommen. Die haben diese materielle Seite nicht, dieses Diabolische. Und darum sollen wir uns bemühen. Dafür steht auch der Jesus. Wie kann man den nur ans Kreuz nageln, das ja für die Materie steht, für das Böse in uns?“
Wenn man das den Leuten klarmachen kann, was sie da über 2.000 Jahre lang gemacht haben, dass die Kirche sie betrogen hat, dass sie das diabolische Prinzip angebetet haben, dann steht das Volk auf gegen die Kirche. Das weiß ja niemand, das verschweigt man den Leuten. Dann gibt es keine Kirche mehr. Darum finde ich Eure Initiative so super, aber das muss man dem Volk eben auch sagen. Das ist wichtig, und dann gibt es keine Kirche mehr. Das wollt ich Euch nur sagen“.
Der Monolog ist stark verkürzt aber möglichst originalgetreu wiedergegeben.
Christoph Baumgarten
Mitarbeit: Frank Böckle