Bloße Taktik, kein Prinzip

Ein Linker kann aber vor allem deshalb kaum objektiver Antirassist sein, weil er nur das als Rassismus erkennt, was er in einen Wirkzusammenhang mit dem Kapitalismus setzen kann. Aber ist dem wirklich so?

Die Besitzer der Walmart-Kette gelten als konservativ. Familie Walton legt Wert darauf, dass ihre Angestellten keine Beziehungen am Arbeitsplatz eingehen. Außerdem spendet sie große Summen an die Republikanische Partei. Gleichzeitig aber betreiben die Waltons Lobby-Arbeit für eine moderatere Einwanderungspolitik. Die ultrakapitalistische Walmart-Kette setzt auf Niedriglohn-Arbeiter. Und solche sind die Latinos, die in die USA drängen, zumeist. Selbst dann wenn ein Mexikaner nicht direkt bei Walmart arbeitet, hilft er dem Konzern. Denn eine Schwemme von Niedriglöhnern drückt auch die Gehälter der weißen Mehrheitsbevölkerung. Aus genau diesem Grund positionieren sich die amerikanischen Gewerkschaften, die traditionell der Demokratischen Partei nahestehen, gegen eine ungezügelte Einwanderungspolitik. Welche dieser Positionen ist rechts, welche links? Ist es rassistisch, Latinos nicht im Land haben zu wollen, oder in ihnen nur Lohnsklaven zu sehen?

Dieses Beispiel illustriert wohl am besten, warum politische Studien in schöner Regelmäßigkeit demonstrieren, dass das größte Wählerpotential für eine neue rechte Partei eben nicht in der CDU, sondern in der Linkspartei zu verorten ist.

Natürlich weiß auch ein verblendeter Linker, dass der Islam nicht friedlich ist – als militärischer Bündnispartner gegen den Westen wäre er damit ja nutzlos. Großen Dank sollte er für seine Haltung jedoch nicht erwarten. Im Iran stürzten Islamisten und Linke vereint den diktatorisch herrschenden Schah. Doch als die Ayatollahs ihre Macht gefestigt hatten, verschwanden die iranischen Kommunisten in den Folterknästen des Regimes.

Dennoch: Oft genug üben Linke Kritik am Islam. In den entsprechenden Publikationen finden sich scharfe Anklagen gegen den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan. Sein Islamisierungskurs wird verurteilt. Doch ist dies glaubwürdig? Immerhin halten sich die gleichen Blätter zurück, wenn es darum geht, seinen Islamisierungskurs in Deutschland anzuprangern. Der Grund für das angespannte Verhältnis ist ein anderer: Erdogan hält der NATO die Treue und geht energisch gegen die PKK vor. (Ob der jetzige Friedensprozess von Erfolg gekrönt sein wird, lässt sich erst in einigen Jahren abschätzen.) Darum also sucht man nach Dreck, mit dem man Erdogan bewerfen kann. Echte Islamkritik sieht anders aus.

Hier sollte gelten, was auch sonst im Leben gilt: Ganz oder garnicht!

Lukas Mihr