Fragebogen Kirchensteuerstelle Berlin

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Fotografie: Groschopp Redaktionsbüro

BERLIN. (hpd) Viele Menschen, die aus einem anderen deutschen Bundesland nach Berlin umsiedeln und nicht Mitglied einer Kirche sind, sehen sich dort nach einiger Zeit einem in Deutschland einzigartigen bürokratischen Verfahren, einer Falle ausgesetzt. Der Erfahrungsbericht eines Betroffenen und was zu tun ist.

Eine kirchliche Einrichtung, die so tut, als sei sie eine Abteilung des staatlichen Finanzamtes sei, wird aktiv und ein geharnischt’ Formular der Kirchensteuerstelle lässt den Neuberliner wissen, es gebe Unklarheiten hinsichtlich der Kirchenzugehörigkeit, man möge doch bitte den beigefügten Fragebogen ausfüllen. Das sollte man aber tunlichst nicht tun.

Der Fragebogen, dessen Layout sofort Erinnerungen an die Korrespondenz der GEZ selig wachruft, fragt ausführlich nach Taufe, Kirchenmitgliedschaft, Über- und Austritten.

Für die meisten Empfänger dürfte das Schreiben überraschend kommen, wähnten sie doch ihren kirchensteuerlichen Status geklärt, zumal das Finanzamt im früheren Wohnort diesen registriert und auf selbiger Grundlage mitunter jahrzehntelang Steuerbescheide erlassen hat.

Wer nun jedoch kopfschüttelnd und über die typisch deutsche Bürokratie seufzend den Fragebogen ausfüllt und in der Hoffnung, nun Ruhe zu haben, zurückschickt, hat damit oft einen teuren Fehler gemacht. Wenn man nämlich angibt, irgendwann getauft und später aus der Kirche wieder ausgetreten zu sein, kommt schon bald das nächste Schreiben der Kirchensteuerstelle, mit dem man um den Nachweis des Kirchenaustritts gebeten wird. Kann dieser Nachweis dann nicht erbracht werden, wird die Kirchensteuer fällig – von der Anmeldung in Berlin bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man erneut austritt.

Als Nachweis wird in aller Regel einzig die Bestätigung des Amtsgerichts über den erfolgten Kirchenaustritt akzeptiert. Wer dieses Papier nicht vorweisen kann, hat verloren. Und das sind viele, ist es doch naheliegend, dem unscheinbaren Zettel, nachdem das Finanzamt den Abfall vom Glauben mit geänderten steuerlichen Status zur Kenntnis genommen hat, nicht mehr die gebührende Sorgfalt zukommen zu lassen. Liegt der Kirchenaustritt weniger als zehn Jahre zurück, hat man evtl. noch die Möglichkeit, sich ein Duplikat der Bescheinigung vom seinerzeitigen Gericht ausfertigen zu lassen, danach werden die Unterlagen in aller Regel vernichtet.

Das Verfahren wird in dieser perfiden Form nur in Berlin durchgeführt. Ursprünglich wollte man damit wohl vor allem ehemalige DDR-Bürger treffen, deren Kirchenaustritte teilweise nachlässig dokumentiert waren. Schon am 12. September 1991 gab es deshalb im Berliner Senat eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Albert Eckert (Bündnis 90/Grüne), die vom damaligen Senat “abgebügelt“ wurde. Am Verfahren änderte sich nichts, außer, dass neben den Ex-DDRlern nun auch zugezogene Westdeutsche zunehmend Gegenstand des Interesses der Kirchensteuerstellen wurden.

In der Presse wurde immer mal wieder darüber berichtet, 2006 wurde beim OVG Berlin ein Prozess zuungunsten einer Klägerin aus der ehemaligen DDR entschieden, die ihren Kirchenaustritt nicht hinreichend nachweisen konnte. (Auch hpd berichtete 2009.) Zuletzt gab es 2010 eine Stellungsnahme des Berliner Datenschutzbeauftragten, der auch keine grundsätzlichen Einwände in der Sache erhob

Nach alledem ist nicht zu erwarten, dass die Kirchensteuerstellen ihre Praxis ändern. Damit stellt sich die Frage, wie man sich am vernünftigsten verhält, wobei ich mit vernünftig am wenigsten die Brieftasche belastend meine.

Bewusst gestellte Falle

Nach meinen Erfahrungen und Einschätzung der Situation handelt es sich bei diesem Vorgehen der Kirchensteuerstelle um eine gezielt für den oben skizzierten Personenkreis, also aus der Kirche ausgetretene, die den Nachweis dafür nicht erbringen können, eingerichtete Falle. Wer einmal „zugegeben“ hat, getauft worden zu sein, muss auch nachweisen, wieder ausgetreten zu sein. Wer nicht, der nicht.

Es ist andererseits aber auch nicht anzunehmen, dass die Berliner Kirchensteuerstellen auf Bergen alter Taufbücher sitzen. Der aggressiv gestylte Fragebogen dient natürlich der Einschüchterung, ist aber ein Bluff: Niemand ist gezwungen, ihn auszufüllen. Einen Hinweis auf eine solche Verpflichtung findet sich in den Schreiben der Kirchensteuerstelle wohlweislich nicht. Es ist vielmehr ausreichend, eine wahrheitsgemäße Erklärung über die Kirchenmitgliedschaft abzugeben.

In meinem Fall erfolgte dann vier Monate nichts. Dann kam ein 1 1/2-seitiges Schreiben der zentralen Berliner Kirchensteuerstelle mit weitschweifigen Ausführungen, das dann zum Schluss auf den Punkt kam: „Bei einem Wechsel des Finanzamtes, z.B. durch Umzug in ein anderes Bundesland, werden nicht die kompletten Steuerakten übergeben, sondern nur die sogenannten Grundinformationen. Dazu zählen nicht die Informationen zur Kirchenmitgliedschaft“.

Ein Anruf bei meinem alten Finanzamt ergab, dass dies, wie oben beschrieben, schlicht gelogen war. Ich habe dann zurück geschrieben, dass dies meiner Kenntnis nach nicht zutreffend sei, da in diesem Fall ja jeder in Berlin Zugezogene, also auch die Christen, den Fragebogen bekommen müssten, und dies sei bekanntlich nicht der Fall. Ich verwies nochmals auf meine wahrheitsgemäße Auskunft und stellte anheim, den entsprechenden Nachweis zu erbringen, falls man gegenteilige Kenntnis habe.

Danach war Ruhe, mein Steuerbescheid erging „konfessionslos“.

Fazit

Vorsicht vor dem Fragebogen der Berliner Kirchensteuerstelle - kann u. U. teuer werden. Nicht ausfüllen, insbesondere keine Angaben zur Taufe machen. Wahrheitsgemäße Angaben zur Kirchenmitgliedschaft reichen aus.

T.L.