POLEN. (hpd) Bemerkenswertes in Polen aus säkularer Sicht (Mai 2013). Hass im Internet gegen die polnische Kirche, eine Gesetzesänderung der Bestrafung von Vergewaltigern, die Übertragung von Krankheiten bei der Kommunion sowie Hello Kitty betrachtet als Teufelszeug.
Hass gegen polnische Kirche im Internet extrem?
Die klerikale Internetseite Gosc.pl beschwerte sich Mitte Mai in einem Beitrag über den vielen Hass, der im polnischen Internet über die Katholische Kirche gestreut wird. Diese Meinung drückte ein Redakteur des Portals (das auch ein beliebtes klerikales Wochenmagazin veröffentlicht) in einer Debatte im Rahmen des Forschungsprojektes „Free Speech Debate“ aus, die sich mit der Meinungsfreiheit im Internet beschäftig. Die Debatte fand Mitte Mai in Warschau statt und war unter anderem mit dem Minister für Öffentliche Verwaltung und Digitalisierung Michal Boni und Prof. Timothy Garton Ash aus Oxford prominent besetzt.
Andrzej Grajewski von Gosc.pl monierte während der Debatte die Darstellung der Katholischen Kirche auf polnischsprachigen Internetseiten. Demnach werde die Kirche fast ausschließlich negativ dargestellt – berichtet werde hauptsächlich über die repressive Kirche, perverse oder pädophile Priester und fanatische oder verrückte Gläubige. Im Gegensatz dazu werde auf katholischen Internetseiten in Polen das volle Meinungsspektrum präsentiert, allerdings ohne die Härte in der Auseinandersetzung.
Prof. Ash unterstrich jedoch zu Beginn der Debatte, dass Polen in Bezug auf die Meinungsfreiheit im Netz sehr gut bewertet werde. In der Rangliste für Pressefreiheit ist das Land 2013 auf Platz 22, somit ist es nicht weit von Deutschland (Platz 17) entfernt. Darüber hinaus hat sich seit der Einführung der Rangliste viel getan – Polen wurde damals auf Rang 32 eingeordnet. (Quelle 1), (Quelle 2) und (Quelle 3). (Alle Polnisch)
Vergewaltigung bald von Amts wegen verfolgt
Wird in Polen eine Frau vergewaltigt, reicht ein Hinweis an die Polizei nicht aus, um den Fall zur Verfolgung zu bringen. Das Opfer selbst muss das Vergehen anzeigen. Das soll sich in Zukunft ändern – das polnische Parlament, der Sejm, verabschiedete Mitte Mai eine Gesetzesnovelle des Strafrechts, die unter anderem Sexualstraftaten wie Vergewaltigung neu regelt. Die Novelle ist ein Gemeinschaftsprojekt von Parlamentariern der regierenden rechtliberalen Bürgerplattform und der rechtsklerikalen Oppositionspartei Solidarisches Polen; es wurde einstimmig (eine Enthaltung) vom Sejm verabschiedet.
Demnach sollen Fälle von Vergewaltigung von Amts wegen verfolgt werden; was bedeutet, dass dann nur noch ein Hinweis an die Polizei ausreichen soll, um die Strafverfolgung auszulösen. Somit wird es für Täter schwerer, sich durch Einschüchterung von Opfern der Polizei und den Gerichten zu entziehen. Eine weitere Änderung sieht vor, dass Vergewaltigungsopfer nur noch ein Mal bei der Polizei aussagen müssen. Die Aussage wird dann aufgezeichnet und kann vor Gericht verwertet werden. Nur in Ausnahmefällen muss das Opfer dann vor Gericht aussagen und das kann durch eine Videokonferenz durchgeführt werden. Somit wird der Verfahrensstress für das Opfer erheblich gemildert.
Die Gesetzesnovelle muss noch durch den Senat und letztendlich durch den Präsidenten unterschrieben werden. Dieses erscheint jedoch nur noch als Formsache, da hierbei ein breiter politischer Konsens und keine gesellschaftliche Kritik besteht. (Quelle 1) (Deutsch) und (Quelle 2) (Polnisch).
Priester potentielle Überträger von ansteckenden Krankheiten?
Das Wochenmagazin Wprost berichtete Mitte Mai über eine geplante Gesetzesinitiative der linksliberalen Palikot-Bewegung (RP), die sich auf die sonntags in Kirchen erteilte Kommunion richtet. Dem vorausgegangen ist ein Brief an den Gesundheitsminister Bartosz Arlukowicz, den einige RP-Abgeordnete, darunter der Vorsitzende der Partei Janusz Palikot, verfassten.
Konkret geht es um die Sorge der Palikot Bewegung, dass während der Kommunion Krankheiten vom Priester auf die Gläubigen übertragen werden könnten. Daher sollte dieser eine gesundheitliche Bescheinigung vorweisen, wie sie üblich ist für Personal, das Umgang mit Lebensmitteln hat. Fälle der Übertragung von Krankheiten seien nicht dokumentiert, antwortete das Ministerium.
Der Sprecher der polnischen Bischofskonferenz Jozef Kloch zeigte sich entrüstet von den Vorwürfen und wolle sich „nicht auf dieses Niveau begeben“.
Mitglieder der Palikot-Bewegung hingegen sehen in ihrer Anfrage keinen Antiklerikalismus, sondern sind nach eigenen Aussagen um Standards bemüht, die eingehalten werden sollten. Da der Verzehr im Restaurant auch spezifisch geregelt ist, sollte auch geregelt sein, wer wie Hostien produziert und wie sie ausgeteilt werden. Leszek Miller, Chef des Bundes der Demokratischen Linken (SLD), hält hingegen die Angelegenheit in Anbetracht vieler Probleme im Land für wenig problematisch. Eine gute Lösung sei, wenn der Priester dem Gläubigen die Hostie zuerst in die Hand legt und der sich diese danach selbst in den Mund legt. (Quelle 1), (Quelle 2) und (Quelle 3). (Alle Polnisch)
Hello Kitty Teufelszeug?
Die Kirche möchte als Organisation das Seelenheil des Menschen retten und ihn für Gottes Liebe öffnen, das sind zumindest zwei deklarierte Ziele der Institution. Und Gefahren können überall lauern, zumindest wenn es nach einigen Priestern geht.
Anfang Mai berichtete die rechtsliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza über einen sehr weitgehenden Fall von Fürsorge eines katholischen Priesters aus Danzig gegenüber seiner Gemeinde. Der Priester hält insbesondere Hello Kitty für sehr gefährlich; laut Gazeta Wyborcza soll er bei einer Messe für Kinder gesagt haben: „Wer Sachen mit dem Abbild von Hello Kitty kauft, gibt sein Kind in die Hände von Dämonen.“ Auch sei das unter Kindern beliebte Bild Ausdruck von Okkultismus sowie schwarzer Magie und erwecke in ihnen sexuelle Gefühle.
Wie kommt der Geistliche zu dieser Einschätzung? Nach der Messe wurde Informationsmaterial verteilt, das die Aussagen des Priesters untermauern sollte. Darin ist zu lesen, dass die Figur aus einem Pakt mit dem Teufel heraus entstanden ist und der richtige Name eigentlich „Hell o Kitty“ lautet. Diese Theorie soll durch die Satireinternetseite www.scaryforkids.com veröffentlicht worden sein – was dem Priester jedoch nicht bewusst war.
Der Priester aus Danzig hält unter anderem noch Pokémon, Barbie sowie Harry Potter für sehr gefährlich für das Wohl der Kinder. In einem Interview mit der Gazeta Wyborcza konnte der Geistliche keine genauen Quellenangaben für seine Theorie über Hello Kitty angeben; er bekräftigte aber weiter seine Meinung, gab jedoch auch zu, dass seine Aktion möglicherweise nicht ganz durchdacht war.
Während dessen haben polnische Kommentatoren und Medien mit Empörung reagiert. Die Kirche entrücke sich demnach immer weiter aus der Realität des durchschnittlichen Menschen. Auch setzte der Priester aus Danzig die Kirche der Belustigung aus. (Quelle 1), (Quelle 2) und (Quelle 3). (Alle Polnisch)
Lukas Plewnia