BRÜSSEL. (hpd/ehf/dfw) Der Rat der Außenminister der EU hat jetzt Richtlinien für den Schutz Religions- und Weltanschauungsfreihit verabschiedet – für Drittländer. Das wird von säkularen Organisationen einhellig begrüßt, begleitet von der Frage, wie es denn damit in den Mitgliedsstaaten der EU selber aussieht. Da bestehe Handlungsbedarf.
Mitte Juni äußerte die Europäische Humanistische Föderation (EHF) noch „gemischte Gefühle“ gegenüber dem Vorschlag des Europäischen Parlaments weil dort u. a. die Kinderrechte zu wenig beachtet worden seien, da religiösen Eltern ein Erziehungsrecht zugebilligt werden sollte, das staatlich-allgemeine Reglungen nicht zu beachten brauchte und ihnen das Recht eingeräumt hätte, Wissenschaftsbasierte Bildung, Sport und Sexualkunde für ihre Kinder abzulehnen.
Dieser Entwurf fand im Europäischen Parlament jedoch die Mehrheit (372:213:26), wobei das Abstimmungsverhalten der deutschen MdEPs eindeutig war: CDU und Linke stimmten dafür, SPD und GRÜNE dagegen, FDP unterschiedlich.
Am 24. Juni hat nun der Rat der Außenminister der EU in Luxemburg die „EU-Richtlinien über die Förderung und den Schutz der Freiheit der Religion oder der Weltanschauung“ angenommen. Während die EU selber eine Unparteilichkeit gegenüber Religionen und Weltanschauungen praktiziert, zielen diese Leitlinien nun auf die auswärtige Politik der EU-Staaten und auf die Unterstützung der Freiheit von Religion und Weltanschauung in Drittländern, um diese Rechte im Ausland in eine kohärente und effektive Art und Weise zu fördern.
Die EHF begrüßt diese Richtlinie ausdrücklich. Dazu meinte Pierre Galand, der Präsident der EHF: „Die Europäische Humanistische Föderation (EHF) ist erfreut zu sehen, dass der Rat den ausgewogenen Ansatz des Europäischen Auswärtigen Dienstes angenommen hat. Die Rechte von Menschen mit nicht-religiösen und atheistischen Überzeugungen gleichermaßen von der EU geschützt wird, wie das Recht geschützt wird, seine Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung zu ändern oder aufzugeben. Die EU wird auch gegen jede religiöse Rechtfertigung für Beschränkungen anderer Grundrechte und die Gewalt gegen Frauen, Kinder, Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität opponieren. Auf mit dem Recht auf Gewissensentscheidungen ist die EHF zufrieden, da die EU es auf den Wehrdienst beschränkte und nicht in Gesundheitsfragen wie Abtreibung oder Empfängnisverhütung ausgeweitet hat.“
Religionsfreiheit des Individuums
In Bezug auf die freie Meinungsäußerung, bekräftigte die EU einerseits das Recht eine Religion oder Weltanschauung zu kritisieren oder zu verspotten andererseits plädiert sie für die Förderung der gegenseitigen Achtung und Toleranz. Die EU verpflichtete sich damit, die Rechte des Einzelnen zu schützen und nicht die Religion oder Weltanschauung als solcher. Dies hat zur Folgerung, dass die EU ausdrücklich die Entkriminalisierung der Strafandrohung wegen Gotteslästerung in Drittländern empfiehlt.
Religionsfreiheit in Drittländern verteidigen und zu Hause?
Allerdings bedauert der EHF, dass die EU diese Grundsätze nicht auch innerhalb ihrer eigenen Grenzen empfehle. Blasphemie-Gesetze bestehen immer noch in einer Minderheit der EU-Mitgliedstaaten und die „religiöse Beleidigung“ ist immer noch in einer großen Zahl von Mitgliedsstaaten eine Straftat. Die EHF fordert daher die EU auf, eine kohärente Position hinsichtlich der Frage einer Gotteslästerung zu erlassen und die Mitgliedstaaten zu ermutigen Blasphemie-Gesetze abzuschaffen, wie es von der Parlamentarischen Versammlung des Europarats bereits empfohlen wurde.
Religiöse Diskriminierung auch in Deutschland beenden
Die Präsidentin des Dachverbands Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW), Renate Bauer, forderte die Bundesregierung auf, diese Richtlinien konsequent ihrer internationalen Politik zugrunde zu legen: „Wir fordern sie in diesem Zusammenhang auf, Menschen, die aufgrund religiös-weltanschaulicher Kritik verfolgt werden, Asyl zu gewähren und sich auch in deren Heimatland für deren Rechte einzusetzen, so etwa für die atheistischen Blogger in Bangladesh.“
Und: „Im Übrigen fordern wir, diese Richtlinien auch konsequent auf bestehende Gesetze der Bundesrepublik anzuwenden und deren Übereinstimmung mit diesen Richtlinien zu prüfen. Dies gilt z.B. für die Wahrung von Arbeitnehmerrechten bei Wechsel ihrer Religion bzw. bei Verlassen ihrer bisherigen Religionsgemeinschaft. Gegebenenfalls sind auch Vorschriften abzuschaffen, so sollte der sogenannte „Gotteslästerungsparagraph“ 166 STGB gestrichen werden.“
Dass die Kirchen mit der individuellen Religionsfreiheit nicht zufrieden sind, eine rechtliche Absicherung ihrer Korporationsrechte fordern und sich - wieder einmal - auch in Europa diskriminiert fühlen, das überrascht nicht.
C.F.