BERLIN. „Habemus Papam Germanico" mögen die einen fröhlich singen, die anderen wundert es und Kundige fragen sich, ob der Ratzinger Alois Joseph
jetzt auch - in einer Art Personalunion, wo „wir" doch auch Papst geworden sind - er nun auch im Gegenzug Bundespräsident von Deutschland geworden ist? Und da es bisher von Bundespräsident Köhler kein Postwertzeichen gegeben hat, dass nun das andere deutsche Staatsoberhaupt eingesprungen ist?
Oder, das wäre die einzige andere Möglichkeit, ob der Papst denn schon gestorben ist, und keiner hat es gemerkt?
Das „Haus der Briefmarke" meldete noch Anfang November 2005 „Keine deutsche Sondermarke für Benedikt XVI." Das sei für lebende Persönlichkeiten „seit Jahrzehnten nicht üblich, begründet das Finanzministerium seine Entscheidung."
Das war der Schnee vom vorletzten Jahr.
Wenn nun aber n-tv bereits am 14. März dieses Jahres meldete „Papst zum Lecken", dann weckt das durchaus richtige Assoziationen: Da es sich um eine Nassklebemarke handelt, ist es ein klassisches Angebot á la „Sie können mich mal im Arsch lecken" (Johann Wolfgang von Goethe). Eine Selbstklebeversion wäre doch irgendwie taktvoller gewesen oder hätte mehr Pietät besessen.
Ganz so überraschend ist das allerdings nicht gekommen, da die Bundesrepublik Deutschland und der Vatikan bereits im August 2005 gemeinsam eine Briefmarke zum Weltjugendtag herausgegeben haben. Auflage 19 Millionen Stück.
Nach dem Tod von Johannes Paul II. wurde umgehend eine Sonderbriefmarke veröffentlicht: Der Papst starb am 2. April 2005, am 15. April gab das Bundesfinanzministerium die Sonderbriefmarke bekannt, die am 12. Mai in den Verkauf ging. Der Hessische Rundfunk berichtete: „Die Initiative zu der philatelistischen Ehrung sei von der katholischen Kirche ausgegangen und von Finanzminister Eichel mit großer Sympathie aufgenommen worden, heißt es im Finanzministerium." Auflage: 30 Millionen, was deutlich über den üblichen Auflagen zwischen 7 bis 13 Millionen lag.
Abzüglich der in den Sammleralben verschwindenden Marken war das damals - sozusagen rein rechnerisch - für jeden deutschen Katholiken eine Briefmarke. (Allerdings hatte 2002 die Sonderbriefmarke „Freiwillige Feuerwehr" die gleiche Auflage von 30 Millionen.)
Wenn nun die Auflage für die jetzige Papst-Briefmarke nur noch im mittleren Bereich der üblichen Auflagen bei rund 10,4 Millionen Exemplaren liegt, dann spricht das dafür, dass Post und Bundesfinanzministerium zur Kenntnis genommen haben, dass sich die Zahl der gläubigen Katholiken in Deutschland nur noch - freundlich gerechnet - in dieser Größenordnung bewegt.
Allerdings wird der bisher eingehaltene Grundsatz, dass - mit Ausnahme der amtierenden Bundespräsidenten -, kein Lebender auf bundesdeutschen Briefmarken abgebildet wird, mit der Briefmarke des „deutschen Papstes" zum ersten Mal durchbrochen.
Bislang galt für die katholische Kirche – auch hinsichtlich der Päpste: „In der Bundesrepublik kommen lebende Personen dagegen nicht auf Briefmarken. Eine Ausnahme bilden nur die Bundespräsidenten. Trotzdem hatte Johannes Paul II. auch im Westen schon "seine" Briefmarke. Im April 1987 gab es zum zweiten Papstbesuch in Deutschland eine Sondermarke für den Gast aus Rom. Damals behalf man sich mit einem Kniff. Die 80-Pfennig-Marke zeigt das Gnadenbild der Mutter Gottes von Kevelaer, zu der der Papst pilgerte, und zeigte dazu das päpstliche Wappen. Der Schriftzug erwähnt dann den Papstbesuch. Dass es zum ersten Papstbesuch im November 1980 keine solche Marke gegeben hatte, lag am zu kurzen Vorlauf der Planung. Aber längst nicht jeder Papst bekam seit Bestehen der Bundesrepublik eine Briefmarke. Lediglich der am 3. Juni 1963 verstorbene Johannes XXIII., der populärste Papst des 20. Jahrhunderts, erfuhr am 2. Oktober 1969 eine solche Ehrung."
Wie entsteht die Entscheidung über die Motive?
Dazu die Deutsche Post AG: „Der zehnköpfige Programmbeirat setzt sich aus Journalisten, Philatelisten, Verwaltungsfachleuten, Postmitarbeitern und drei Mitgliedern des Bundestages zusammen. Unter Hunderten von Anregungen aus der Bevölkerung wählt er die wichtigsten Themen aus. Dabei sind Ereignisse von lokaler Bedeutung ebenso ausgeschlossen wie Abbildungen lebender Personen (Ausnahme: die Bundespräsidenten)."
Das Bundesfinanzministerium, bei dem dieser Programmbeirat angesiedelt ist und was das Politische an den inhaltlichen Entscheidungen über Motive verdeutlicht, erläutert: „Programmbeirat. Er setzt sich zusammen aus: zwei Vertretern des Bundesfinanzministeriums, zwei Angehörigen der Deutschen Post AG, dem Präsidenten des Händlerverbandes APHV, dem Präsidenten des Bundes Deutscher Philatelisten BDPh, einem Vertreter der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland, einem Vertreter der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, einem Vertreter des Deutschen Presserates sowie vier Mitgliedern des Deutschen Bundestages."
Der Bund Deutscher Philatelisten meldete am 28.3.2007: „Am 16.4.2007 begeht Papst Benedikt XVI. seinen 80. Geburtstag, wozu wir auch von dieser Stelle aus herzlich gratulieren."
Man darf also davon ausgehen; dass zumindest dieses Mitglied des Programmbeirates dem Wunsch nach einer Papstmarke entsprochen hat.
Am 1. April erläutert das Bundesfinanzministerium recht lapidar: „Der 265. Nachfolger des Heiligen Petrus ist nach 482 Jahren wieder ein Deutscher. Am 16. April 1927 wurde Joseph Ratzinger, der heutige Papst Benedikt XVI., in Marktl am Inn geboren. 1951 wurde er zum Priester geweiht und begann nach kurzer seelsorgerischer Tätigkeit eine wissenschaftliche Laufbahn. Er wirkte als Theologieprofessor zunächst an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Freising, anschließend an den Universitäten in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg. Von 1962 bis 1965 nahm der junge, international jedoch schon hoch angesehene Theologe als offizieller Konzilstheologe und theologischer Berater von Joseph Kardinal Frings am Zweiten Vatikanischen Konzil teil. Papst Paul VI. ernannte ihn 1977 zum Erzbischof von München und Freising und nahm ihn kurz darauf in das Kardinalskollegium auf. Seit 1981 Präfekt der Glaubenskongregation, war er über zwei Jahrzehnte in Rom einer der engsten Mitarbeiter von Papst Johannes Paul II. Nach dessen Tod wählten ihn die Kardinäle am 19. April 2005 zum neuen Papst. Er nahm den Namen Benedikt XVI. an.
Entwurf: Antonia Graschberger, München / Druck: Mehrfarben-Offsetdruck der Giesecke & Devrient GmbH, Werk Wertpapierdruckerei Leipzig / Größe: 46,00 x 27,32 mm / Papier:gestrichenes weißes fluoreszierendes Postwertzeichenpapier DP 2 / Motiv: Papst Benedikt XVI. und Wappen des Papstes © Foto: KNA-Bild, Bonn / Wert: 55 Cent / Ersttagstempel:Antonia Graschberger, München.
Außer der Information, dass die Katholische Nachrichtenagentur das Foto geliefert (und wohl auch bezahlt bekommen) hat, keinerlei weiteren oder neuen Informationen.
Im Bundesfinanzministerium sieht man einerseits in einer solchen Durchbrechung ungeschriebener Regeln überhaupt kein Problem: „Wir freuen uns darüber sehr. Sie nicht?"
Andererseits heißt es von anderen Mitarbeitern nachdenklicher: „Ihre Annahme, dass in Deutschland grundsätzlich nur verstorbene Persönlichkeiten auf Postwertzeichen abgebildet werden, ist zutreffend. Hintergrund dieser Verfahrensweise ist, dass ein besonderer Anlass oder das Leben und Werk einer bedeutenden Persönlichkeit gewürdigt werden sollen.
Diese Ehrung sollte nach allgemeiner Auffassung nur Personen zuteil werden, die sich bereits zu Lebzeiten in besonderer Weise für die Gesellschaft eingesetzt haben. Da die abschließende Beurteilung eines Lebenswerkes nur nach dem Ableben des bzw. der Betreffenden möglich ist, kann auch ein Postwertzeichen erst dann seinen Beitrag zur Würdigung eines Lebenswerkes leisten.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht bislang nur bei der Abbildung des Staatsoberhauptes der Bundesrepublik Deutschland auf einer Briefmarke, weil man davon ausgehen kann, dass eine Persönlichkeit in Verbindung mit der Amtsfunktion eines Bundespräsidenten bzw. einer Bundespräsidentin der Bundesrepublik Deutschland diesen Ansprüchen gerecht wird.
Eine bisher einmalige weitere Ausnahme bildet nun die Herausgabe einer Sondermarke für den ersten deutschen Papst nach rund 500 Jahren anlässlich seines 80. Geburtstages in diesem Monat. Auch für Papst Benedikt XVI. gelten die vorgenannten Ausführungen zum Staatsoberhaupt. Denn man kann davon ausgehen, dass Papst Benedikt XVI., der von vielen Menschen als Heiliger Vater angesprochen wird, zu seinen Lebzeiten Herausragendes für viele Menschen getan hat und sein Lebenswerk schon jetzt in besonderer Weise gewürdigt werden kann. Im Übrigen ist der Wunsch, zu Ehren von Papst Benedikt XVI. eine Sondermarke herauszugeben, aus allen Teilen unserer Gesellschaft an uns herangetragen worden, u.a. auch von der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland."
Allerdings ist man teilweise mit dieser Marke gar nicht glücklich, da sie nicht nur die national und international anerkannte Seriosität der deutschen Postwertzeichenprogramme lädieren könne, sondern auch für einen international und weltweit agierenden Konzern wie der Deutschen Post eine sehr einseitige religionspolitische Positionierung bedeute.
Es wird wahrscheinlich bei dieser einen Ausnahme bleiben.
Es wäre allerdings auch sehr unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit wieder ein Deutscher Papst werden wird.
Andere Kritiker meinen ironisch, dass der Wert einer 55 Cent Marke doch etwas popelig sei und dem Papst aufgrund seiner besonderen Stellung ein hierarchisch höherer Markenwert zugestanden hätte, der höchste. Auch Kardinal Höffner habe im Dezember 2006 bereits eine 55 Cent Briefmarke bekommen. Das mindeste wäre doch eine Gleichwertigkeit mit dem bedeutenden Atheisten Ludwig Feuerbach gewesen, der im Juli 2004 - anlässlich seines 200. Geburtstages -, eine Briefmarke mit (seinerzeit) 1,44 Euro erhalten habe. Was den Atheisten der rot-grünen Bundesregierung recht gewesen sei, hätte doch den Christen der amtierenden Bundesregierung nicht billiger sein können?
Diese Ansicht verkennt jedoch die Logik des Propagandawert der Briefmarken: Wer einfacher bleibt, der wird am weitesten verbreitet sein.
Normalerweise sind die Auflagen der 55 Cent Marken höher - was allerdings variieren kann. Der entscheidende Unterschied ist der zwischen normalen 55 Cent Briefporto - das jeder Hans und Franz klebt - und dem exklusiveren Geschäftsbriefporto von 1 Euro 45. Im Sinne von „Lieber Masse als Klasse" ist dann die Entscheidung für eine 55 Cent Marke folgerichtig volkstümlicher.
Carsten Frerk