Mauern und Grenzen

Der "Tortilla Wall"

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Foto: US Border Patrol (public domain)

USA/Mexiko. (hpd) Anlässlich des 23. Jahrestages der Deutschen Einheit möchte die HPD-Redaktion über mehrere noch bestehende Mauern bzw. ungewöhnlich stark gesicherte Grenzen berichten. Dabei wollen wir nicht nur die aktuelle Situation beschreiben, sondern auch einen Schwerpunkt auf die unterschiedlichen Ursachen legen, die zu der jeweiligen Situation geführt haben.

Auf der einen Seite der Grenze zwischen den USA und Mexiko liegt die Stadt El Paso, die zweitsicherste Stadt in den Vereinigten Staaten. Direkt gegenüber, auf mexikanischer Seite liegt Ciudad Juarez, die Stadt mit einer der weltweit höchsten Mordraten der Welt. Um sich gegen illegale Einwanderung, Drogen- und Waffenschmuggel zu schützen, haben die Vereinigten Staaten im Jahr 2006 ein neues Gesetz zum Ausbau der Grenzanlagen sowie die Verdopplung der Einsatzkräfte der United Staates Border Patrol an der Mexikanischen Grenze verabschiedet.

Um die Lage in der Stadt Ciudad Juarez unter Kontrolle zu bekommen wird inzwischen auch das mexikanische Militär eingesetzt, nach Angaben des Bürgermeisters Héctor Murguía Lardizábal kämpften im Jahr 2010 ungefähr 11.000 Polizisten und Soldaten in der Stadt gegen die Gewalt der Kartelle. Zu den Kartellen kommt ein weiteres Problem: Viele der aus den USA abgeschobenen Mexikaner landen in Ciudad Juarez, darunter jährlich mehrere Tausend Gewaltverbrecher. Die harte Linie gegen die organisierte Kriminalität scheint aber aufzugehen; tatsächlich ist die Zahl der Mordopfer im Jahr 2012 auf 749 gesunken, im Vorjahr waren noch 3.111 Menschen in der Stadt ermordet worden.

Der "Tortilla Wall"

Was gelegentlich in den USA abfällig als "Tortilia Wall" bezeichnet wird, ist die weltweit am häufigsten überquerte Grenze der Welt. Bei einer Länge von 3.000 Kilometern überqueren ungefähr 250 Millionen Menschen legal die Grenze zwischen den USA und Mexiko. Hinzu gelangen jährlich geschätzte 350.000 illegale Einwanderer aus Mexiko über die Grenze.

Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage versuchen viele Mexikaner, in den USA Geld zu verdienen. Während viele nur für kurze Zeit in die USA einreisen, versuchen etliche sich dort, ohne Aufenthaltsgenehmigung, eine Existenz aufzubauen. Wer von den Behörden aufgegriffen wird, wird zurück nach Mexiko abgeschoben. Als Strafe gibt es beim ersten Verstoß ein Einreiseverbot für meist ein Jahr, beim zweiten Mal über fünf Jahre und ab dem dritten Verstoß eine Haftstrafe und abschließende Abschiebung. Nicht wenige dieser sogenannten Wohlstandsmigranten versuchen allerdings immer wieder illegal über die Grenze zu gelangen.

Zusammen mit der organisierten Kriminalität, die Drogen und Waffen über die Grenze schmuggeln, ergibt sich eine Situation, auf die die USA mit dem Ausbau der Grenzanlagen und der massiven Erhöhung der Grenzpolizisten und –Soldaten reagiert hat. Man geht davon aus, dass jährlich, trotz der scharfen Sicherheitsmaßnahmen, mehrere hundert Tonnen Drogen (hauptsächlich Marihuana) über die Grenze geschmuggelt werden.

Die Grenzanlagen, die von Amnesty International scharf kritisiert werden, bestehen in den Wüstenregionen meist nur einem Stacheldrahtzaun, allerdings setzt die United Staates Border Patrol Bewegungssensoren, Helikopter und Infrarotkameras ein, um illegale Grenzübergänger und Schmuggler mit mobilen Einsatzkräften aufzubringen. Auch Kräfte der Nationalgarde sind hier im Dauereinsatz. Nicht wenige der Mexikanischen illegalen Einwanderer sterben auf dem Weg in die USA an Austrocknung oder Entkräftung; man vermutet, dass dieses Schicksal pro Jahr in etwa 400 Menschen trifft, wobei viele in den Wüstenregionen Gestorbene nie gefunden werden.

Auch ist es nicht selten, dass sich viele den Grenztruppen stellen, um diesem Schicksal noch entgehen zu können. Angeführt werden die kleinen Flüchtlingsgruppen in der Regel von bezahlten Schleusern, die für die Kartelle arbeiten. Aber nicht alle Schleuser versuchen wirklich, die Menschen in die USA zu bringen. Häufig werden an den offiziellen Grenzübergängen Mexikaner mit gefälschten Papieren und Ausweisen aufgegriffen, wobei die Fälschungen so schlecht sind, dass keine Chance bestand, hiermit in die USA zu gelangen. Nicht selten werden die Dokumente auch gar nicht mehr verwendet.  Dass die Menschen mit der Hoffnung auf ein besseres Leben ihr letztes Geld dafür ausgegeben haben, spielt für diese Fälscher keine Rolle.

Organisationen wie das Freiwilligen-Netzwerk No more Deaths versuchen humanitäre Hilfe vor Ort zu leisten.

Ein Hauptbestandteil der Kritik der amerikanischen Grenzpolitik besteht darin, dass die United States Border Patrol keiner Kontrolle durch die öffentliche Gerichtsbarkeit untersteht.

Wie so oft: Es geht um Geld

Allgemein geht man davon aus, dass jedes Jahr Drogen im Wert von 40 Milliarden Dollar durch die Kartelle von Mexiko in die USA geschmuggelt werden. Hinzu kommen die Einnahmen aus Menschenschmuggel und –handel sowie Schutzgelderpressung. Die kriminellen Organisationen, die hier zusammenarbeiten, sind definitiv die Hauptursache der Grenz-Situation. Speziell der Waffenschmuggel verläuft von Nord nach Süd. Mit den aus den USA geschmuggelten Waffen haben die Drogenkartelle eine paramilitärische Macht aufbauen können, der nur schwer entgegenzukommen ist. Bei einer geschätzten Korruptionsquote von über 20 Prozent unter Politikern und Beamten ist organisierter Kriminalität kaum beizukommen. Dass nicht kooperative Politiker nicht selten ermordet werden, zeigt die Möglichkeiten der Kartelle. In der anfangs beschriebenen Stadt Ciudad Juarez lag die Aufklärungsrate von Morden bis 2010 bei unter 5 Prozent.

Der 2006 beschlossene Einsatz von 50.000 mexikanischen Soldaten gegen die Kartelle wird von den USA für ein sinnvolles Projekt gehalten, immerhin unterstützt sie, aus eigenen Interessen, diesen Kampf mit einer Milliarde Dollar. Aufgabe der Armee ist neben dem direkten Kampf gegen die bewaffneten Kartellstrukturen auch das Auffinden und Vernichten von Drogenplantagen. Das absolute Hauptziel ist die Verhaftung der Kartellbosse und –funktionäre. Speziell in diesem Bereich hat das Militär bereits Erfolge erzielt.

Auch wenn scheinbar ein effektiver Kurs für die Kartell-Bekämpfung eingeschlagen wurde, werden nun immer häufiger Korruptionsvorwürfe laut, dass Militär sei mittlerweile ebenfalls in die Kriminalität verstrickt. Diese Vorwürfe reichen von Korruption bis hin zu Behauptungen, das Militär würde inzwischen eine eigene Partei im Drogenkrieg darstellen.

Perspektive

Schätzungsweise 12 Millionen illegaler Einwanderer leben in den USA. Wer abgeschoben wird, gelangt nicht selten zurück in die USA, durch eine erneute, illegale wie lebensgefährliche, Überquerung der Grenze. Bei den Zwangsabschiebungen werden häufig Familien getrennt. Die illegal in den USA lebenden Mexikaner hoffen nun auf eine politische Verbesserung ihrer Situation. Ihre Hoffnung liegt dabei auf dem aktuellen US-Präsidenten Obama: Zu seinen Wahlversprechen gehörte es, die Situation zu verbessern. Ob dies allerdings die Grenzsituation verbessern würde, oder ob gerade dadurch noch mehr Menschen versuchen würden, die Grenze illegal zu überqueren, lässt sich schwer einschätzen.

Nicolai A. Sprekels