... für Menschen in Nordkorea

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Yvonne Yung Hee, Foto: privat

BERLIN. (hpd) Heute wird der Verein Saram e.V. an die Öffentlichkeit gehen. Der Verein setzt sich für die Rechte der Menschen in Nordkorea ein und möchte vor allem über das Land informieren. Der hpd hat sich gestern Abend noch mit der Pressesprecherin des Vereines, Yvonne Yung Hee, getroffen und ein Interview geführt.

hpd: Yvonne, morgen früh macht Ihr Eure Pläne öffentlich, mit denen ihr gegen die Verhältnisse in Nordkorea antreten möchtet...

Yvonne: Ich bin auch schon ganz aufgeregt, welche Reaktionen wir bekommen werden. Ich habe natürlich schon mit Freunden darüber gesprochen, was wir vorhaben, und es gab niemanden, der nicht neugierig war. Wenn morgen die Reaktionen ähnlich ausfallen, dann hätten wir auf jeden Fall einen guten Start.

 

Wie ist das alles überhaupt zustande gekommen? Man steht ja nicht morgens auf und beschließt spontan so ein Projekt zu starten.

Im Sommer letzten Jahres sprach mich eine Freundin an, ob ich nicht eine Gruppe unterstützen möchte, die sich für die Menschen in Nordkorea einsetzen will. Ich bin zwar in Korea geboren, habe aber seit meiner frühesten Kindheit in Deutschland gelebt und mich nie wirklich intensiv mit Korea beschäftigt. Ich war neugierig und habe mich also mit den Leuten getroffen. Es hat mich überrascht, Menschen kennen zu lernen, die teilweise große Gefahren auf sich nehmen, um z.B. Informationen beschaffen, um Menschen am anderen Ende der Welt zu helfen.

 

Und darum hast Du dich dann der Gruppe angeschlossen?

Auch. Damals hatte gerade erst die Berichterstattung in den deutschen Medien über Nordkorea zugenommen, und als ich nun die Details über die Hungerkatastrophe, die Arbeitslager, Hinrichtungen usw. erfuhr, war ich erst mal einfach nur geschockt. In dem Ausmaß hatte ich davon ja noch nie gehört. Ich habe aber noch am selben Tag beschlossen, dass ich mich hier engagieren will – oder besser: nicht anders kann!

 

Ursprünglich hattet ihr ja vor, eine Außenstelle einer bereits bestehenden Organisation in Deutschland aufzubauen. Was ihr morgen ankündigen werdet, ist aber eine eigenständige Organisation. Wieso die Planänderung?

Wir waren davon ausgegangen, dass es einfacher wäre, ein funktionierendes Konzept zu übernehmen. Es hat sich aber gezeigt, dass dies viel länger gedauert hätte, so eine internationale Kooperation aufzubauen. Daher haben wir beschlossen, etwas Eigenes zu entwickeln und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Ehrlich gesagt, gefällt es mir so sogar noch viel besser, wir können so viel schneller und eigenständiger arbeiten.

 

Wieso die Eile?

Wie man momentan ja an der regelmäßigen Berichterstattung sehen kann, interessieren sich die Menschen hier für Nordkorea, es erscheinen sogar in Kürze neue Bücher zu dem Thema in Deutschland, das sehen also offensichtlich nicht nur wir so. Das haben schon letztes Jahr auch südkoreanische Aktivisten erkannt und speziell in Deutschland um Engagement gebeten.

 

Warum gerade in Deutschland?

Zum einen gibt es zwischen den Bürgern Koreas und Deutschlands viele Verbindungen und Sympathien. Und dann ist Deutschland ja auch vor gar nicht so langer Zeit geteilt gewesen und konnte das überwinden. Genau hierfür haben wir ein sehr gutes Beispiel in unserem Team, er ist erst vor kurzem aus Südkorea nach Deutschland gezogen. Sein größter Wunsch ist es, die Wiedervereinigung auf der koreanischen Halbinsel zu unterstützen und die beste Möglichkeit hierzu hat er darin gesehen, nach Deutschland zu ziehen und aus unserer Geschichte für Korea zu lernen.

 

Kommen wir zu der wesentlichen Frage: Was genau habt ihr vor?

Es gibt aus verschiedenen Ländern Menschen, die sich regelrecht aufopfern, um den Menschen, die aus Nordkorea fliehen, zu helfen in ein sicheres Drittland zu kommen. In China werden die Flüchtlinge aus Nordkorea einfach wieder zurückgeschickt, wo sie, weil sie geflohen sind, fast immer in eines der Arbeits- oder Konzentrationslager deportiert werden, oft alle Angehörigen gleich mit. Daher verstecken sich die Flüchtlinge dann in China. Und hier kommen dann die Fluchthelfer zum Einsatz, die die Flüchtlinge in sichere Länder bringen. Das ist natürlich auch für die Helfer nicht ungefährlich, und diese Menschen, wie natürlich die Flüchtlinge selbst, verdienen jede Hilfe.

Man muss sich das mal klarmachen. Menschen, die ihr Leben bei einer Flucht aus Nordkorea riskiert haben (viele kommen ja dabei um) finden sich in einer ähnlich schlimmen Lage wieder, nicht einmal der Gefahr hingerichtet zu werden, sind sie mit ihrer Flucht entkommen! Und nur ganz wenige Menschen, - von der Politik wollen wir gar nicht erst sprechen! – versuchen diese Menschen zu retten oder ihnen wenigstens zu helfen!

 

Die allerwenigsten wissen ja überhaupt um diese Situation, oder?

Das stimmt leider. Die Situation ist ja aber nicht erst seit Kurzem so, diese Tragödie findet seit 20 Jahren statt! Es gibt inzwischen schon ein neues Problem, das hieraus entstanden ist: Und zwar die Kinder der Flüchtlinge, die natürlich genauso in China festsitzen. Wenn sie von den chinesischen Behörden gefunden werden, werden auch die nach Nordkorea abgeschoben, obwohl sie noch nie einen Fuß auf nordkoreanischen Boden gesetzt haben! Die Medien berichten aber anscheinend lieber über atomare Drohgebärden oder Promi-Besuche bei Kim Jong-un, daher ist diese Situation praktisch unbekannt. Sollte ich hier noch einmal unsere Internetadresse nennen? (Lacht.)

 

Wie genau kann man Euch denn unterstützen?

Naja, da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Natürlich werden wir Spenden sammeln, um Rettungsaktionen zu finanzieren. Aber wir hoffen vor allem darauf, dass möglichst viele Menschen, wie auch andere Verbände, klar Stellung gegen diese Menschenrechtsverletzungen beziehen werden, damit das Jahrzehntelange „nur Zuschauen“ endlich ein Ende hat. Gegen so ein Unrecht muss man sich aktiv stellen! Wir werden daher auch in den sozialen Netzwerken, wie Facebook und Twitter usw. aktiv sein und sind hier für jedes "Teilen" dankbar.

 

Der Untertitel zu Eurem Namen ist "für Menschen in Nordkorea…" Das scheint nicht zu dem Vorhaben zu passen, Flüchtlinge, die bereits nach China fliehen konnten, vor einer Abschiebung zurück nach Nordkorea zu retten. Wieso heißt es "in Nordkorea"?

Im Prinzip haben alle Aktivisten und Organisationen ein langfristiges Ziel, die Rettungsmissionen sind nur ein Teil davon. Um den Menschen in Nordkorea zu helfen – oft wird einfach behauptet, dass das unmöglich sei – gibt es zwei Dinge:

Erstens, ihnen Informationen über die Welt außerhalb Nordkoreas zukommen zu lassen und damit zu zeigen, dass es anderen Ländern mit anderen Systemen deutlich besser geht. Und zweitens muss man die Nordkoreaner aus der totalen Abhängigkeit und Kontrolle des Regimes holen.

Man muss sich immer wieder klarmachen: Was für uns so extrem bizarr wirkt, kennen die Nordkoreaner nicht anders. Und sie werden schon in Kindertagen grenzenlos indoktriniert. Die meisten denken gar nicht darüber nach, dass man ein Land vielleicht auch anders führen könnte oder dass Ideologie und Führer nicht vollkommen sind.

Sehr viele, denen die Flucht bis in ein sicheres Drittland gelungen ist, finden z. B. Wege, um Geld und Informationen zurück nach Nordkorea zu schicken. Eine langfristige Änderung der furchtbaren Verhältnisse in Nordkorea kann nur erreicht werden, wenn immer mehr Nordkoreaner erfahren, wie ihre entkommenen Verwandten nun leben und auch von diesen unterstützt werden.

 

Vielen Dank für Deine Zeit und viel Erfolg bei Euren Plänen!

 

Das Gespräch führte Frank Nicolai.