(hpd) Gegen einen zahnlosen Humanismus. Anmerkungen zur Positionsbestimmung von Frieder Otto Wolf.
Ein Kommentar von Eberhard Wetzig
Vorweg, ich zähle mich nicht zu den „organisierten“ Humanisten, auf die sich der Autor wiederholt bezieht. Daran liegt es wohl auch, dass mir weite Teile seines Beitrages nicht zugänglich sind. Beginnt der Autor doch seinen Kommentar mit einer Anzahl von Irrtümern, die er bei den Organisierten zu sehen glaubt. Da er hier keinerlei maßgebliche Einzelfälle schildert, erweckt dieser Teil des Beitrages beim Außenstehenden den Eindruck, dass hinter verschlossenen Türen schon hart ins Gericht gegangen worden sei und er uns jetzt nur noch die Quintessenz dieser Auseinandersetzung zur Kenntnis bringt.
In seinen weiteren Ausführungen glaubt er, die zahlenmäßige Minderheit der Christen, welche Pro Ethik unterstützt haben, schützen zu müssen vor atheistischen Losungen wie „mehr Laizismus“ oder „Glaubst du noch, oder...“ usw. Vielleicht sollte Herr Wolf auch die Lektüre von Goethe unterbinden, von welchem dieser nette „fundamental“ - atheistische Satz stammt: „ Er ist ein heller Kopf und also ungläubig.“ Auch existiere das hässliche Bündnis von Thron und Altar nicht mehr.
Nun ist es eine Frage von Quantität, ab wann etwas als hässlich wahrgenommen wird. Ich als nicht Organisierter empfinde es schon ausgesprochen hässlich, wenn eine Ministerin ausgerechnet mit Kirchen für ein Bündnis für Erziehung wirbt, oder eine Bundeskanzlerin die Hoffnung äußert, dass die evangelische Kirche in der Gesellschaft eine moralische Wächterfunktion ausüben möge.
Selbst die weiter oben bestätigte mediale Vorherrschaft der „Amtskirchen“ und der „konservativen Basis“ ist für den Autor nicht hässlich. Aber Herr Wolf ist da in Sachen Hässlichkeit wohl abgehärteter als ich mit meiner „derart destruktiven“ Position.
Im Weiteren legt Herr Wolf fest, wieder in bewährter Selbstsicherheit, wie die Truppen aufzustellen sind. Bündnispartner sollen die humanistischen Gläubigen und diejenigen sein, die so denken wie Herr Wolf. Auseinandersetzungspartner sollen die „Säkularen“ sein, die von der Meinung des Autors abweichen. Unter solchen Bedingungen verbiete es sich – für Herrn Wolf – von selbst, die intellektuelle Auseinandersetzung über Grundsatzwerke der Glaubensgemeinschaften zu führen.
Was bleibt dann noch übrig bei diesem organisierten Humanismus ohne Religionskritik? Mir scheint, Herr Wolf sieht sich insgeheim schon als Stifter einer Religion. Wie anders sind sonst seine Vorstellungen zum Humanismus zu verstehen, wenn er schreibt dass dieser „mit den Menschen fühlt, sie erfasst und wärmt...“ Wie hilfreich lesen sich dagegen folgende Worte – nicht von Herrn Wolf:
„Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über einen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist.
Die Kritik hat die imaginären Blumen an der Kette zerpflückt, nicht damit der Mensch die phantasielose, trostlose Kette trage, sondern damit er die Kette abwerfe und die lebendige Blume breche. Die Kritik der Religion enttäuscht den Menschen, damit er denke, handle, seine Wirklichkeit gestalte wie ein enttäuschter, zu Verstand gekommener Mensch, damit er sich um sich selbst und damit um seine wirkliche Sonne bewege. Die Religion ist nur die illusorische Sonne, die sich um den Menschen bewegt, solange er sich nicht um sich selbst bewegt.
Es ist also die Aufgabe der Geschichte, nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren.“(Marx)