Die Beschneidung von Jungen und ihre Folgen

Professor Matthias Franz war der Initiator und Erstunterzeichner des "Offenen Briefes zur Beschneidung" vom 21.07.2012, der seinerzeit im vollen Wortlaut in der FAZ veröffentlicht wurde.

Auf der Webseite des Verlages Vandenhoeck & Ruprecht ist im Zusammenhang mit dem Erscheinen seines Buches "Die Beschneidung von Jungen" ein Interview erschienen, in dem er noch einmal Stellung zu dieser Thematik nimmt.

"...Der Leidensdruck ist hoch. Einer meiner Patienten resümiert zum Beispiel: 'Meine Beschneidung ist das Schlimmste, das man mir je angetan hat. Sie hat mein ganzes Leben beeinflusst.' Und ein anderer kommentiert: 'Man wird vergewaltigt und kann es nicht vergessen.'

Es wird höchste Zeit, dass diese Patienten gehört werden, und dass man aufhört, die Augen zu verschließen vor den möglichen körperlichen, sexuellen und seelischen Langzeitfolgen, die ich in meiner Praxis erlebe und die auch empirisch belegt sind. Man muss als Arzt nur danach fragen, dann hört man nicht selten traurige Geschichten. Trotzdem herrscht – verglichen mit der berechtigten Empörung und Verurteilung der rituellen Verletzung weiblicher Genitalien – eine bemerkenswerte Verleugnungs­haltung und kollektive Empathieverweigerung gegenüber den kleinen Jungen. Das ist unreflektierten Traditionen geschuldet und Ausdruck des männlichen Rollenkäfigs, der Jungen und Männern immer noch schweigsame Härte abverlangt. Es ist traurig, dass man das heute noch betonen muss: Auch kleine Jungen werden durch die genitale Beschneidung großem Leid und bedeutenden Risiken ausgesetzt. Ein gesellschaftlicher Dialog kann nur entstehen, wenn die Erlebnisse der Betroffenen Gehör finden. Einer meiner Patienten erzählt in meinem Buch seine Geschichte. Es ist ein erschütternder Erlebnisbericht…"