Lässt sich also ein allgemeines Herangehen an die Umwelt über das Sozialverhalten in der Gruppe hinaus gemäß des sozialen Status prognostizieren? Jana Uher dazu gegenüber dem hpd: “Nicht jeder hat das ‘Zeug’ zum Alpha. Aber es ist das komplexe Zusammenspiel dieser Merkmale mit denen der anderen Individuen, nicht die einzelnen Merkmale an sich, das entscheidend ist. So gab es unter den Kapuzineraffen mehrere Alphamännchen, die sich außer Sichtweite ihrer Gruppenmitglieder teils ziemlich ängstlich zeigten und sich nicht trauten, sich einem unbekannten Objekt oder einer unbekannten Person zu nähern, während andere Männchen und auch Weibchen sich ganz unerschrocken diesen Objekten - etwa einem großem Bettlaken - oder Personen näherten und diese erkundeten beziehungsweise mit diesen interagierten. Das hätte ich so gar nicht erwartet. Aber die für den Alphastatus dieser Männchen relevanten Verhaltensmerkmale liegen daher vermutlich in anderen, vor allem sozialen Bereichen. Zumindest bei Kapuzinern.”
Zwar wird auch bei vielen nichtmenschlichen Primaten der soziale Status von der Mutter auf die Nachkommen vererbt. Doch dies hat erst einmal nichts mit den persönlichen Charaktervoraussetzungen der einzelnen Individuen zu tun, schon gar nichts mit dem über die Chromosomen transportierten genetischen Erbe. Denn in eine andere Gruppe gebracht, muss ein Neuling sich seinen sozialen Status erst wieder erkämpfen, und es kann ein ganz anderer und niedriger oder höher sein als zuvor. “Bei einigen Affenarten wird der Rang ‘vererbt’ - der Nachwuchs ranghoher Weibchen erhält auch hohe soziale Ränge. Würden diese Familien aus ihrem sozialen Verband herausgenommen, müssten sich diese Rangordnungen wieder neu etablieren”, erklärt Jana Uher.
Mut öffnet den Weg nach oben, unter allen Affen. Aber es ist nicht einfach zu sagen, ob nicht auch bei nichtmenschlichen Affen es bis nach oben geschafft zu haben mutig macht. Jana Uher gibt zu bedenken: “In unseren Studien mit Java-Makaken zeigt sich, dass ranghohe Makaken aggressiver zu Gruppenmitgliedern, weniger ängstlich und etwas explorativer als Rangniedrige waren. Aber ob dies Ursache oder Folge ihres hohen Ranges ist, kann man nicht eindeutig sagen. Denn letztlich ist der soziale Status ein Zusammenspiel vieler Merkmale - des einzelnen Individuums und seiner Gruppenmitglieder. Ihn als Ursache dieses Verhaltens zu interpretieren, würde zu zirkulären Erklärungen führen. Das schließt natürlich nicht aus, dass ein sozialer Status mehr Handlungsspielräume mit sich bringt. Aber hier eine klare Ursache und Wirkung zu bestimmten, wäre willkürlich, denn alles hängt miteinander zusammen.”
Simone Guski