Neurobiologe Robert-Benjamin Illing zur Entstehung von Religion in der Evolution – Streitgespräch "Entsteht Religion im Gehirn?" mit dem Theologen Dirk Evers
Religion lässt sich aus Sicht des Freiburger Neurobiologen Prof. Dr. Robert-Benjamin Illing primär als Instrument der Angstbewältigung ansehen. "Mit Angstgefühlen sind unsere Vorfahren seit Urzeiten vertraut. Im Zuge der Zivilisations- und Bewusstseinsentwicklung sah sich der Mensch jedoch mit neuen Ängsten konfrontiert: vor Krankheit, Verfall und Tod", sagte der Wissenschaftler am Dienstagabend in der Reihe "Streitgespräche über Gott und die Welt" am Exzellenzcluster "Religion und Politik" in Münster. "Anders als vor Schlangen oder Leoparden können wir vor Existenzängsten und Sinnkrisen nicht physisch fliehen, weil sie in uns wohnen", so der Forscher. "Im Rahmen unserer kognitiven Möglichkeiten fassen wir die neuen Ängste deswegen in Mythen und entwickeln daraus Religionen, um ihnen doch zu entkommen."
Die Welt biete nicht nur für vielfältige Lebensformen, sondern auch für vielfältige kognitive Kreationen zahlreiche "ökologische Nischen", so Illing. "Sie war ein vergleichsweise armseliger Ort, als es in ihr noch keine Seele, kein Ich, keine Werkzeuge, keine Freiheit, keinen Gott gab. Jetzt gibt es all das in ihr dank des Menschen. Und was sich bewährt, entspricht ihrer Hausordnung."