Städte hinterfragen kirchliches Arbeitsrecht (3)

OLDENBURG. (hpd) Keine diskriminierenden Sonderrechte mehr für kirchliche Einrichtungen – das beschloss außer dem Osnabrücker und dem Stuttgarter Rat bereits am 9.Februar der Rat Oldenburg. Auch hier will die Stadt als Auftraggeber nicht länger hinnehmen, dass die Beschäftigten in kirchlicher Trägerschaft nicht die vollen Rechte wie bei städtischer und privater haben.

Der hpd befragte den Ratsherrn und stellvertretenden Fraktionssprecher Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Sascha Brüggemann und die SPD-Ratsfrau und Bürgermeisterin Germaid Eilers-Dörfler.

Hallo Sascha Brüggemann,
hallo Germaid Eilers-Dörfler,
im Beschluss des Stadtrats Oldenburg wird der Bundesgesetzgeber zur Streichung der diskriminierenden Sonderrechte für kirchliche Arbeitgeber aufgefordert und die Verwaltung soll prüfen, ob die Kirchen freiwillig auf diese verzichten würden beziehungsweise ob man das mit ihnen vereinbaren könne.
Wie kam es denn zu Ihrer Initiative, Herr Brüggemann, und dazu, den Antrag  gemeinsam zu stellen?

Sascha Brüggemann: Wir hatten in der Ratsfraktion schon in der Vergangenheit über das Thema diskutiert und wollten es angehen. Als wir über den Beschluss aus Osnabrück stolperten, fragten wir die SPD-Fraktion, ob sie den Antrag mit uns gemeinsam stellen wolle. Den Osnabrücker Antrag musste ich nur bei den lokalen Bezügen leicht anpassen, der aus Stuttgart ist mir nicht bekannt.

Germaid Eilers-Dörfler: Die SPD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen der Stadt Oldenburg sind seit der letzten Kommunalwahl 2011 eine enge Kooperation eingegangen und haben einige gemeinsame Arbeitsschwerpunkte. Beide Fraktionen haben sich nach Bekanntwerden des Beschlusses in Osnabrück sofort dafür ausgesprochen, auch in Oldenburg in dieser Angelegenheit gemeinsam aufzutreten und das hierfür notwendige politische Handeln mit einem gemeinsamen Antrag zu unterstreichen.

 

Was sind Ihre wichtigsten Beweggründe bzw. die Ihrer Fraktion?

Sascha Brüggemann: Ich bin selbst bei der Diakonie beschäftigt und kenne daher die diskriminierenden Auswirkungen des kirchlichen Arbeitsrechtes. Ich engagiere mich im Rahmen der Mitarbeitervertretung und bei der Gewerkschaft, wobei Gleichbehandlung auch allgemein eine große Rolle in meinem Wertekanon spielt.

Germaid Eilers-Dörfler: Die Ungleichbehandlungen in kirchlichen Arbeitsverhältnissen sind für uns nicht mehr hinnehmbar. Wir fordern hier ein Umdenken bei den Verantwortlichen beider Kirchen.

Für mich persönlich und auch beruflich spielt diese Osnabrücker Initiative eine ganz entscheidende Rolle. Ich bin seit fast 40 Jahren Mitarbeiterin in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg und führe hier seit 2008 den Vorsitz der Gemeinsamen Mitarbeitervertretung im Kirchenkreis Oldenburg Stadt und bin gleichzeitig auch Vorsitzende des Gesamtausschusses der Mitarbeitervertretungen in der EV.-Luth. Kirche in Oldenburg.

Mir war es schon immer ein besonderes Anliegen, mich für die Rechte und Belange der Beschäftigten in unserer Kirche einzusetzen, insbesondere gegen die diskriminierenden Sonderrechte, die die kirchlichen Arbeitgeber leider immer noch, und scheinbar unbelehrbar, für sich geltend machen.

Ein solcher Antrag ist ein geeignetes Instrument, einen bestimmten Personenkreis zu erreichen und in direkten Dialog zu ziehen. Durch das öffentliche Anprangern können sich auch die Kirchen einer Positionierung nicht entziehen. Und zwar öffentlich, was das Bild der Kirche als Arbeitgeber in eine außerordentliche Schieflage versetzt.

 

Im 1. Absatz des Oldenburger Beschlusses steht, dass der Bundesgesetzgeber eine Änderung an §9 AGG (Kirchenklausel im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) und eine Streichung von §118 Abs.2 im Betriebsverfassungsgesetz vornehmen soll.
Gab es darauf schon Reaktionen? Welche hatten Sie erwartet?

Sascha Brüggemann: Ratsherr Joans Höpken (Die Linke) hat ein sehr fundiertes Antwortschreiben verfasst.

Von der Landeskirche Oldenburg kam leider keine Antwort, was ich eigentlich angesichts der von ihnen durchaus positiv begleiteten Verhandlungen über einen Tarifvertrag für die Diakonie in Niedersachsen anders erwartet hätte.
Es gab vereinzelt Anfragen von Gewerkschaftern aus Niedersachsen zu dem Antrag. Von Seiten des Gesetzgebers hab es leider keinerlei Antworten.

Germaid Eilers-Dörfler: Aus der Bundespolitik schrieb nur der SPD-Abgeordnete Dennis Rohde, der die Streichung des § 118 Abs. 2 BetrVG unterstützt.

 

Es gab Reaktionen vom EKD-Ratsvorsitzenden und vom Verband der Diözesen Deutschlands. Beide Kirchenfunktionäre interpretieren Grundgesetz, europäische Gesetze und Urteile nach Gutdünken und sehen sich "tendenziösen Ungenauigkeiten, Verkürzungen und Fehlwahrnehmungen" ausgesetzt. Von evangelischer Seite verwehrt man sich gegen "Pauschalkritik", indem man darauf hinweist, dass einige der genannten Ansprüche an den Lebenswandel (Homosexualität, Wiederheirat) nur in katholischen Einrichtungen zu Kündigungen führen. Eine interessante Entwicklung angesichts des sonst recht eindeutigen Schulterschlusses der Kirchen!

Sascha Brüggemann: Es war zu erwarten, dass beide eine Änderung entschieden ablehnen. Von der EKD wird das gemeinsame Streben von Kirche und Gewerkschaften in Niedersachsen nach einem Tarifvertrag für die Diakonie ja sehr scharf angegangen.
Sehr unglücklich finde ich, dass die evangelische Kirche versucht, die katholische Seite noch schlechter da stehen zu lassen. Auch wenn das tatsächlich der Wirklichkeit entspricht, finde ich es doch sehr unchristlich, mit dem Finger auf andere zu zeigen, die es noch schlechter machen.

Germaid Eilers-Dörfler: Mich hat überrascht, dass beide Kirchenvertreter sehr ausführlich Stellung bezogen haben. Beide haben ihre Positionen gerechtfertigt, wenngleich diese sich in einigen Punkten deutlich unterscheiden, da die evangelische Kirche ihre starre Haltung z.B bezüglich arbeitsrechtlicher Maßnahmen gegen wiederverheiratet Geschiedene oder Homosexuelle revidiert hat.

 

In 2. Absatz steht, die Verwaltung soll im Gespräch mit den kirchlichen Trägern klären, ob diese freiwillig zu Änderungen bereit wären. Und in Absatz 3 wird die Verwaltung beauftragt zu prüfen, ob in künftigen Verträgen andere Bedingungen vereinbart werden können. Liegen hierzu schon Ergebnisse vor? Wie sehen hierzu Ihre Erwartungen aus?

Sascha Brüggemann: Leider gab es noch keine Rückmeldung aus der Verwaltung. Meine Erwartungen sind nicht allzu hoch.

Germaid Eilers-Dörfler: Meines Wissens hat diese Form der Gespräche mit den kirchlichen Trägern in Oldenburg noch nicht stattgefunden.
Ich wurde von einem Vorstands-Vertreter des Diakonischen Werkes Oldenburg direkt nach dem Beschluss des Rates in Oldenburg angesprochen. Er ließ mich wissen, dass er diesen Beschluss, zu diesem Zeitpunkt, für die Verhandlungen zu dieser Thematik innerhalb des Diakonischen Werkes Niedersachsen, für wenig hilfreich erachte.

Meine Erwartung ist, dass die Stadt Oldenburg zum Beispiel bei konkreten Gesprächen mit den Kirchen bei anstehenden neuen Vertragsgestaltung gezielte Forderungen zur Veränderung in den Bezuschussungsmodalitäten stellt.

Sie können das Bundesrecht auf lokaler Ebene nur umgehen, indem Sie Auflagen zum Diskriminierungsschutz verabschieden, an die sich alle Träger halten müssen. Wurde eine solche Strategie via einer kommunalen Antidiskriminierungsrichtlinie mit Vergabekriterien angedacht?

Sascha Brüggemann: Bisher nicht.

Germaid Eilers-Dörfler: Derzeit noch nicht. Aber das wäre sicherlich ein Schritt, den ich mir politisch sehr gut vorstellen könnte.

 

Wie geht es weiter?

Sascha Brüggemann: Wir werden bei der Stadtverwaltung bei Zeiten mal nachfragen, wie es um die Umsetzung der ihr gegebenen Aufträge steht.

Germaid Eilers-Dörfler: Es muss unsere Aufgabe sein, immer mehr Städte und Gemeinden davon zu überzeugen, dass dieser Weg der richtige ist, damit auch andere Städte und Gemeinden einen solchen Antrag stellen. Das würde den Druck ungemein erhöhen.

Diese Thematik muss in die einzelnen Kirchengemeinden, in die Kreis- und Landessynoden und letztendlich in der Synode der EKD.
Wenn immer mehr Kommunen diesen Antrag stellen würden, dann könnten die Beschäftigten der Kirchen sich gleichermaßen aufmachen und ihre Gremien (Kirchenräte, Kreissynoden und Landesynoden) schriftlich und durch Fragen auf Synodentagen angehen oder in Form von Mahnwachen, Demos usw. ihre Forderungen verdeutlichen.

Unsere Initiative hat für Öffentlichkeit gesorgt, gut so! Das erhöht den Druck auf die Kirchen, die sich vermehrt der Kritik stellen und erkennen, dass ihr Handeln - gerade als Kirche -  nicht mehr zeitgemäß ist.

Das Interview führte Corinna Gekeler