TRIER. Einst Kaiserresidenz und Hauptstadt des weströmischen Reiches, ist Trier derzeit im „Konstantin-Fieber".
Unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten wirbt die Römerstadt mit einer gigantischen, sich über drei Museen erstreckenden offiziellen Konstantin-Ausstellung, die sich dem ersten „christlichen Kaiser" und „Ahnherrn Europas" leider weitgehend unkritisch nähert. Was zählt, sind offenbar die erhofften touristischen Mehreinnahmen durch das Megaevent, weniger das Aufdecken unbequemer historischer Zusammenhänge (etwa bezüglich der Opfer des Tyrannen oder der fatalen Folgen der von Konstantin maßgeblich geförderten Vermählung von Thron und Altar).
So verwundert es nicht, dass die Trierer Bäckereien eigens zur Ausstellungseröffnung ein „Konstantinbrot" auf den Markt gebracht haben und der „Trierische Volksfreund", die wichtigste Zeitung der Region, sich sogar genötigt sah, ihren Lesern unter dem Label „Konstantin Superstar" einen „Konstantin-Starschnitt in Lebensgröße" anzubieten.
Wie peinlich diese geschichtsblinde Vermarktungsstrategie ist, brachte der Sprecher der Giordano Bruno Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, auf der Pressekonferenz zur kritischen Gegenausstellung „Konstantin: Kunst & Provokation" in der Trierer Tuchfabrik folgendermaßen auf den Punkt: „Sind Massenmorde, die vor 1700 Jahren geschahen, aufgrund des zeitlichen Abstands weniger abscheulich als Verbrechen in der Gegenwart oder jüngeren Vergangenheit? Müssen wir demnach befürchten, dass in 1700 Jahren „Hitlerbrote" gebacken werden und irgendeine Provinzzeitung seinen Lesern den „ultimativen Hitler-Starschnitt" ins Haus liefert?" Angesichts solcher scharfen Worte blieb so manchem Medienvertreter das (zugegebenermaßen tatsächlich schmackhafte) Konstantin-Brot im Halse stecken.
Kunst & Provokation
Weit entfernt von jeder Despotenidealisierung ist die von Helmut Schwickerath, konzipierte künstlerische Gegenausstellung, die die Schattenseiten der sog. „Konstantinischen Wende" deutlich macht. Zur Vernissage am vergangenen Sonntag kamen rund 300 Besucher in die Trierer Tuchfabrik. Der Bundespräsident und der Bischof waren zwar nicht zugegen, aber immerhin hatte sich mit dem Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen und der rheinland-pfälzischen Staatsministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie Marlu Dreyer auch politische Prominenz eingefunden.
Die Besucher wurden nicht enttäuscht, denn „Konstantin: Kunst & Provokation" hält, was der Name verspricht. Highlights der Ausstellung sind die Großskulptur „Die Geburt des Abendlandes" von Jacques Tilly und Doris George, eine Sammlung lästerlicher Bibelillustrationen von Janosch, ein großformatiges Spraying von Martin Heuwold mit dem Titel „Mission accomplished", das die Kontinuität von Konstantin zu Bush aufzeigt, Helmut Schwickeraths Installation „Konstantinbogen, frisch gestrichen, mit einem Vorgarten und einem Anbau versehen" sowie das Doppelgemälde von Annamalt und Edward Naujok „Parade der Bauernopfer" und „Orden rollen zum nächsten Krieg". Was Eltern freuen wird: Die Ausstellungsmacher haben auch für die Kleinsten gesorgt. Sie können in einem großen Sandkasten „fromme Helena" spielen und Kreuze ausbuddeln. Wer von ihnen das „einzig wahre Kreuz Jesu" findet (in diesem Fall leuchtet auf dem „Jesu-Kreuz-Detektor" ein rotes Lämpchen auf), darf sich sogar über ein Geschenk freuen.
Im Ausstellungsshop findet man neben Postkarten, Büchern und Plakaten auch ungewöhnlichere Produkte („Devotionalien"), allesamt entwickelt von der Designerin Gepa Schwickerath, die u.a. auch für die Gestaltung des einprägsamen Ausstellungsplakats verantwortlich zeichnete. Wie wäre es beispielsweise mit einem „KonstantinWecker"? Oder mt einer „echten Fälschung" der Konstantinischen Schenkung - ausgestellt auf den eigenen Namen? Oder mit der unablässig blutenden Konstantinkerze („Konstantin liebte es, zu verbrennen! Tun Sie ihm den Gefallen!")?
„Darf man über Religion lachen?"
Begleitend zu „Konstantin: Kunst & Provokation" finden in den nächsten Tagen und Wochen zahlreiche Veranstaltungen in der Tuchfabrik statt: So werden am kommenden Samstag und Sonntag im Rahmen eines Kurzsymposiums zum Thema "Darf man über Religion lachen? Über Kunst und Provokation" gleich vier Mitglieder der Giordano Bruno Stiftung in der Tuchfabrik Trier auftreten. Am 9. Juni (21.00 Uhr) wird zunächst der Film "Kruzifix" der Filmemacherin Ricarda Hinz gezeigt, anschließend berichtet Jacques Tilly unter dem Motto „Wer meine religiösen Gefühle verletzt, dem polier' ich die Fresse!" über seine einschlägigen Erfahrungen als religionskritischer Satiriker. Am 10. Juni (19.00 Uhr) hält Michael Schmidt-Salomon einen Vortrag zum Thema "Die Achse des Blöden - Warum die Aufklärung religiöse Gefühle verletzen muss und dabei auf Humor nicht verzichten kann". Gleich im Anschluss (21.00 Uhr) demonstriert die Schauspielerin und Autorin Lilly Walden mit ihrem famosen Ein-Frau-Bühnenstück "Oh, mein Gott!", einer "blitzgescheiten Comedy über Fundamentalismus und Kaspers Prügel für heilige Excellenzen", dass man über Religionen nicht nur lachen darf, sondern dass man das Lachen angesichts der kuriosen Glaubenswelten der Religionen gar nicht unterdrücken kann.
Weitere Veranstaltungen im Rahmen der Konstantin-Ausstellung: Am 14. Juli ( 21.00 Uhr) wird Prof. Dr. Horst Herrmann über "Konstantin, den Groben" („b" statt „ß"!) sprechen und die seit Jahrhunderten betriebene christliche Idealisierung dieses antiken Despoten kritisch kommentieren. Am 3. August (ebenfalls 21.00 Uhr) wird unter dem Motto „Unter diesem Zeichen wirst du siechen!" Karlheinz Deschners Analyse der Kriminalgeschichte des Christentums Thema einer Filmvorführung sowie einer anschließenden Diskussion sein.
Buch zur Ausstellung jetzt erhältlich
Pünktlich zur Ausstellung ist auch das 96-seitige „Lese- und Bilderbuch zum unheiligen Kaiser Konstantin" erschienen, das neben farbigen Abbildungen vieler Exponate der Ausstellung Texte von Helmut Schwickerath sowie ein eigens dafür geschriebenes Vorwort von Karlheinz Deschner enthält. Das Buch ist nicht nur in der Ausstellung vor Ort, sondern auch im Denkladen zu erwerben.
Die Ausstellung in der Tuchfabrik Trier wird bis zum 15. August geöffnet sein, täglich von 10 bis 19 Uhr. Weitere Informationen zu „Konstantin: Kunst & Provokation" gibt es hier.
Grete Meißel