Die Nichtexistenz Gottes ist beweisbar

Der Philosophieprofessor Steven D. Hales stellt die Gottesdebatte auf den Kopf

– er sagt, man kann die Nichtexistenz Gottes beweisen.

Einem Prinzip der Volkslogik zufolge kann man Nichtexistenz nicht beweisen. Skeptiker und Wissenschaftler räumen dies routinemäßig in Debatten ein, die sich um die mögliche Existenz von allem Möglichen drehen, von Big Foot und Loch Ness bis hin zu Außerirdischen und sogar Gott. In einem kürzlichen Fernsehinterview bei Comedy Centrals The Colbert Report mit Michael Shermer, gestand der Herausgeber von Skeptic soviel zu, als Stephen Colbert bei dem Thema Massenvernichtungswaffen nachhakte. Der Komiker ergänzte, dass der Glaube an einfach alles möglich sei, sobald Wissenschaftler einräumen, die Nichtexistenz einer Sache nicht beweisen zu können. Sogar Richard Dawkins schreibt in Der Gotteswahn, dass „es weithin akzeptiert und trivial ist, dass man Gottes Nichtexistenz nicht beweisen kann, wenn auch nur in dem Sinne, dass wir niemals die Nichtexistenz von irgendetwas beweisen können.“

Damit gibt es ein großes Problem. Raten Sie einmal, wie viele professionelle Logiker denken, dass man Nichtexistenz nicht beweisen könne? So ist es: Kein Einziger. Ja, Virginia, man kann Nichtexistenz beweisen und es ist sogar einfach. Zum Einen handelt es sich bei einem realen, tatsächlichen Gesetz der Logik um eine Verneinung, nämlich bei dem Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch. Laut diesem Gesetz kann eine Behauptung nicht gleichzeitig wahr und nicht wahr sein. Nichts ist sowohl wahr als auch falsch. Ferner kann man dieses Gesetz beweisen. Es kann formal hergeleitet werden von einer Nullmenge, indem man beweisbare, gültige Ableitungsregeln verwendet (Ich erspare Ihnen die langweiligen Details). Eines der Logikgesetze ist selbst eine beweisbare Verneinung. Moment... das bedeutet, wir haben gerade bewiesen, dass es eben nicht zutrifft, man könne eine Verneinung laut einem der Logikgesetze nicht beweisen. Damit haben wir schon wieder eine Verneinung bewiesen! Tatsächlich ist „man kann eine Verneinung nicht beweisen“ ja selbst eine Verneinung – könnte man also beweisen, dass sie wahr wäre, dann wäre sie nicht wahr! Hoppla...

Nicht nur das, sondern jede Behauptung kann dank der Regel der doppelten Verneinung als Verneinung ausgedrückt werden. Diese Regel besagt, dass jede Behauptung B logisch Nicht-Nicht-B entspricht. Nehmen Sie sich also irgendetwas her, von dem Sie meinen, dass man es beweisen könne. Glauben Sie, Sie können Ihre eigene Existenz beweisen? Wenigstens zu Ihrer eigenen Zufriedenheit? Dann können Sie mit exakt der selben Beweisführung plus dem kleinen Schritt der doppelten Verneinung beweisen, dass Sie nicht nicht-existent sind. Glückwunsch, Sie haben gerade eine Verneinung bewiesen. Das Schöne daran ist, dass Sie diesen Trick auf einfach jede Behauptung anwenden können. Beweisen Sie, dass B wahr ist und dann können Sie auch beweisen, dass B nicht falsch ist.

Es ist einfach, ein gültiges deduktives Argument zu entwickeln, das alle wahren Voraussetzungen erfüllt und zu dem Ergebnis kommt, dass Einhörner nicht existieren. Hier ist eines, das die gültige Ableitungsprozedur des Modus Tollens erfüllt (Latein für „Verfahrensweise, die durch Leugnung bestätigt“):

  1. Hätten Einhörner existiert, gäbe es Belege im Fossilienbefund.

  2. Es gibt keine Belege für Einhörner im Fossilienbefund

  3. Also haben Einhörner niemals existiert.

Jemand könnte einwenden, dass dies ein wenig zu schnell ging – schließlich habe ich nicht bewiesen, dass die beiden Voraussetzungen zutreffen. Ich habe einfach angenommen, dass sie zutreffen. Nun, das stimmt. Trotzdem ist es ein schlimmer Fehler, darauf zu bestehen, dass jemand erst alle Voraussetzungen von jedem Argument beweisen muss, die man sich ausdenken könnte. Hier ist die Begründung: Die einzige Möglichkeit, um etwa zu beweisen, dass es keine Belege für Einhörner im Fossilienbefund gibt, besteht darin, ein Argument mit diesem Ergebnis zu nennen. Dann müsste man natürlich wieder die Voraussetzungen von diesem Argument beweisen, indem man weitere Argumente nennt, dann die Voraussetzungen dieser weiteren Argumente beweisen, ad infinitum. Welche Voraussetzungen wir einfach akzeptieren sollten und welche man vorher beweisen muss ist Gegenstand langer und verwickelter Debatten unter Epistemologen. Aber Eines ist klar: Falls es notwendig ist, eine unendliche Anzahl von Voraussetzungen zu beweisen, um eine Sache als bewiesen anzusehen, dann werden wir niemals irgendetwas beweisen können, ob bejahend oder verneinend.

Vielleicht meinen die Leute, dass kein induktives Argument in der Lage ist, eindeutig, unwiderleglich eine verneinende Behauptung ohne den Schatten eines Zweifels zu beweisen. Nehmen wir an, dass jemand sagt, wir haben die Welt nach Bigfoot durchkämmt, keinen glaubwürdigen Beleg für Bigfoot gefunden, und darum gibt es keinen Bigfoot. Das ist ein klassisches induktives Argument. Ein Bigfoot-Verteidiger kann immer erwidern, dass Bigfoot zurückgezogen lebt und sich vielleicht nur hinter der nächsten Baumgruppe versteckt. Man kann nicht beweisen, dass er das nicht tut! (bis die Durchsuchung dieser Baumgruppe auch erfolglos bleibt). Das Problem besteht hier nicht darin, dass uns induktive Argumente keine Sicherheit über verneinende Behauptungen gäben (wie die Nichtexistenz von Bigfoot), sondern dass uns induktive Argumente keine Sicherheit über irgendetwas geben, egal ob bejahend oder verneinend. Alle beobachteten Schwäne sind weiß, also sind alle Schwäne weiß sah wie ein ziemlich gutes induktives Argument aus, bis die ersten schwarzen Schwäne in Australien entdeckt wurden.

Das eigentliche Wesen eines induktiven Arguments besteht darin, eine Schlussfolgerung wahrscheinlich zu machen – aber nicht sicher, bedenkt man die Wahrhaftigkeit der Voraussetzungen. Genau das ist ja ein induktives Argument. Wir sollten allerdings lieber nicht auf Induktion verzichten, nur weil wir mit dieser Methode keine Sicherheit gewinnen. Warum glauben Sie, dass die Sonne morgen aufgehen wird? Nicht aufgrund von Beobachtung (man kann die Zukunft nicht beobachten!), sondern weil es das ist, was sie in der Vergangenheit immer getan hat. Warum glauben Sie, dass Wasser aus Ihrem Wasserhahn fließen wird, wenn Sie ihn aufdrehen, und nicht Schokolade? Warum glauben Sie, dass Sie Ihr Haus wieder dort vorfinden werden, wo Sie es zuletzt gelassen haben? Dies ist erneut darum der Fall, weil es auch in der Vergangenheit so war. Wir verwenden, mit anderen Worten, Schlussfolgerungen – Induktion – aus vergangenen Erfahrungen in jedem Aspekt unseres Lebens. Bertrand Russel sagte einmal, dass das Huhn, das erwartet, Nahrung zu erhalten, wenn sich der Bauer nähert, vor einer großen Überraschung stehen wird, wenn es stattdessen selbst zur Nahrung wird. Hätte das Huhn jedoch induktives Schlussfolgern gleich aufgegeben, dann wäre jedes Auftauchen des Bauern eine große Überraschung.

Warum glauben die Leute also, dass man eine Verneinung, oder Nichtexistenz, nicht beweisen könne? Ich denke, das ist das Ergebnis zweier Umstände:

  1. Enttäuschung darüber, dass Induktion nicht kugelsicher, luftdicht und unfehlbar ist, und

  2. Ein verzweifeltes Verlangen weiterhin zu glauben, was immer man glaubt, selbst wenn alle Belege in die gegensätzliche Richtung zeigen.

Darum glauben einige Leute auch noch immer an Entführungen durch Außerirdische, obwohl sich fliegende Untertassen immer als Wetterballons, Stealth Jets, Kometen oder zu viel Alkohol herausstellen. Man kann Nichtexistenz nicht beweisen! Sie können nicht beweisen, dass es keine Entführungen durch Außerirdische gibt! Bedeutung: Ihr Argument gegen Entführungen durch Außerirdische ist induktiv, daher nicht unanfechtbar. Da ich an Außerirdische glauben möchte, werde ich Ihr Argument ablehnen, egal wie überwältigend die Belege gegen Außerirdische sind und egal, wie verschwindend gering die Wahrscheinlichkeit einer extraterrestrischen Entführung ist.

Wenn wir jedoch induktive Argumente ablehnen, weil sie zu Ergebnissen führen, die wahrscheinlich nicht endgültig sind, dann stecken wir in großen Schwierigkeiten. Trotz ihrer Fehlbarkeit ist Induktion in jedem Aspekt unseres Lebens unerlässlich, von der banalsten zur am Weitesten fortgeschrittenen Wissenschaft. Ohne Induktion wüssten wir praktisch gar nichts über die Welt, was nicht durch unsere Sinne unmittelbar erfahrbar ist. Also behalten wir die Induktion lieber ungeschminkt und benutzen sie, um Verneinungen und Bejahungen gleichermaßen anzuerkennen.

Man kann Nichtexistenz beweisen – zumindest insofern man überhaupt irgendetwas beweisen kann.

 

Quelle: Steven D. Hales. You can prove a negative. eSkeptic. 5. Dezember 2007

Übersetzung: Andreas Müller

 

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