Spaghettimonster und rosafarbene Einhörner

Spaßreligionen“ sind Parodien, die vor allem als Protest gegen die mangelhafte Trennung von Kirche und Staat erdacht wurden.

Außerdem sollen sie die Absurdität wie auch Beliebigkeit religiöser Auffassungen demonstrieren. Fast alle Spaßreligionen stammen aus den USA, wo die religiöse Rechte großen Einfluss auf die Gesellschaft hat - und wo es keinen Gotteslästerungsparagrafen im Strafrecht gibt.

Fliegendes Spaghettimonster

Das Fliegende Spaghettimonster (FSM) ist eine Gottheit, die im Juni 2005 vom amerikanischen Physiker und „Propheten“ Bobby Henderson erfunden wurde. Das erste Mal erwähnt er diese Religion in einem Brief an die Schulbehörde von Kansas, in dem er fordert, das FSM müsse genau wie Intelligent Design im Biologieunterricht gelehrt werden, weil die Beweislage ähnlich gut sei.

In diesem Brief erklärt Henderson auch die Ursache von globaler Erwärmung, Erdbeben, Hurrikans und anderen Naturkatastrophen: Wie Statistiken belegen, sei die rückläufige Zahl von Piraten seit dem Jahre 1800 für alle diese Phänomene verantwortlich. Mit einer Zeichnung demonstriert der Physiker, wie das Nudelmonster die Erde erschuf.

Die Anhänger seiner Religion nennen sich "Pastafari". Gebete beenden sie mit der Formel "Ramen", ihres Zeichens Name einer asiatischen Nudelsuppe. Sie warten gespannt auf ihr Ableben, denn im Jenseits erwartet die Pastafari ein Biervulkan und eine Stripper-Fabrik.

Hendersons Website hat inzwischen epische Ausmaße angenommen. Es gibt einen FSM-Kürbis-Wettbewerb, eine Sammlung von Erwähnungen des Nudelmonsters durch andere Wissenschaftler ("Beweise"), einen FSM-Shop und sogar ein Heiliges Buch. Vertreter der Religion finden sich international, auch in Deutschland. Wer seinerseits mit dem Spaghettimonster Geld verdienen will, der muss nur dem Blog Boing Boing empirische Beweise vorlegen, dass Jesus nicht der Sohn des FSM ist. Dafür gibt es eine Million US-Dollar.

Das FSM darf für sich beanspruchen, die populärste Spaßreligion unserer Zeit zu sein. Richard Dawkins erwähnt es häufig in Interviews, aber auch die Medien selbst berichten häufig darüber, sogar in Deutschland, wo es zum Beispiel einen Artikel der Welt und der Tagesschau zum Thema gibt.

 

Unsichtbares rosafarbenes Einhorn

Bereits Anfang der 90er Jahre entstand eine Spaßreligion, die sich um ein weibliches Einhorn dreht, das sowohl unsichtbar als auch rosafarben sein soll. Der Ursprung dieser Religion ist nicht eindeutig festzustellen, sie ist ein Internet-Produkt aus Foren und Newsgroups.

Laut dem Manifest von Steve Eley, der sich als Oberster Advokat und Sprecher der Religion bezeichnet, hat das IPU ("Invisible Pink Unicorn") eine Vorliebe für Rosinenbrot, welches das sich ausbreitende Universum symbolisieren soll. Die Lieblingsspeise der Gottheit ist jedoch Pizza mit Schinken und Ananas. Die "vegenautische" Sekte des IPU sieht das jedoch anders. Ihnen zufolge verzichtet die Göttin auf Schinken und bevorzugt Pilze. Über die Ananas besteht jedoch Einigkeit, so wie auch darüber, dass IPU mit Salami nichts anfangen kann. Außerdem ist das IPU für die Heilige Socke von Bob verantwortlich, die Wellen der Irrationalität auslösen soll. Es gibt jedoch noch ein anders lautendes Sockendogma, laut dem das IPU die Socken "entrückt", also für verlorene Socken verantwortlich ist. Sektenkritiker empfehlen einen Blick in die Waschmaschine.

Anstelle des Teufels gibt es für IPU-Gläubige die Lila Auster:

„Und ich sah die Unwürdigkeit in IHREN Augen, denn ich war ein Sünder, verdammt dazu, mein Dasein in Gegenwart der unheiligen Lila Auster zu fristen, ihre Schale zu bohnern und ihre verachtenswürdigen, schleimigen Füße zu massieren. Denn sie hat wahrlich Füße und auch Beine und Zehen, die ihr Herrschaft verleihen über die Muscheln des Meeres und ihr erlauben, zu den Kindern des Menschengeschlechts zu wandeln, um sie bis zur Zerstörung zu verführen.“

Die Offenbarung von Sankt Bryce dem Langatmigen (Teilweise), Kapitel 1, Vers 9 – 11

Die Lila Auster stand einmal im Dienste des IPU, wurde jedoch verstoßen, als sie behauptete, Salamipizza mit Pilzen gefalle der Göttin besser als eine mit Ananas und Schinken. Am letzten Tage, dem "Tag von Hafer und Heu" soll sich die Lila Auster wieder mit dem unsichtbaren rosafarbenen Einhorn versöhnen.

Wenn die Göttin jemanden bestrafen möchte, so tut sie das mit Stichen ihres Hornes, die oft als Insektenstiche fehlinterpretiert werden. Tatsächlich umschwirren die Insekten jedoch nur das IPU.

Als Erkennungszeichen verwenden Gläubige laut Wikipedia folgende Abkürzungen:

“Blessed Be Her Holy Hooves” („Gesegnet seien Ihre Heiligen Hufe“) / bbhhh

“Peace Be Unto Her” („Frieden sei mit Ihr“) / pbuh

“May Her Hooves Never Be Shod” („Mögen Ihre Hufe niemals beschlagen werden“) / mhhnbs

Zur IPU-Religion finden sich zahlreiche Websites im Internet. Exemplarisch sei das Institute for Unicorn Research erwähnt, wo die wichtigsten Texte zu finden sind. Auch zum IPU gibt es verschiedene Angebote in Shops, etwa bei Spreadshirt und Cafépress.

Anhänger dürfen sich freuen, denn auch diese Religion erwähnt Richard Dawkins neuerdings in Interviews.

 

Sonstige Spaßreligionen

Im Verlaufe der Diskussion rund um Intelligent Design sind die Spaßreligionen Unintelligent Design und Stupid Design aufgetaucht. Sie sind sich darin einig, dass die Erde von einer Gottheit erschaffen wurde, welche die Menschen durch Hinweise auf die Evolution nur verwirren will. Diese Gottheit ist allerdings nicht sehr helle. Warum sonst sollte sie merkwürdige Wesen wie das Schnabeltier erschaffen? Ein intelligenter Gott würde auch nicht so viele Tiere in die Welt setzen, die gleich wieder aussterben. Außerdem gibt es noch Intelligent Falling, das aussagt, es gäbe keine Gravitation und ein Gott würde die Dinge auf die Erde drücken.

Von diesen Spaßreligionen abgesehen gibt es zwei Religionen, die zur Hälfte Spaß sind und sich zur Hälfte sehr ernst nehmen. Dies wären der Jediismus und der Diskordianismus.

Der Jediismus ist entstanden, als sich 70.509 Menschen in Neuseeland als Jediisten registrieren ließen, was jedoch nicht dazu führte, dass der Jediismus offiziell als Religion anerkannt wurde, wozu an sich nur 8000 Stimmen notwendig gewesen wären. Die meisten "Anhänger" sind nur Star-Wars-Fans oder haben sich als Protest gegen die Regierung als Jedis registriert. Es gibt aber rund 5000 echte Jediisten. Sie glauben, alles sei von "der Macht" durchdrungen und leben nach dem Jedi-Kodex.

Der Diskordianismus ist derweil Philosophie und Spaßreligion zur gleichen Zeit. Die Principia Discordia, das Heilige Buch der Diskordianer, ist vor allem Religionsparodie. Als Philosophie ist der Diskordianismus anarchistisch angehaucht, aber auch sehr relativistisch. Er bestreitet objektive Wahrheiten und will das logische Denken zu Gunsten einer "höheren Freiheit" überwinden. Um dieses Ziel zu erreichen, spielen die Diskordianer mit logischen Widersprüchen, zum Beispiel: „Der nächste Satz ist eine Lüge. Der vorhergehende Satz ist wahr.“

Zum Abschluss seien noch die "Matrix-Jünger" erwähnt, welche die fiktive Welt der Matrix-Filme für bare Münze nehmen und glauben, an eine Maschine angeschlossen zu sein, die ihnen die Realität nur vorgaukelt. Einige von ihnen behaupten das nur, um Zweifel und freies Denken zu fördern, Andere glauben es wirklich.

 

Fazit

Bei den Spaßreligionen überwiegen klar die Vorteile: Widersprüche in den "echten" Religionen werden karikiert und religiöse Dogmen ab absurdum geführt. Es wird die Botschaft vermittelt, dass man über Religionen und Heilige Bücher an sich nur lachen kann. Ein Problem ist jedoch, dass diese Spaßreligionen im Prinzip genau so funktionieren wie echte Religionen und eine ähnliche Basis haben, nur dass ihre Texte weniger alt sind. Dadurch besteht die Gefahr, dass irgendwann einmal einige ihrer Anhänger tatsächlich glauben werden, was für sie bislang nur Spaß ist. Man sieht am Jediismus und an den Matrix-Jüngern, wie schnell aus Fiktion Realität werden kann. Davon abgesehen wäre es durchaus vorstellbar, dass in ein paar hundert Jahren Archäologen und Historiker auf Überreste von FSM oder IPU stoßen und daraus folgern, die Menschen in der heutigen Zeit hätten ein Fliegendes Spaghettimonster oder ein unsichtbares rosafarbenes Einhorn verehrt. Aber: Wie viel peinlicher wäre das als die Tatsache, dass eine Vielzahl der gegenwärtig lebenden Menschen immer noch an Jahwe, Allah und Co. glaubt?

 

Andreas Müller