Schumi - "Gottesurteil" negativ

Am vergangenen Wochenende stand ein emotionales Großereignis auf dem Plan. Nicht nur das letzte Formel 1-Rennen dieser Saison, sondern auch das 250. und allerletzte Rennen

in der Karriere der deutschen Rennsport-Ikone Michael Schumacher.

 

Alle wussten, nur noch ein „Wunder“ würde ihm den vielerseits gewünschten Weltmeistertitel bescheren können, denn sein Konkurrent Fernando Alonso durfte nicht in die Punkte kommen und Grand Prix-Held Michael Schumacher musste auf das Siegerpodest fahren. Sehr unwahrscheinlich.

 

Und so brachte die BILD-Zeitung in ihrer Samstag Ausgabe auf der Titelseite das Hoffnungszeichen für die deutsche Nation: „Schumi fährt zum 1. Mal mit Kreuz“ und auf dem Foto war das Kreuz eingekreist, damit man nicht lange danach suchen musste.

Die brennende Frage: „Wer ihm den Talisman schenkte“ - vielleicht der deutsche Papst? - wurde auf Seite 10 beantwortet. Linke obere Hälfte der Seite ein Foto, Schumi wieder mit Kreuz und daneben / darüber auf einer halben Seite stand in fünf Zeilen: „Schumi. Sohn Mick schenkte ihm dieses Kreuz.“ Und wieder waren die beiden letzten Worte mit einer Art Pfeilkasten umrahmt - der auf das daneben abgebildete Kreuz zeigte.

War das ein Hinweis, dass die Atheisten unter den Lesern vielleicht sonst gar nicht erkannt hätten, dass dort ein Kreuz abgebildet war?

Und dann noch die rührende Geschichte dazu im Text (Auszug):

„Überhaupt: Jeder kommt um die Ecke mit einem Geschenk. Das schönste baumelt an seinem Hals. Ein goldenes Kreuz, etwa fünf Zentimeter groß, mit einem kleineren silbernen, etwa zwei Zentimeter großen, obendrauf. Es ist sein Glücksbringer fürs letzte Rennen. Er hat es von seinem Sohn Mick extra für Brasilien geschenkt bekommen. Corinna zu BILD: ‚Mick hat es entdeckt. Er war mit Omi unterwegs und hat es für Papi gekauft. Sie haben es sogar segnen lassen.’ Die Schumis, eine gläubige Familie. Und wenn ‚der da oben’, wie Schumi den da oben immer nennt, will, dann fährt er morgen in seinem letzten Rennen nicht nur als Sieger durchs Ziel, sondern vielleicht sogar noch einmal als Weitmeister. Mit dem gesegneten Kreuz seines Sohnes...“

Wer jetzt nicht betet, wird, ist bereits hart gesotten!

Im Klartext, die Schwiegermutter-Omi hat das wehrlose Enkelkind instrumentalisiert, damit sie endlich ein Kreuz an den Mann bringen konnte. Wenn denn der kleine Sohn vor dem großen Papi steht und mit großen Kulleraugen bittet: „Papi, ... für dich!“ Welcher Vater könnte dem vor so einem Rennen widerstehen, wo für pädagogische Gespräche über Glücksbringer nun wirklich keine Zeit ist.

Und das Rennen? Reifen geplatzt, und dennoch auf Platz 4. Da hat er wahrscheinlich Schutzengel gehabt. Ganz bestimmt. Genützt hat es dennoch nicht - denn das wäre der Weltmeistertitel gewesen.

Und das mit dem „gesegneten Kreuz seines Sohnes“?

Klar, dann wäre die Hölle los gewesen in Deutschland, wenn der Schumi Sieger geworden und der Alonso ausgeschieden wäre. Aber so ist das halt mit dem Glauben, diesem was wäre, wenn, warum hat mir „der da oben“ nicht geholfen?

Aber dass ein derartiger Technik-Freak wie Michael Schumacher, der nicht nur einen 780 PS Ferrari steuert, sondern auch von Technik sehr viel versteht, einen derartigen „Glücksbringer“ trägt, liegt auf der gleichen Ebene wie der Pathologe, der an die leibliche Auferstehung glaubt, oder wie der Gynäkologe, der an die unbefleckte Empfängnis glaubt.

Und im Übrigen schreibt sich BILD genauso wie GOTT - in den Versalien der „da oben“.

 

Carsten Frerk