KÖLN. (hpd/ibka) Vom 25. bis zum 27. Mai laden die Atheist Alliance International (AAI) und der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) zu der internationalen atheistischen Tagung unter dem Motto „Die Atheistische Perspektive: national, regional, global“ ein. Kooperationspartner des Events ist die Giordano Bruno Stiftung (gbs).
Der Atheismus erfährt aktuell einen Zuspruch, wie selten zuvor. Mehr und mehr Menschen organisieren sich in säkularen Gruppen. Das Jahr 2012 wird mit der Zahl atheistischer und humanistischer Konferenzen einen weltweiten Rekord aufstellen.
Nicht zuletzt die Veröffentlichungen der „Four Horsemen“ (Richard Dawkins, Daniel Dennett, Sam Harris und der kürzlich verstorbene Christopher Hitchens) haben in den letzten Jahren über den englischsprachigen Raum hinaus Beachtung gefunden und Säkularisten auf der ganzen Welt ermutigt, für ihre Überzeugungen einzutreten. Mehr und mehr Menschen wenden sich von der organisierten Religion ab. In Deutschland ist inzwischen mehr als ein Drittel der Bevölkerung konfessionslos. Dennoch sind die Nichtreligiösen noch immer nicht so weit, dass sie als bedeutender gesellschaftlicher und politischer Faktor wahrgenommen werden.
Wird der Aufschwung, den der Säkularismus in den letzten Jahren genommen hat, hieran etwas ändern? Ist die säkulare Bewegung zu sehr zersplittert, um etwas verändern zu können, oder ist ihre Vielfalt eine Stärke? Wie geht es weiter? Kann die säkulare Bewegung eine weltweite Kraft werden, die dem Machtanspruch der organisierten Religionen wirksam entgegentritt? Über Fragen dieser Art werden wir auf der Tagung diskutieren.
Referenten und Themen
Eine große Anzahl von internationalen und deutschsprachigen Referentinnen und Referenten haben sich für die Konferenz zusammengefunden. Hier werden in der Reihenfolge ihrer Vorträge die ersten vorgestellt.
Eröffnet wird die Konferenz am 25. Mai um 16:00 Uhr im Kölner Comedia Theater vom Vorsitzenden des IBKA, René Hartmann, und Tanya Smith, der Präsidentin der Atheist Alliance International.
Im Juni 2011 wurde Tanya Smith zur Präsidentin der AAI gewählt. Davor war sie Direktorin der ehemaligen Atheist Alliance International, die im Juni 2011 unter Tanyas Mitwirkung im Transition Team in getrennte Organisationen aufgeteilt wurde: die Atheist Alliance International und Atheist Alliance of America. Tanya Smith, in ihrer Funktion als Vorsitzende und Sprecherin der Atheist Alliance International, setzt sich für diese Organisation weltweit ein. Tanya war ebenfalls eine der Projektkoordinatoren der Global Atheist Convention „The Rise of Atheism“, die in Melbourne im Jahr 2010 stattfand. Seit 2009 ist sie Mitglied des Presseteams der Atheist Foundation of Australia.
Warum wir hier sind
Tanya Smith geht auf die meistgestellten Fragen ein: Warum gibt es Atheistentagungen? Warum gibt es Versammlungen, die auf Glaubensfreiheit basieren? Wir sind aktiv, da uns die Welt in der wir leben wichtig ist, denn durch unsere Zusammenarbeit in örtlichen Atheistengruppen, Projekten in anderen Ländern sowie unseres formalen Status in überregionalen Organisationen, können wir positiven Einfluss nehmen. Dabei haben wir auch noch mächtig Spaß!
PZ Myers ist Biologie-Professor in der Abteilung Wissenschaft und Mathematik an der Universität Minnesota, Morris. Er ist Autor des Blogs „Pharyngula“, in dem mit Witz und Humor wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt werden. Der Untertitel des Blogs lautet „Evolution, Entwicklung und zufällige biologische Ergüsse von einem gottlosen Liberalen“, womit auch schon einiges über den Autor ausgesagt wird.
In seinem Vortrag „Warum sprechen wir über Wissenschaft auf atheistischen Konferenzen?“ wird PZ Myers ein sonderbares Phänomen ansprechen: atheistische Tagungen schließen oft beachtliche Diskussionen über wissenschaftliche Aspekte ein. Ist das nicht ein eigenartiger Trend in Bezug auf eine soziale/philosophische/politische Perspektive? Er wird darlegen, dass dies tatsächlich die Konsequenz einer intensiven rationalen Art ist, die unseren Status in der Welt, die empirische Daten respektiert, und eine grundsätzlich moderne Art des Denkens repräsentiert.
Religiös bedingte Konflikte unter Grundschulkindern in sozialen Brennpunkten
Glaubst Du bei Gott? Sch'asse Disch!
Obwohl in Sachen Religiosität die Faustregel gilt „Je jünger desto weniger religiös“ stehen religiös motivierter Kreationismus, Antisemitismus und Homophobie an sozialen Brennpunktschulen auf der Tagesordnung. Philipp Möller, Pressereferent der Giordano-Bruno-Stiftung und ehemaliger Pressesprecher der Buskampagne, arbeitete mehr als zwei Jahre als Grundschullehrer in weitgehend bildungsfernen Milieus. Zwar liegt der Schwerpunkt seines kommenden ersten Buches „Isch geh Schulhof“ nicht auf diesem Thema, doch gibt er mit Auszügen aus dem Manuskript aberwitzige Einblicke in den unglaublichen Alltag eines ungläubigen Lehrers.
Tibetischer Buddhismus
Colin Goldner betreut als Psychologe Opfer von Sekten, Psychokulten, Hellsehern, Wunderheilern und sonstigen Praktiken des Heil- und Esoterikmarktes. Er ist Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen, darunter „Die Psychoszene“ und „Dalai Lama - Fall eines Gottkönigs“. Er ist Mitglied des Wissenschaftsbeirates des IBKA sowie des Beirates der Giordano Bruno Stiftung.
Der tibetische Vajrayana-Buddhismus, wie er vom Dalai Lama vertreten wird, verspricht seinen Anhängern - sprich: der Kaste der Lamapriester - die Möglichkeit, innerhalb eines einzigen Lebens Erleuchtung zu erlangen. Dieser Ausstieg aus dem leidvollen Kreislauf der Wiedergeburten ist nur durch rituelle Sexualpraktiken mit realen Frauen möglich. Wie lässt sich das mit dem Gebot des Zölibats vereinbaren? Unter dem Titel „Das Phallusgefährt“ bietet Goldner in seinem Vortrag eine Einführung in die Besonderheiten des tibetischen Buddhismus.
Vom Prediger zum Atheisten
Dan Barker ist Co-Präsident der Freedom From Religion Foundation, der größten Vereinigung von Atheisten und Agnostikern in den USA. Dan und seine Frau Annie Laurie Gaylor sind ebenfalls Co-Veranstalter im Freethought Radio. Dan ist Autor der Bücher „Godless: How an Evangelical Preacher Became one of America’s Leading Atheists“ und „The Good Atheist: Leading a Purpose Filled Life Without God“. Er erklärt unter dem Titel „Losing Faith In Faith“ wie er vom Prediger zum Atheisten wurde.
Lukas Mihr ist 1985 geboren und studiert Geschichte. Er sieht die Aufklärung über die Nähe des Christentums zum Rechtsextremismus als sein Aufgabengebiet. Dabei beschäftigt er sich auch mit der Rolle der katholischen Kirche im Nationalsozialismus.
Mihr wird sich in seinem Vortrag „Ohne Gott ist alles erlaubt“ mit der Behauptung befassen, dass Atheismus angeblich zu weit schlimmeren Massakern führe als religiöser Fundamentalismus. Auch Kreuzzüge und Dschihad seien niemals derart mörderisch gewesen wie Nationalsozialismus und Kommunismus. Er wird zeigen, dass der Nationalsozialismus keineswegs atheistisch war und der Kommunismus durchaus flexibel in seinem Verhältnis zur Religion.
Armes Europa
Rolf Bergmeier, geb. 1940, Studium der Alten Geschichte und Philosophie in Mainz. Seit 2000 forscht er im Bereich antike, christliche und arabische Kultur des Mittelalters im Vergleich unter dem Hauptaspekt: „Was eigentlich ist abendländische Kultur?“. Er veröffentlichte unter anderem „Konstantin und die wilden Jahre des Christentums. Die Legende vom ersten christlichen Kaiser“ 2010 sowie „Schatten über Europa. Der Untergang der antiken Kultur“, 2012. Rolf Bergmeier referiert unter dem Titel „Armes Europa. Wie die christliche Staatskirche das mittelalterliche Europa arm macht“.
Während im 6. bis 14. Jahrhundert rund ums Mittelmeer die muslimisch-arabische Kultur blüht, zieht im christlichen Mitteleuropa Armut ein. Nur die Pyrenäen trennen diese Welten, auf der einen Seite das christliche Frankenreich, auf der anderen das islamische Spanien, und dennoch sind sie Jahrhunderte auseinander, was Wohlstand, Kunst, Wissenschaft, Zivilisation und Recht betrifft. Seine These ist: Das Christentum hat mit seiner Jenseits-Ideologie und einer auf Kirchenbelange fixierten Innen- und Wirtschaftspolitik die Grundlagen für die Armut und für den kulturellen Niedergang Mitteleuropas gelegt.
Blasphemy Laws - Gotteslästerungsparagraphen
Gunnar Schedel, geboren 1964. Verleger. Langjähriger Redakteur der vom IBKA herausgegebenen MIZ, Mitglied der Redaktion des Humanistischen Pressedienstes. Zahlreiche Publikationen zu kirchen- und religionskritischen Themen, Mitherausgeber von drei Büchern. Sah sich im Jahr 2000 mit einer Anzeige nach § 166 StGB: Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, konfrontiert, das Verfahren wurde jedoch nach sechsmonatigen Ermittlungen eingestellt.
Auch in den pluralistischen bzw. von verschiedenen Religionen und Weltanschauungen geprägten Gesellschaften des 21. Jahrhunderts kann Religionskritik noch Sprengkraft besitzen. So sieht sie sich heute heftigeren Angriffen ausgesetzt als vor 20 Jahren. Im Vortrag mit dem Titel „Das offene Wort und seine Feinde. Religionskritik im 21. Jahrhundert“ wird der einschlägige § 166 des deutschen Strafgesetzbuches vorgestellt, und zugleich erörtert, wie Religionskritik heute ihr emanzipatorisches Potential entfalten kann.
Michael Nugent ist irischer Bestsellerautor und Vorsitzender von „Atheist Ireland“. Er hat fünf Bücher selbst oder mit einem Koautoren geschrieben, darunter die musikalische Hit-Komödie „I Keano“. Er hat sich am Kampf gegen Terrorismus in Nordirland beteiligt und setzt sich ein für eine liberale Gesellschaft in einem säkularen Staat, in Irland und international. In regelmäßigen Abständen debattiert er über Atheismus, Ethik, Christentum und Islam. Michael eröffnete die letztjährige World Atheist Convention in Dublin. In Köln wird er eine Übersicht über die Entwicklung von Blasphemie-Gesetzen präsentieren. Er wird einige weltweite Beispiele nennen und dabei hervorheben, wie wichtig es ist gegen solche Gesetze vorzugehen.
Atheistische Enzyklopädie
Paul Schulz, promovierter Theologe, bekannt als Ketzerpastor der Hauptkirche St. Jacobi in Hamburg. Die Evangelische Kirche in Deutschland hat gegen ihn bis heute als einzigen amtierenden Pastor in Deutschland einen Ketzerprozess geführt und ihn 1980 aus dem Pastorenamt entlassen. Paul Schulz ist heute bekennender Atheist. Veröffentlichungen: Codex Atheos. Die Kraft des Atheismus (2006). Atheistischer Glaube. Eine Lebensphilosophie ohne Gott (2008).
Auf dem Internationalen Atheistischen Kongress der AAI und des IBKA in Köln eröffnet Paul Schulz am 26. Mai „ATHEODOC“, das neue Internet-Portal für moderne Aufklärung. „ATHEODOC“ ist eine neue atheistische Enzyklopädie in modernster Form nach dem berühmten Vorbild von Denis Diderot, dessen Enzyklopädie die eigentliche Wissensgrundlage der französischen Aufklärung gewesen ist: Sachlich und klar in allen wichtigen Themen, mit mutigen Autoren, offen für alle Leser im Pro und Kontra.
Atheismus in der Kunst
Dr. Dr. Joachim Kahl, geb. 1941 in Köln, freier Philosoph. Erfolgreichstes Buch: "Das Elend des Christentums oder Plädoyer für eine Humanität ohne Gott" 1968 u.ö., Übersetzungen ins Englische, Japanische, Niederländische, Italienische. Aktuell: "Weltlicher Humanismus. Eine Philosophie für unsere Zeit", LIT-Verlag, 5. Aufl. 2011. Sein Vortragsthema ist „Atheismus in der Kunst“. Philosophische Interpretation zu einem Bild von Max Ernst (Die Jungfrau züchtigt den Jesusknaben vor drei Zeugen) und einem Gedicht von Bert Brecht (Gegen Verführung).
God Fixation Will Fix No Nation
Annie Laurie Gaylor ist Mitbegründerin und Ko-Präsidentin der Stiftung „Freedom From Religion Foundation“ (FFRF). Von Ihrem Buch „Wehe den Frauen: Die Bibel bestimmt es“, Erstausgabe 1981, erschien inzwischen die vierte Auflage. Das Buch „Der Treuebruch: Kindesmissbrauch der Geistlichen“ wurde 1988 von der Stiftung herausgegeben. In diesem Buch wurde der weitverbreitete sexuelle Missbrauch Jugendlicher von Geistlichen erstmals dokumentiert. In ihrem Buch „Frauen ohne Aberglauben: Keine Götter, keine Dienstherren“ ist eine erstmalige Kollektion von Schriftstücken historischer und gegenwärtiger Freidenkerinnen.
Als Absolventin der Madison Journalismus Universität erhielt Annie Laurie 1980 eine Auszeichnung als Studentenreporter, sowie ein Ken Purdy Stipendium. Im Anschluss an ihre Absolvierung gründete sie das monatlich erscheinende Blatt „Feminist Connection“, für das sie 1980-1985 Herausgeber und Editor war. 1985 trat sie der Stiftung (FFRF) bei und ist seit 2004 Co-Präsident. Annie Laurie gründete bereits als Studentin die ursprüngliche FFRF zusammen mit ihrer Mutter Anne Nicol Gaylor. In den Jahren 1984-2009 war sie Editor der Zeitschrift „Freethought Today“, die zehn Mal im Jahr erscheint. Seit 2009 ist sie Director der Zeitschrift. Annie Lauie Gaylor ist mit Dan Barker verheiratet, die gemeinsame Tochter, Sabrina ist bereits Studentin. Annie Laurie und Dan Barker führen die Stiftung gemeinsam.
In Ihrem Vortrag „God Fixation Will Fix No Nation” stellt sie das Tätigkeitsfeld der Stiftung vor und geht auf aktuelle Entwicklungen im Verhältnis von Staat und Kirche in den USA ein.
Weitere Informationen zur Internationalen Atheistischen Konferenz vom 25. bis 27. Mai in Köln sowie Eintrittskarten, Verpflegungstickets und Hotel-Empfehlungen sind erhältlich auf der Tagungs-Seite des IBKA.
Fortsetzung folgt.
Rainer Ponitka