Offener Brief von Ralph Giordano

Dr.phil.hc. Ralph Giordano

 

OFFENER BRIEF AN HERRN FRITZ SCHRAMMA,

OBERBÜRGERMEISTER DER STADT KÖLN
Historisches Rathaus

50667 Köln

                        Köln, 15. Februar 2008

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

nach dem entlarvenden Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Recep Rayyip Erdogan in der Köln-Arena wiederhole ich den Appell, den ich am 11. Mai 2007 während eines Streitgespräches mit dem Ditib-Vorsitzenden Bekir Alboga schon einmal an Sie gerichtet habe: "Stoppen Sie den Bau der Großmoschee in Köln-Ehrendfeld! Er ist eine Falschaussage über das Verhältnis Mehrheitsgesellschaft / muslimische Minderheit, das Wahrzeichen einer schleichenden Islamisierung, ein unverhüllt integrationsfeindlicher Machtanspruch und verräterischer Schritt zu weit nach vorn."

Mit diesem Protest war etwas ausgesprochen worden, was offenbar weite Teile der Bevölkerung tief beunruhigt, bis dahin aus freien Stücken aber nicht nach oben kommen wollte. Anders ist die mediale Lawine nicht zu erklären, die bundesweit losgetreten war und mich seither mit Hunderten und Aberhunderten Briefen, Telefonaten, Faxen überschwemmt. Ihr ebenso einheitlicher wie bestürzender Tenor: "Wir stehen hinter Ihrer Kritik, wagen aber nicht, sie öffentlich zu bekunden, weil wir dann in die falsche, rechtsextreme Ecke gestellt werden – wo wir nicht gehören."

Hier braut sich Unheil zusammen, Herr Oberbürgermeister! Hier wird von zwei Seiten auf eine durch die Nazizeit immer noch tief verunsicherte Gesellschaft mit der Rassismuskeule eingeprügelt – von deutschen Multikulti-Illusionisten und von muslimischen Einpeitschern. Und das mit dem niederträchtigsten aller niederträchtigen Totschlagargumente der political correctnes: "Wer am Bau von Moscheen und am Islam Kritik übt, macht die Sache der Nazis von heute."

Nein und dreimal nein! Man braucht kein Überlebender des Holocaust zu sein, um mit bürgerlichem Selbstbewußtsein deutschen "Umarmern" wie muslimischen Scharfmachern couragiert die Stirn zu bieten.

Jeder hat das Recht, Fragen zu stellen. Zum Beispiel: Wer sind die wahren Planer, Bauherren und Finanziers der Großmoscheen? Die Riesensummen dafür können nicht von der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland allein kommen – woher also dann? Warum spielt die Ditib weiter mit verdeckten Karten? Warum legt sie nicht ihre wahren Beziehungen zur Dyanet offen, der staatlichen Religionsbehörde in Ankara, bei der die Fäden zusammenlaufen? Was stimmt an den Gerüchten über Pläne, die Deutschland mit Hunderten muslimischer Sakralbauten in eine Plantage von Großmoscheen verwandeln würden? Sind Sie, Herr Oberbürgermeister, nie auf den Gedanken gekommen, daß hinter der Forderung nach Religionsfreiheit auch andere Absichten stecken könnten? Daß niemand Gläubigen würdige Gebetsstätten verwehren will, es zwischen Hinterhofmoschee und zentraler Großmoschee aber viele Abstufungen gäbe ohne den Abschreckungseffekt des integrationsfeindlichen Ehrenfelder Reißbretttmodells mit seinen ebenso ungeschickten wie kosmetischen Korrekturen?

Der Bau von Großmoscheen ist dem Status quo der Beziehungen zwischen Mehrheitsgesellschaft und muslimischer Minderheit diametral entgegengesetzt.

Lassen Sie uns endlich die Dinge beim Namen nennen. Die reflexartige Furcht, ausländer- und fremdenfeindlich geschimpft zu werden, tut das nicht, immer noch nicht. Weil der überproportionale Migrantenanteil an der Jugendkriminalität im hessischen Wahlkampf parteipolitisch focussiert wurde – gibt es diesen Anteil darum etwa nicht?

Niemand hat behauptet, die deutsche Mehrheitsgesellschaft habe bisher ihre Hausaufgaben gemacht, aber die größten Hemmnisse für eine erfolgreiche Integration kommen von Muslimen selbst. Hier bei uns stoßen patriarchalische Sitten, Gebräuche und Traditionen, die aus dem Stammland importiert sind und mit großer Zähigkeit in einer zementierten Diaspora gepflegt werden, auf eine der liberalsten Gesellschaften der Welt.

Das ist der Kern des Konfliktes und sein heikelster Grund.

An ihm ist die Integration bisher gescheitert und damit zum Problem Nr. 1 der deutschen Innenpolitik geworden – mit einer langen Perspektive in das das 21. Jahrhundert hinein. Dabei bleibt die Frage, ob die türkisch dominierte islamische Minderheit in Deutschland, abgesehen von individuellen Ausnahmen, kollektiv integrierbar sein wird, völlig offen.

Heute haben wir unseren Blick, unsere Hausaufgabe, unsere Mittel zu konzentrieren auf die dritte Generation mit "Migrationshintergrund". Auf jene Enkellinnen und Enkel, die zwischen muslimischem Baum und deutscher Borke leben – einerseits die Brutstätte finsterster Jugendkriminalität, andererseits aber auch das Potential für die Hoffnung auf ein Miteinander von Mehrheit und Minderheit im Zeichen von Gewaltlosigkeit.

Es gehört viel Optimismus dazu, an diese Vision zu glauben und ihr zuzuarbeiten. Eine andere Aufgabe aber kann es nicht geben. In dieser Situation ist der Bau von Großmoscheen jedoch das Verkehrteste sein, was sich denken läßt.

Das mahnt mein Offener Brief an Sie noch einmal an, Herr Oberbürgermeister - eine eher symbolische Adresse, wie ich sehr wohl weiß, da Entscheidungen natürlich nicht allein bei Ihnen liegen, aber dennoch die richtige.

Meine Vita dürfte Ihnen so hinlänglich bekannt sein, daß ich mich hier nichts als Anwalt von Minderheiten auszuweisen brauche. Habe ich doch fast mein ganzes Leben mit dem Kampf für sie auf der ganzen Welt zugebracht, nachdem ich selbst einst einer tödlich bedrohten Minderheit angehört habe. Es sind deshalb auch genau die in jener Schreckenszeit erkämpften und erlittenen Kriterien, die mich heute sensibilisieren für die Gefahren, die aus dem politischen und militanten Islam kommen. Dafür werde ich nun, nach daseinslanger Anfeindung von rechts, auch im Namen Allahs bedroht, und das so massiv, daß es selbst einen terrorgewohnten Mann wie mich schocken kann.

Ein Türkenschreck, ein Antimuslim-Guru aber bin ich so wenig, wie ich zum Bürgerkrieg geblasen habe - ich stelle mich vor jede Muslima, jeden Muslim, die rassistisch attackiert werden, wie es die Ehre der Mehrheitsgesellschaft sein muß, Minderheiten vor jeder Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit zu schützen.

Ich habe lediglich ein Problem angesprochen, das von feigen Politikern über Jahrzehnte hin verdrängt, beschönigt oder einfach ignoriert worden ist.

In diesem Konflikt bestehe ich auf meiner kulturellen Selbstbehauptung und verteidige die demokratische Republik, wie bisher, nach zwei Seiten – gegen radikale Deutsche und gegen radikale Muslime. Und das an der Seite aller friedliebenden Muslime, ob nun mit deutschem oder ohne deutschen Paß.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Ralph Giordano