Aktive Sterbehilfe in Luxemburg legalisiert

Gesetzesvorschläge zur Palliativpflege und zur Sterbehilfe vom Luxemburger Parlament angenommen

 

LUXEMBURG. (hpd) Vergangenen Dienstag diskutierten 60 Abgeordnete mehr als sechs Stunden zwei Gesetzesvorschläge, die sich mit dem Sterben befassen. Nach dem einstimmig angenommenen Gesetz zur Palliativpflege erhält nun jeder unheilbar kranke Mensch das von der Krankenkasse finanzierte Recht auf Palliativpflege. Das Recht auf Sterbehilfe war dagegen bereits im Vorfeld medial sehr umstritten. Dennoch entschieden sich 30 Abgeordnete dafür, 26 dagegen, 3 enthielten sich. Damit ist Luxemburg weltweit das dritte Land nach Holland und Belgien, in dem passive wie aktive Sterbehilfe auf legalen Füßen steht.

Die Diskussion zum Gesetzesvorschlag über die Depenalisierung der Euthanasie verlief im Luxemburger Parlament weitgehend ohne Polemik, mit großer Sachlichkeit, manche Abgeordnete brachten persönliche Erfahrungen mit Sterbenden ein. Die Abstimmung erfolgte ohne Fraktionszwang, weshalb der Ausgang bis zuletzt ungewiss war.

Recht auf Selbstbestimmung / Angst vor Missbrauch

Die Hauptargumente der Befürworter waren das Recht auf Selbstbestimmung, welches auch unabhängig vom eigenen Gewissen der Abgeordneten jenen unheilbar Kranken eingeräumt werden solle, die ihren Todeskampf verkürzen und in Würde sterben wollten. Darüber hinaus wirke die Palliativmedizin nicht in allen Fällen. Zudem entspreche die aktive Sterbehilfe dem Wunsch einer Mehrheit in der Bevölkerung. Die zweitgrößte Luxemburger Tageszeitung, das eher unabhängig bis links orientierte Tageblatt, hatte am vergangenen Wochenende eine seriöse Umfrage publiziert, aus der hervorgeht, dass 78,3 Prozent der Bevölkerung pro Sterbehilfe eingestellt sind - auch wenn nach Altersgruppen und Bildung differierende Ergebnisse zu Stande kommen (je jünger, je gebildeter, desto eher pro Sterbehilfe), sind es in jeder Gruppe mindestens 68 Prozent, die Sterbehilfe befürworten.

Die Gegner selbstbestimmten Sterbens wiesen auf die Gefahren des Missbrauchs hin, fürchteten das „Wegspritzen" von Behinderten und missgebildeten Kindern oder den Sterbewunsch unheilbar Kranker zur Entlastung von Angehörigen, bis hin zum Mord.

Beide Gesetze müssen, da sie verabschiedet wurden, nachgebessert werden, da sie sich in einigen Punkten widersprechen. Nichtsdestotrotz sehen Befürworter die Sterbehilfe als komplementär, als Ergänzung zur Palliativpflege.

Breite öffentliche Diskussion

In der Luxemburger Presse und im Radio wurde am Tag nach der Abstimmung das Ergebnis als erste Meldung eher neutral und ausgewogen präsentiert inkl. der Namensnennung derer, die fraktionsabweichend votiert hatten. Lediglich der Leitartikel im konservativen und kirchlich geprägten "Wort" vom 20.2.08 stellte Euthanasie als Irrtum dar, in welchem eine konsumorientierte, bequeme, utilitaristische Weltanschauung zum Ausdruck komme, statt die Existenz von der Geburt bis zum Tod in einer transzendentalen wie ganzheitlichen Dimension zu erleben. Im Tageblatt vom 20.2.08 wurde sehr ausführlich berichtet, das Palliativgesetz wurde vorgestellt und das Votum der Parlamentarier/innen (50,84%) dem Votum der Bevölkerung (78,3%) pro Sterbehilfe gegenübergestellt. Zudem wurde namentlich aufgelistet, wer pro und wer contra Gesetzesvorschlag zur Depenalisierung der Euthanasie gestimmt hatte. So stimmten pro Sterbehilfe alle Mitglieder der Grünen, der DP (liberal), 11 Mitglieder der LSAP (sozialdemokratisch) und jeweils ein Mitglied der konservativen Parteien CSV und der ADR. Gegen das Gesetz stimmten 23 CSV-Mitglieder, zwei von der ADR und ein Unabhängiger. Die drei Enthaltungen stammten aus der LSAP.

Die Legalisierung der passiven und aktiven Sterbehilfe ist ein weiterer Schritt in Richtung Selbstbestimmung des Menschen bis zum Tod und zugleich eine Befreiung von kirchlichen Wertvorstellungen und Diktionen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Regierungen anderer (europäischer) Länder am konservativen und kirchendominierten Luxemburg ein Beispiel nehmen.

Fiona Lorenz