I am Legend

I am Legend“ ist ein Endzeit-Film mit Will Smith in der Hauptrolle, der eine christlich-fundamentalistische Botschaft vermitteln will.

 

 

Er lief bereits Mitte Januar in deutschen Kinos an. Erstaunlicherweise übergingen die meisten Rezensionen des Films seine Aussage, weshalb ich eine Besprechung nachreichen möchte.

 

Ähnlich wie es schon bei Silent Hill und Kaena der Fall war, sprach man über Dinge wie die Qualität der Computereffekte, über die Treue zur Vorlage, die schauspielerischen Leistungen und über den Unterhaltungswert. Das eigentliche Thema aller drei Filme, wie offensichtlich es sich auch jeweils aufdrängte, wurde nur sehr selten erwähnt: Die Auseinandersetzung mit der Religion in ihrer ursprünglichen, fundamentalistischen Variante. Vermutlich liegt dies in mangelnder religiöser Bildung der nicht-fundamentalistischen Bevölkerung begründet. Sowohl Silent Hill als auch Kaena fielen deutlich religionskritisch aus. Beim französischen Horrorfilm Silent Hill nahmen Dämonen die Rolle der Guten ein und fundamentalistische Christen bildeten einen leichtgläubigen und beeinflussbaren Mob, der kleine Kinder als Hexen verbrennt. Bei Kaena wird ein aufgeklärtes Mädchen sogar zur Erlöserfigur erhoben und nimmt Jesus Platz ein.

 

Ganz anders bei I am Legend. Wie schon im Falle von Silent Hill durchziehen den Film christliche Motive. Kruzifixe, Psalmen und weitere Anspielungen tauchen zunehmend häufig auf. Ein atheistischer Zuschauer ist jedoch noch lange guter Hoffnung, bis sich das Blatt im letzten Drittel drastisch wendet.

  

Handlung

Im Jahre 2009 tötet ein als Heilmittel gegen Krebs geplantes Virus 90% der Weltbevölkerung. 0,2% der Menschen sind immun und die restlichen 688 Millionen entwickeln sich als Zombies. Wie schon in „28 Days Later“ und der Neuverfilmung von „Dawn of the Dead“ ist die moderne Zombievariante schnell, stark und zäh, ganz anders als George A. Romeros torkelnde Schlafmützen aus dem Filmklassiker „Die Nacht der lebenden Toten“. Von Romeros späteren Filmen der Reihe hat man dagegen die Idee übernommen, den Zombies ein gewisses Maß an Intelligenz zu verleihen, das sie zur Jagd auf Menschen nutzen, sowie den Einfall, ihnen einen besonders schlauen und starken Anführer voranzustellen. Von der Romanvorlage Ich bin Legende hat man wiederum die Idee, sie anfällig für UV-Licht zu machen, dort gab es anstelle von Zombies nämlich Vampire. Sinn ergibt das alles eigentlich nicht und es hat auch nichts mit der Aussage des Films zu tun. Vielleicht sollen die Zombies und die entsprechenden Verfolgungsjagden nur eine Art Lockmittel für die Zuschauer sein, als Bonus zu Popcorn und Cola.

 

In dieser Ausgangsituation verschanzt sich ein vormals für das US-Militär tätiger Virologe namens Robert Neville bei Dunkelheit in seinem Haus, ein Vorzeigemodell für den amerikanischen Sicherheitswahn mit verschließbaren Stahltüren. Später findet man heraus, dass er sogar Minen vor dem Haus platziert hat, die ihm genauso wenig helfen wie der Stahl, seine Waffen, oder der Rest der vom Christentum verteufelten Technik.

 

Neville experimentiert in seinem Keller an Tieren und an Zombies, um ein Heilmittel für die Untoten zu finden. Tagsüber rast er mit verschiedenen Sportwagen durch die verlassenen, mit Pflanzen bewachsenen Straßen New Yorks, jagt Hirsche und treibt allerlei Unsinn. Obwohl die Computereffekte nie ganz überzeugen, entfalten diese Bilder doch eine gewisse Kraft. Man fühlt sich ironischerweise an Tyler Durdens (Fight Club) Vision einer anarchistischen Utopie erinnert, in der man wie ein Höhlenmensch in den Ruinen einer modernen Metropole lebt.

 

Hier wird auch Roberts Wahnsinn erkennbar, denn er spricht und bekriegt sich mit Schaufensterpuppen und tut so, als würde er sich in einem Laden DVDs ausleihen müssen. Außerdem sieht er sich so oft den Animationsfilm „Shrek“ an, dass er ihn schließlich vollkommen auswendig kennt. An sich ist diese Idee nicht schlecht, einen Charakter auf diese Weise auf völlige Vereinsamung reagieren zu lassen, aber: Seit der Katastrophe sind gerade einmal drei Jahre vergangen. Zudem kann Robert an anderen Stellen vollkommen rational denken, vor allem, was seine systematische Forschung betrifft. Oder – zunächst – bei der Gottesfrage.

 

Und hier wird es richtig seltsam. Nach dem Tod seines einzigen Gefährten, eines deutschen Schäferhunds, entschließt sich Neville zum Selbstmord, indem er mit dem Auto durch Horden von Zombies rast. Er wird von einer Lichtgestalt gerettet, die offenbar über das Meer zu ihm gekommen ist, schließlich wurden die Brücken nach Manhatten gesprengt. Bei ihr handelt es sich um eine Frau namens Anna1. Sie hat auch einen Sohn, der in dem ganzen Film kein einziges Wort sagt. Robert spricht mit ihr über Songs von Bob Marley und seine angebliche Botschaft, sich jeden Tag für eine bessere Welt einzusetzen, ebenfalls eine Anspielung an das Christentum, dem Marley mit einiger Überzeugung anhing.

  

Und wieder ein Erlöser

Robert verschanzt sich mit Anna und Sohn Ethan2 bei sich zu Hause, wo er seine Forschungen fortsetzt. Es kommt zu einem weiteren Dialog zwischen Anna und Robert. Anna sagt, sie sei von der Existenz einer menschlichen Kolonie in nicht allzu weiter Entfernung überzeugt. Wie sie das wissen könne, fragt Robert. Weil Gott es hier gesagt hat, er hat einen Plan. Der Gott? Ja, der Gott. Ich weiß wie das klingt, meint Anna. Es klingt verrückt, antwortet Robert und klärt sie über seine Sicht der Dinge auf: Dieser allgute Gott hat gerade 90% der Menschheit ausgelöscht und 688 Millionen Zombies sind gerade dabei, den Rest zu vertilgen, ganz unabhängig davon, ob es gute Menschen sind oder nicht. Es gibt keinen Gott! sagt er und schreit es noch einmal, damit es auch jeder mitbekommt. Zwar war es nicht die netteste Art und Weise, Anna über diesen Umstand aufzuklären, aber es ist doch gerade in dieser Situation ziemlich offensichtlich. Oder?

 

Ja, allerdings. Aber wie entwickelt sich der Film? Anna, Ethan und Robert verstecken sich im Keller, als das Haus von Zombies überrannt wird. Sie stellen fest, dass Roberts neuestes Experiment funktioniert hat, er entnimmt seinem Versuchs-Zombie das Heilserum. Als der Ober-Zombie versucht, die Panzerglasscheibe zu zertrümmern, hinter denen sich sich verschanzen, hat Robert plötzlich ein religiöses Erlebnis, das aus einer Stimme besteht, die ihn auf das Schmetterlings-Tattoo von Anna hinweist3. Auf jeden Fall entschließt er sich dazu, seinem Medienruf als „Erlöser“ gerecht zu werden und opfert sich für Anna und das Heilserum, indem er sich und die Zombies mit einer Granate sprengt, während sich Anna und Ethan in eine kleine, gepanzerte Kammer zurückziehen.

 

Nachdem sich Robert Neville für die Sünden der Welt geopfert und die Menschheit erlöst hat, wird es erst so richtig erschreckend: Anna fährt mit Ethan zu der Kolonie. Dort trifft sie, begleitet vom Glockenschlag der weißen Kirche im Hintergrund, auf besonders nette und hilfreiche Menschen, namentlich US-Soldaten und die überlebenden... Christen!

 

Womit haben wir es hier also zu tun? Ganz richtig: Ein apokalyptisches Weltuntergangsszenario nach biblischem Vorbild. Und nun zu der Aussage des Films (und der Bibel): Gott rottet alle Ungläubigen grausam aus und es überleben nur gute Christen, die sich in einem hell erleuchteten weißen Vorort mit weißer Kirche4 (dem Himmel) versammeln, wo sie Gott hingeführt hat, um fortan an seiner Seite zu leben. Das nennt sich „Erlösung“. Währenddessen brennen die Seelen der Ungläubigen für alle Ewigkeit in der Hölle, was im Film nicht gezeigt wird. Genau das ist der große Plan Gottes.

  

Fazit

Rüdiger Suchsland von Telepolis war so nett, den Film in seiner empfehlenswerten Rezension faschistisch zu nennen und ihn mit Nazi-Ideologie in Verbindung zu bringen. So nett bin ich nicht, denn er ist in seiner Aussage sogar noch schlimmer und menschenverachtender. Leider kenne ich gar kein Wort, das eine solche, von Abermillionen fundamentalistischen Christen herbeigewünschte, „paradiesische“ Endzeitvision mit Leichenbergen von Milliarden Un- und Andersgläubigen akkurat beschreiben könnte. Psychopathisch? Wahnsinnig? Gemeingefährlich? Am besten, ich lasse Ian McEwan, dem Autor von Atonement, an dieser Stelle über von christlichen Endzeitwahn motivierte Gewalttaten zu Wort kommen. Er hat sich inzwischen ebenfalls den Neuen Atheisten angeschlossen:

 

[...] In diesem grausamen Inferno starben Kinder, ihre Mütter und andere Anhänger. Sogar noch mehr starben zwei Jahre später, als Timothy McVeigh Rache gegen die Regierung für ihren Angriff bei Waco ausübte und sein Gemetzel in Oklahoma City anrichtete. Nicht ohne Grund bemerken und beschreiben Psychiater als eines der Symptome einer sich entwickelnden Psychose: 'Religiosität'.“5

 

Eben aufgrund der mangelnden religiösen Bildung breiter Schichten der Bevölkerung wird dieser Film wohl keinen allzu großen Schaden anrichten, weil die Botschaft ohnehin nicht ankommt. Aber: Endzeitchristen lachen sich heimlich ins Fäustchen, dass sie Hollywood mit einem millionenschweren Blockbuster in ihren Untergangs- und Vernichtungsfantasien bestätigt.

  

Zweifel?

Könnte ich mit meiner Interpretation falsch liegen? Dafür gibt es einen denkbaren Ansatzpunkt im Film, weil Richard Neville nämlich feststellt, dass nicht Gott die Menschen ausgelöscht hat, sondern der Mensch selbst dafür verantwortlich ist. Versteht man diese Aussage vor dem Hintergrund christlicher Theologie, haben wir es wohl mit der Freie-Wille-Erklärung für Leid zu tun, ein erfolgloser Versuch, die Theodizee-Frage zu beantworten. Das Problem besteht nur darin, dass Neville ja eben kein Christ ist, als er dies feststellt, sondern ein Atheist. Und was wissen die schon von Gottes großem Plan, von dem stets die Rede ist im letzten Drittel des Films?

 

Sollte es also tatsächlich so gedacht sein, dass die Auslöschung von 90% der Menschheit nicht Bestandteil von Gottes Plan ist, im Gegensatz zu seiner Einsetzung von Neville als Jesus-Ersatz und der paradiesischen Kolonie am Ende, dann muss Gott wohl mal kurz nicht hingesehen haben? Oder er hat den Menschen ihre freie Entscheidung zur Selbstauslöschung überlassen. In diesem Fall müsste man fragen: Warum greift Gott nach der Vernichtung eines Großteils der Menschen ein, um überlebende Christen mittels einer Prophezeiung (Kolonie), einem Erlöser (Neville), einem Engel (Anna) und einem religiösen Erlebnis (Schmetterling) zu retten, aber nicht vor der Vernichtung der Menschen, wenn viele gute Christen darunter waren? Dazu kommt, dass weder in der Buchvorlage noch einer früheren Verfilmung mit Charlton Heston6 (Der Omega-Mann) christliche Motive eine Rolle spielen.

 

Entweder übersehe ich doch etwas, oder die Macher haben sich nicht ganz so viel dabei gedacht, oder wir haben es tatsächlich mit einem millionenschweren Endzeitwahn auf Zelluloid zu tun. In jedem Fall hätte sich der Scientologe Will Smith lieber noch ein paar Mal Shrek reinziehen sollen, als sich für so einen Film herzugeben.

 

I am Legend wird am 21. April in den USA und Großbritannien auf DVD und Blu-ray erscheinen. Keines der veröffentlichten Filmfotos zeigt christliche Motive oder lässt die Aussage des Films erahnen.

 

 

1Ein biblischer Name, der Anmut, Liebreiz bedeutet

2Ebenfalls ein biblischer Name. Bedeutung: der Beständige, der Langlebige – und tatsächlich überlebt Ethan

3Im Christentum gilt der Schmetterling als Symbol für Auferstehung

4Weiß ist laut christlicher Symbolik die Farbe der Unschuld. So sollen zum Beispiel die weißen Ministrantenroben auf die Jungfräulichkeit der Mädchen und Jungs verweisen, die sie tragen. Wer's glaubt, wird selig...

5McEwan, Ian: End of the World Blues. In: The Portable Atheist. Essential Readings for the Nonbeliever. Hrsg. von Christopher Hitchens. Da Capo Press. USA 2007. S. 365

6Im Gegensatz zu seinem früheren Dasein als liberaler Bürgerrechtler teilt Heston seit 20 Jahren einige Positionen der religiösen Rechten, was u.a. seine Ablehnung der Abtreibung und sein Einsatz für die NRA zeigen.

 

Andreas Müller