Ärztekammer gegen Arzt Arnold

BERLIN. (hpd) Die Ärztekammer Berlin veröffentlichte gestern, eine Untersagungsverfügung

in Sachen Sterbehilfe erlassen zu haben. Sie will durch Strafgeldandrohung von 50.000 € verhindern, dass Ärzte bei freiverantwortlichen Suiziden aus humanitären Erwägungen Sterbebegleitung leisten.

Der Hintergrund dieser Androhung ist der Fall einer Patientin in Bayern, die ihren Suizid mit Hilfe der Sterbeorganisation „dignitate“ und des Berliner Arztes Uwe-Christian Arnold angekündigt hatte.

Die Ärztekammer Berlin untersagte dem Arzt mit Datum vom 29.11.2007, die Substanzen an die besagte Patientin sowie andere Patienten zu übergeben beziehungsweise zum Suizid zu überlassen. Der Arzt hat inzwischen Widerspruch gegen die Untersagungsverfügung eingereicht (Die Unterlagen liegen dem hpd vor).

Dazu ein Kommentar von Lutz Barth (Langen), Jurist, Spezialist in Medizin-, Pflege- und Gerontopsychiatrierechtssachen, übernommen aus seinem heutigen IQR-Beitrag
(IQR = Institut zur Qualifizierung und Beratung von Mitarbeitern und Gesundheitseinrichtungen). Bei dem in diesem Kommentar anonym genannten Berliner Arzt handelt es sich um Arnold.

Die Debatte um die Sterbehilfe und damit um die ärztliche Assistenz bei einem freiverantwortlichen Suizid wird offensichtlich flankierend durch berufsrechtliche Verfügungen „entschärft“. Nach einer aktuellen Pressemitteilung der Ärztekammer Berlin v. 25.02.08 hat der Vorstand der Ärztekammer Berlin gegen einen Berliner Arzt, der angekündigt hatte, für eine Sterbehilfeorganisation aktiv nach sterbewilligen Patienten zu suchen, um Präzedenzfälle zu schaffen, eine Untersagungsverfügung erlassen. In dieser Untersagungsverfügung wird ihm untersagt, Patienten für den beabsichtigten Suizid Medikamente zu überlassen. Bei Zuwiderhandlung wird ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000 Euro angedroht.

Aus Sicht der Ärztekammer Berlin dürfen sich Ärztinnen und Ärzte nicht zu Sterbehelfern machen lassen. „Wir lehnen die Kommerzialisierung des Suizides, wie sie derzeit aktiv von einigen Organisationen vorangetrieben wird, strikt ab“, so der Kammerpräsident Dr. med. Günther Jonitz und mit Verlaub ist hier kritisch nachzufragen, ob hier die Ärztekammer nicht selbst ihre Kompetenz überstiegen hat. Selbstverständlich kommt auch den Ärztekammern das „Recht“ zu, ihre Meinung in der aktuellen Sterbehilfe-Debatte zu äußern.

Gleichwohl ist hier sehr sorgfältig zu differenzieren, ob sich die Ärztefunktionäre in ihrer Eigenschaft als gewählte Funktionäre äußern oder schlicht ihre private Gewissensentscheidung einem breiteren Publikum gegenüber verlautbaren lassen und so die Medienpräsenz etwa der Ärztekammer für ihr ethisches Grundsatzvotum fruchtbar machen. Wer – so muss nachgefragt werden – ist mit „wir“ gemeint?

Diese Frage wurde insbesondere schon mit Blick auf den Präsidenten der Bundesärztekammer aufgeworfen, der ebenfalls häufig und gerne davon spricht, dass „wir“ gegen einen ärztlich begleiteten freiverantwortlichen Suizid seien.

Insofern dürfen wir gespannt sein, wie über den Widerspruch des betroffenen Arztes entschieden wird. Auch wenn wir keine Propheten sind, dürfte die Widerspruchsentscheidung letztlich auf der Hand liegen und der betroffene Arzt muss – wenn er seine Rechte mit allerletzter Konsequenz wahrzunehmen gedenkt – durch die entsprechenden Instanzen marschieren. In dieser ärztlichen Berufsangelegenheit geht es um mehr, als es bisher den Anschein hat.

Es geht auch – und vielleicht sogar ganz zentral – um die Frage, ob die Ärztekammern befugt sind, qua Standesethik den Kammerangehörigen ihre ureigene Gewissensentscheidung aufzudrücken und ggf. das ärztliche Berufsrecht als Sanktionsgrundlage heranziehen dürfen, um ggf. auf eine entgegenstehende Gewissensentscheidung der betroffenen Ärzte „einwirken“ zu können.

Die Begründung in der Untersagungsverfügung selbst weist diesen Weg in der Debatte, wenn uns soweit in ihr darauf hingewiesen wird, dass gemäß § 2 Abs. 1 BO der Arzt seinen Beruf nach seinem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit ausübt. Nach Auffassung der Ärztekammer Berlin folgt hieraus augenscheinlich, dass ethische Grundsätze, die Ärzte dabei zu beachten haben, in die Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung aus dem Jahre 2004 eingeflossen sind und demzufolge widerspreche die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung dem ärztlichen Ethos.

Gerade dies aber steht zu bezweifeln an, denn die Grundsätze der BÄK zur ärztlichen Sterbebegleitung sind nicht rechtsverbindlich und werden es auch nicht dadurch, in dem hier scheinbar das ärztliche Ethos Eingang in die Grundsätze gefunden hat. Die standesethischen Proklamationen sowohl der BÄK als auch der Landesärztekammern setzen den Grundrechten der Ärzteschaft keine Gewissensgrenzen und dies dürfte die alles entscheidende Frage sein, die es gilt, endlich einer Beantwortung zuzuführen.