BERLIN. (hpd) Sturmgepeitscht und Schirm tragend, die Mützen tief in die Stirn
gedrückt, nahm gestern Nachmittag am Eingang Bahn Tower am Potsdamer Platz eine Menge Interessierter teil an der Denkmalseinweihung für den italienischen Philosophen Giordano Bruno.
Das Kunstwerk
Geschaffen hat diese Skulptur der Berliner Bildhauer Alexander Polzin. Die sechs Meter große, kopfunter hängende Menschenfigur wurde aus einem einzigen Fichtenstamm herausgeschnitten und dann in Bronze gegossen. Die angedeutete Schraubbewegung zielt auf das Inbild des nackten, geschundenen Menschen mit überstreckten Füßen, Armen und Händen.
Die sechs Finger an einer der beiden Hände bringt den visionären Abweichler, den Theoretiker des Übermenschlichen in’s Spiel. Der Brustansatz verweist auf die undogmatische, arkane, gleichsam feminine Seite Brunos Naturphilosophie.
Das Holz, das dem Entwurf zu Grunde liegt, ein Kohlenstoffmaterial, verwandelt sich mit all seiner Maserung in eine Kupfer-Zinn-Legierung. „Damit haben wir, was wir brauchen: eine Rhetorik des Feuers, die diesem Mann gerecht wird, eine Ahnung von der Sprache der Alchemie und der Metamorphosen, die ihn als Pantheisten beflügelte. Bruno war gewiß der furchloseste und aufrichtigste aller neuzeitlichen Kosmologen.“ Der 1962 in Dresden geborene Schriftsteller Durs Grünbein beschrieb in seiner Rede sehr lyrisch die Anziehungskraft Brunos auf Polzin, Nola, Budapest und Berlin als Stationen des Werkes und gleichsam das Wirken Giordano Brunos eindrucksvoll.
Gruß der gbs
Für Dr. Ernst Salcher, Vorstandmitglied der Giordano-Bruno-Stiftung, ist die Skulptur „kein Werk der ästhetischen Beiläufigkeit, sondern der gezielten Irritation. Diese Skulptur stemmt sich mit Macht gegen den Strom der täglich an ihr vorbei hastenden Menschen, sie widersteht ihm, sie geht nicht auf in ihm … – weil sie mitteilen will: ’Das alles ist lange her und man kann sich zu Recht fragen, warum wir heute – an diesem zentralen Platz inmitten Europas – noch einmal ein Giordano Bruno- Denkmal aufstellen.’
Die Antwort ist einfach: Der Blick auf den Zustand unserer Welt und auf die unsäglich deprimierenden Nachrichten, die uns täglich erreichen, gibt uns die Antwort: Wir brauchen heute nötiger denn je Menschen, die das Recht auf Geistesfreiheit verteidigen und den Gebrauch der menschlichen Vernunft als den einzig richtigen Weg ansehen, um eine friedlichere, bessere und gerechtere Welt zu erreichen. …
Die Giordano Bruno Stiftung, die ich hier vertrete, folgt der Tradition ihres Namensgebers in der klaren Absage an jeglichen Fundamentalismus, gleichgültig ob religiöser oder ideologischer Art, und geht über ihn hinaus, indem sie das Gedankenguts eines modernen ’evolutionären Humanismus’ verbreitet, der ein von Vernunft geleitetes, friedliches und gleichberechtigtes Mit- und Nebeneinander der Menschen im 21. Jahrhundert anstrebt. Dies ist ein glücklicher Tag für unsere Stiftung.“
Die vollständige Rede ist auf der extra eingerichteten Homepage zum Denkmal hier nachzulesen, wo auch weitere Informationen zu finden sind.
Seit dem Tod des im süditalienischen Nola 1548 geborenen Gelehrten Giordano Bruno (eigentlich Filippo Bruno) auf dem Scheiterhaufen in Rom am 17. Februar 1600 stand die Auseinandersetzung mit dessen Leben und Werk unter zwei Vorzeichen: Auf der einen Seite das wissenschaftliche Interesse am Werk eines bedeutenden Philosophen und zeitlebens unbequemen Denkers; auf der anderen Seite die Idealisierung Brunos als Vorkämpfer der Gedankenfreiheit. Zwar erklärten im Jahr 2000 der päpstliche Kulturrat und eine theologische Kommission die Hinrichtung Giordano Brunos für Unrecht, aber eine Rehabilitierung erfolgte nicht. Die Gegnerschaft der katholischen Kirche Giordano Bruno gegenüber besteht fort.
Hinweis
In Ergänzung der Denkmalseinweihung finden in Berlin eine Podiumsdiskussion sowie ein internationales Kolloquium statt.
GG