Genie und Wahnsinn

(hpd) Frank Tipler ist seit 1987 Professor der mathematischen Physik an der Tulane University in New Orleans mit den Spezialgebieten

Kosmologie, Allgemeine Relativitätstheorie, Elementarteilchenphysik und Komplexitätstheorie. Seine Fähigkeiten auf dem Gebiet der theoretischen Physik stehen außer Zweifel. Während sich der Wahn in seinem ersten Buch "Die Physik der Unsterblichkeit" noch in gewissen Grenzen hielt, hat er mit seinem neuen Buch nun völlig abgehoben.

 

Generell ist dabei dem Autor der Vorwurf zu machen, dass er fundierte physikalische Theorien, physikalische Hypothesen und reine Spekulationen bis hin zur Esoterik nicht klar voneinander trennt. Jeder Nichtphysiker dürfte große Mühe haben, hier die Trennungslinien zu erkennen. So lässt er als Interpretation der Quantenmechanik nur die Vielweltentheorie gelten. In dieser Interpretation ist die Quantentheorie streng deterministisch. Allerdings werden derzeit auch noch immer andere Interpretationen der Quantentheorie diskutiert. Als absolut gültig gilt keine. Weiterhin hält er das Standardmodell der Elementarteilchentheorie für komplett und das Problem einer Quantentheorie der Gravitation für gelöst. Beides trifft so nicht zu. Voraussetzung für seine Omegapunkttheorie ist, dass das Universum mit einem "Big Crunch" endet, also wieder in sich zusammenstürzt. Neuere Beobachtungen zeigen eine beschleunigte Expansion, das gerade Gegenteil dessen was Tipler für seine Theorie braucht. Daneben fordert er, dass intelligentes Leben den ganzen Kosmos durchdringt und in der Lage ist, die gesamte Materie zu beherrschen. Die dazu notwendige Technik ließe jeden Science Fiction Autor vor Neid erblassen.

Haarsträubende Erklärung der biblischen Wunder

Völlig haarsträubend wird es aber dann, wenn Tipler versucht, die biblischen Wunder mit Hilfe der Physik zu erklären.

So wird das Wandeln Jesu auf dem Wasser mit einem Neutrinostrahl erklärt, der direkt unter den Füßen Jesu erzeugt und nach unten gerichtet wurde. Die dafür notwendige Energie wurde angeblich durch direkte und vollständige Umwandlung von Materie in Energie erzeugt.

Die Auferstehung wird erklärt durch eine Entmaterialisierung des Körpers von Jesus über den elektroschwachen Quanten-Tunneleffekt. Genauso "einfach" kann dann natürlich auch eine Materialisierung wieder stattfinden und das alles, obwohl die Wahrscheinlichkeit für die Entmaterialisierung auch nur eines einzigen Atoms über diesen Effekt so gering ist, dass man ihn wohl nie beobachten wird. Aber in der Manipulation der Wahrscheinlichkeit durch Gott liegt eben gerade das Wunder. Das Ganze erinnert stark an das "Beamen" das uns ja von der Fernseh-Serie "Raumschiff Enterprise" wohl bekannt ist. Mit der Baryonenvernichtung durch den elektroschwachen Tunneleffekt löst Tipler mal eben noch nebenbei unser Energieproblem und erfindet den Neutrino-Raketenantrieb.

Natürlich hat er auch keinerlei Probleme die jungfräuliche Geburt Jesu zu erklären. Dazu zeigt er anhand der Genetik, dass Jesus ein Mann mit XX-Chromosomen sein muss und außerdem hat er natürlich nicht das Gen der Erbsünde. Die besonderen Gene von Jesus ließen sich natürlich "problemlos" durch Untersuchung des Turiner Grabtuches nachweisen, es hat halt nur noch keiner gemacht. Es werden daher noch Sponsoren gesucht!

Tipler kann sogar in die Zukunft sehen. So wird sich nach seiner Meinung die Menschheit noch dieses Jahrhundert selbst durch neuartige Bomben vernichten. Aber das macht weiter nichts, denn die künstliche Intelligenz überlebt, weil ihr die radioaktive Strahlung nichts anhaben kann. Roboter werden unsere Zivilisation weiterführen bis zum Omegapunkt, an dem wir alle wiedergeboren werden und in ewiger Glückseligkeit bis in alle Ewigkeit weiterleben werden. Also keine Panik!

Auch die Dreifaltigkeit des christlichen Glaubens findet ihre physikalisch fundierte Erklärung. Die Urknall-Singularität ist der Heilige Geist, die Endsingularität ist Gott der Vater und die Verbindung der beiden Singularitäten ist Jesus.

Tipler reduziert insgesamt den christlichen Glauben zunächst auf die Physik und anschließend die Physik wieder auf die Religion. Da fragt man sich, warum so umständlich? Wahre Christen brauchen keine Physik für ihren Glauben. Daher sollten Christen angesichts der Tatsache, dass endlich mal ein Physiker ihren Glauben stützt, keine Lobgesänge anstimmen, denn die Beweiskraft von Tiplers Argumenten ist äußerst gering und könnte sich leicht ins Gegenteil verkehren.

Fazit: soviel konzentrierter Unfug ist selbst in den abgedrehtesten Science Fiction Romanen nicht anzutreffen. Mit diesem Buch beschädigt Tipler nicht nur die Physik, sondern auch das Christentum, aber am Meisten beschädigt er sich selbst, denn nach diesem Machwerk kann man ihn beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen.

Bernd Vowinkel

Frank Tipler: Die Physik des Christentums: ein wissenschaftliches Experiment. München: Piper (März 2008), 429 Seiten, 22,90 €. ISBN-10: 3492047203.