Konkurrierende Ordnungsmodelle

(hpd) Der als neokonservativ geltende US-amerikanische Politikwissenschaftler Robert Kagan, Berater McCains, wird in seinen Analysen

zwar realistischer, ein Konzept hat er aber nicht

 

Angesichts des Niedergangs der Staaten des „real existierenden Sozialismus" kam Anfang der 1990er Jahre die These vom „Ende der Geschichte" (Francis Fukuyama) auf. Sie postulierte den endgültigen Sieg der Demokratie als politisches Ordnungssystem und damit auch den Rückgang von Konflikten in den internationalen Beziehungen. Mittlerweile sind die damit verbundenen Hoffnungen - angesichts des Aufkommens neuer autoritärer Regime und der Folgen des islamistischen Terrorismus - zu Grabe getragen worden. Auch der bekannte und einflussreiche US-amerikanische Politikwissenschaftler Robert Kagan geht in seinem jüngsten Essay von der „Rückkehr der Geschichte und dem Ende der Träume" aus. So lautet jedenfalls die Übersetzung des Originaltitels, woraus in der deutschen Ausgabe „Die Demokratie und ihre Feinde" wurde. Kagan ist Senior Associate beim Carnegie Endowment for International Peace, Kolumnist der „Washington Post" und außenpolitischer Berater des Präsidentschaftskandidaten der Republikaner John McCain. Was hat er zu sagen?

Zunächst konstatiert Kagan „die Rückkehr des Großmachtnationalismus. Statt der neuen Weltordnung führen die widerstreitenden Interessen und Bestrebungen der Großmächte abermals zu den Allianzen, Gegenallianzen und kunstvollen Tänzen mit wechselnden Partnern, wie sie einem Diplomaten des neunzehnten Jahrhunderts auf Anhieb vertraut wären" (S. 17). Dies veranschaulicht der Autor dann anhand des Aufstiegs von China und Russland als autoritären Systemen mit entwickelten Wirtschaftsordnungen. Darüber hinaus geht er ausführlich auf die neue Bedeutung von Indien und Japan einerseits und des Iran andererseits ein. Im Kern bezieht sich seine Erörterung allerdings auf die „globalen Spaltungen zwischen dem Club der Autokraten und der Achse der Demokratie" (S. 83). Angesichts dieser plädiert Kagan für ein „globales Konzert oder einen Bund der Demokratien" mit dem „Ziel, die demokratischen Nationen zu regelmäßigen Treffen und Konsultationen über die jeweils aktuellen Themen zusammenzubringen" (S. 106).

Die genaueren Konturen und Voraussetzungen für eine solche Konstellation erörtert der Autor indessen nicht näher. Gleichwohl erweist sich der als neokonservativer Denker geltende Kagan, der 2002 durch seine These „Amerikaner sind vom Mars, Europäer von der Venus" angesichts der Debatte um den Irak-Krieg auf sich aufmerksam machte, als weitaus realistischer als früher. Weiterhin beklagt er das Zerwürfnis zwischen Europa und den USA, benennt in diesem Kontext aber auch mit kritischem Unterton die grundsätzlichen und seinerzeitigen Fehler der US-Außenpolitik. Um eine sich wieder andeutende Annäherung stärker voranzutreiben, müsste es auch eine Änderung in den USA geben. Über die damit verbundenen Voraussetzungen äußert sich Kagan allerdings nicht. Gleichwohl wird es einen Wandel geben, unabhängig davon, ob McCain oder Obama die Wahl gewinnen wird. Aber in welche Richtung die Änderungen in den USA um eines solchen Bündnisses der Demokratien willen gehen sollten, ist nicht das doch so wichtige Thema des Autors.

Klar und zutreffend verweist er indessen darauf, dass mit China und Russland den westlichen Demokratien zwei konkurrierende Ordnungsmodelle entgegen treten: Im Unterschied zur Situation vor 1990 verbinden sie ihre autoritäre Ausrichtung mit wirtschaftlichem Erfolg. Die lange Zeit auch im Westen kursierende Auffassung „Demokratie bedeutet Marktwirtschaft, Marktwirtschaft bedeutet Demokratie" erweist sich erneut als falsch: „Die russische und chinesische Autokratie haben herausgefunden, wie man freie Marktwirtschaft zulassen und gleichzeitig politische Aktivitäten unterdrücken kann" (S. 64). Kagan erweist sich auch in einem anderen Gesichtspunkt als realistischer als noch vor wenigen Jahren: Die Spannungen zwischen autoritären und demokratischen Systemen müssen nicht zwingend zu einem neuen „Kalten Krieg" führen. Es bedürfe weder eines „blinden Kreuzzugs" noch einer „gewaltsamen Konfrontation" (S. 106). Doch worin bestünde ein angemessener Weg? Darüber schweigt sich Kagan aus. Gleichwohl liefert sein Essay einen interessanten Problemaufriss.

Armin Pfahl-Traughber

Robert Kagan, Die Demokratie und ihre Feinde. Wer gestaltet die neue Weltordnung? Aus dem Amerikanischen von Thorsten Schmidt, München 2008 (Siedler-Verlag), 127 S., 16.,95 €